Isenbüttel. Gemeinsam-Preis: Das Projekt „Der Hof – Heilpädagogischer Bauernhof und Integrative Freizeitgestaltung“ in Isenbüttel gehört zu den Kandidaten.

Die Osterküken aus dem Naturhistorischen Museum in Braunschweig dürfen sich freuen: Zeigen sie sich zur Zeit nur im Livestream, dauert nicht mehr lange, dann ziehen sie in ihr neues Zuhause auf den Hof nach Isenbüttel – und dort ist die Freude schon jetzt besonders groß auf die künftigen Mitbewohner. Nicht nur, weil der Hof 19 Eier der Landhuhnrasse Ostfriesische Möwe zum Ausbrüten geliefert hat, sondern weil der Hof nicht irgendein Hof ist, sondern ein bemerkenswertes Projekt, das aus einer ehrenamtlichen Initiative entstand und Menschen mit Handicap Wohnen und Arbeiten unter einem Dach bietet.

50 Hektar Land werden bewirtschaftet und 350 Tiere versorgt

Für Hannes Schulte ist diese Beschreibung viel zu sachlich: „Es ist super hier“, schwärmt er. Mit Mistharke und Schubkarre ist Hannes an diesem Frühlingstag unterwegs und sorgt für saubere Paddocks. Seit 21 Jahren lebt er auf dem Hof. Etwas Schöneres kann er sich kaum vorstellen, außer – naja, der Lieblingsfußballverein gewinnt. Das freut dann nicht nur Hannes, sondern auch den Käpt’n, wie er Geschäftsführer Roland Bursian nennt. Er kam aus der Großstadt auf den Hof und spricht von einem Traumjob – seit fast 12 Jahren. 16 Menschen mit Handicap wohnen auf dem Hof, zum Arbeiten kommen weitere 8 dazu, die entweder bei den Eltern oder in der nahen Umgebung wohnen. Zusammen mit 23 Fachkräften, viele davon in Teilzeit, bewirtschaftet das Hof-Team 50 Hektar Land, kümmert sich um 350 Legehennen, Hähnchen, Schweine, Enten, Gänse und Pensionspferde. Islandpferde gibt es auch, Kaninchen ebenso. Der Hof ist Bioland-zertifiziert und anerkannter Demonstrationsbetrieb für Ökologischen Landbau. Es gibt einen Hofladen, ein Hofcafé und einen Verkaufswagen, der auf Wochenmärkten in der Region Hofprodukte anbietet.

Das klingt hochprofessionell und ist es auch. Aber hinter dem gemeinnützigen Projekt steht ein Verein: „Der Hof – Heilpädagogischer Bauernhof und Integrative Freizeitgestaltung“, so der offizielle Name. Ehrenvorsitzende Elke Kaune gehörte bei der Vereinsgründung 1990 zu den Initiatoren. Eltern, Verwandte und Freunde hatten sich zusammengefunden, um eine nachhaltige Alternative zum Schraubensortieren zu schaffen. Der Anfang war schwierig, gut neun Jahre dauerte es, bis der langersehnte Hof eröffnet wurde. Als anerkannte Werkstatt für behinderte Menschen bietet der Hof vor allem Arbeit, deren Sinnhaftigkeit sofort nachvollziehbar ist, sei es, wenn die Mitarbeiterin im Hofladen Eier von Hühnern verkauft, die sie zuvor gefüttert und versorgt hat oder Hannes sich um das Wohlergehen der Pensionspferde kümmert. Neun Plätze gibt es, die Warteliste ist doppelt so lang.

Kein Streichelzoo und kein Museumsbauernhof: „Das ist richtig Maloche“

Die Behinderung sei kein Mitleidsfaktor, sondern ein Qualitätsmerkmal. „Mehr Inklusion geht nicht“, sagt Bursian. Aber: „Das ist hier kein Streichelzoo und kein Museumsbauernhof, das ist richtig Maloche“, so der Geschäftsführer. Und noch immer gilt zwischen Reithalle und Kartoffelacker: ohne Ehrenamt läuft ganz nichts auf dem Hof. Sei es bei den Übungsstunden für die Hofmusikanten oder beim beliebten Hoffest, das wegen Corona allerdings vergangenes Jahr ausfallen musste.

Tanja Ferber hat inzwischen Prinz und Angel mit Heu versorgt. Die beiden Pferde lassen es sich schmecken – und dann gibt’s auch für Hofbewohner und Mitarbeiter Essen: Frikadellen mit Kartoffeln – vom eigenen Schwein und vom Biobauern aus Ettenbüttel, weil die eigenen längst verkauft sind.

Gemeinsam-Preis 2021- Die Kandidaten im Überblick