Berlin. Eine Einmalzahlung statt Lohnerhöhung: So will Olaf Scholz der Inflation begegenen. Sein Vorschlag krankt an mehreren Problemen.

Es ist ein Wort wie ein Schreckgespenst: Lohn-Preis-Spirale. Seit Wochen warnen Ökonomen und Wirtschaftsvertreter, dass eine unheilvolle Wechselwirkung aus steigenden Löhnen und Preisen die Inflation unkontrollierbar werden lässt.

Im Mai lag die Teuerung bereits bei 7,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, mit Sorge blickt die Wirtschaft am Mittwoch nach Wiesbaden, wo das Statistische Bundesamt eine erste Schätzung zur Inflationsrate im Juni bekannt geben wird.

Fest steht: Die hohe Inflation macht sich bereits im Portemonnaie bemerkbar. Und die Gewerkschaften sind nicht gewillt, dass die Zeche die Beschäftigten zahlen müssen. Um 6,5 Prozent steigen etwa zum 1. August die Löhne und Gehälter in der Stahlindustrie. In der Metall- und Elektroindustrie will die IG Metall sieben bis acht Prozent mehr Lohn durchsetzen, um einen Kaufkraftverlust zu verhindern. Lesen Sie auch: Inflation: Weitere Entlastungen? Was Olaf Scholz jetzt plant

Inflation in Deutschland: Beginnt die Lohn-Preis-Spirale?

Wird das der Beginn einer Lohn-Preis-Spirale? Die höheren Mehrausgaben bei den Löhnen könnten die Unternehmen auf ihre Produkte umlegen, lautet die Befürchtung. 69 Prozent der Mittelständler in Deutschland kündigen bereits an, in den kommenden sechs Monaten ihre Preise erhöhen zu wollen, wie aus einer Mittelstandsumfrage der DZ Bank und des Bankenverbandes BVR hervorgeht.

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Um eine solche Spirale zu verhindern, zugleich die Beschäftigten aber zu entlasten, schlägt die SPD nun einen Kompromiss vor: Die Gewerkschaften sollen auf einen Teil ihrer Lohnforderung verzichten, im Gegenzug sollen die Arbeitgeber eine steuerfreie Einmalzahlung leisten.

Ein ähnliches Modell hatte es jüngst beim Corona-Bonus gegeben. Arbeitgeber konnten einen Bonus von bis zu 1500 Euro steuerfrei auszahlen.

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Ins Gespräch gebracht hatte die Sonderzahlungen der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich gegenüber unserer Redaktion. Nun stellt sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz hinter die Idee seines Parteikollegen, wie die „Bild am Sonntag“ berichtet.

Seinen Vorschlag zur Einmalzahlung will Scholz demnach den Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern am 4. Juli unterbreiten, wenn er zur „konzertierten Aktion“ im Kanzleramt an den runden Tisch bittet. Je acht Arbeitnehmer- und Wirtschaftsvertreter sind dann geladen, ebenso wie Bundesbankpräsident Joachim Nagel und ein Vertreter der sogenannten Wirtschaftsweisen.

Widerstand kommt auch aus der eigenen Koalition

Die Begeisterung für Scholz’ Vorschlag dürfte sich bei dem Austausch allerdings in Grenzen halten. „Tarifverhandlungen werden nicht im Bundestag geführt“, sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger unserer Redaktion. „Alle Hinweise aus der Politik – wie jetzt zu Einmalzahlungen – können Verhandlungen eher erschweren als erleichtern“, führte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) aus. Mehr dazu in diesem Kommentar: Warum der Scholz-Vorschlag nicht zielführend ist

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hatte zuletzt zwar begrüßt, dass Scholz nach sozial verträglichen Lösungen suche, zugleich aber ebenfalls gemahnt, dass Tarifverhandlungen nicht im Kanzleramt geführt werden würden.

Um einen Eingriff in die Tarifautonomie der Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter gehe es auch nicht, versicherte Mützenich. Man wolle aber deutlich machen, dass „sich alle aufeinander zubewegen müssen.“ Der Staat habe nicht allein die Mittel zur Verfügung, „um diese größte Herausforderung in der jüngeren Geschichte ausreichend zu bewältigen“.

Trotzdem stößt Mützenich auch beim eigenen Koalitionspartner auf Widerstand: FPD-Vize Wolfgang Kubicki findet eine Einmalzahlung unproblematisch, solange sie freiwillig als Vereinbarung zwischen den Arbeitnehmern und den Arbeitgebern geschehe.

Eine Einmischung der Politik hält Kubicki aber für falsch – und geht Mützenich harsch an: „Mir scheint, dieser Vorschlag ist so diffus und unausgegoren, dass dieser den direkten Weg in den Orkus der Geschichte antreten wird“, sagte der FDP-Vize unserer Redaktion. Lesen Sie auch: Inflation, Energieknappheit, Krieg: Welche Szenarien drohen?

Vorschlag hat noch ganz anderes Problem

Der Vorschlag zur Einmalzahlung beinhaltet allerdings noch ein weiteres Pro­blem: Viele Verbraucher würden von dem Vorschlag gar nicht profitieren. Nur rund 43 Prozent der Beschäftigten werden nach Tarifvertrag bezahlt. Für die anderen hätte der Vorschlag keinen Effekt – und auch Rentner und Studierende würden wie schon bei der Energiegeldpauschale leer ausgehen. Für sie brauche es gesonderte Leistungen, hieß es aus Regierungskreisen.

Die Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann möchte im Zuge weiterer Entlastungen zudem jene in den Blick nehmen, die nur über ein geringes Gehalt verfügen: „Die brauchen die Entlastungen, beispielsweise in der Grundsicherung, am drängendsten“, sagte Haßelmann unserer Redaktion. Es sei gut, auch „über strukturelle Maßnahmen zu reden, die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen erreichen“, fügte Haßelmann hinzu. Zugleich müsse der Staat vorausschauend in Infrastruktur und Maßnahmen gegen die Klimakrise investieren.

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.