Berlin. Ein rechter Politiker will in Schweden Korane verbrennen. Die Gegendemos sind so gewaltsam, dass die Polizei dahinter System vermutet.

In mehreren Städten in Schweden kam es nach geplanten Koranverbrennungen zu Ausschreitungen bei Protesten. Auslöser ist Rasmus Paludan, der dänisch-schwedische Gründer und Vorsitzende der rechtsextremen und islamfeindlichen Partei Stram Kurs ("Strammer Kurs"). Paludan zieht derzeit durch schwedische Städte und hält Versammlungen ab, bei denen jeweils ein Koran verbrannt werden soll.

Ins Rampenlicht rückten in den letzten Tagen allerdings vor allem Teile der Gegendemonstranten, die eine starke Gewaltbereitschaft gezeigt hatten. Sie kaperten unter anderem einen Polizeiwagen und fuhren unter Jubel mit ihm herum. Zudem hatte es in mehreren Städten brennende Fahrzeuge, Mülltonen und sogar eine in Brand gesetzte Schule gegeben.

Bereits am Donnerstag hatte es erste Unruhen gegeben. Die Bilanz der Polizei nach mehreren Tagen Krawallen in den Städten Norrköping, Linköping, Stockholm, Örebro, Landskrona und Malmö: 26 verletzte Polizeibeamte, 20 zerstörte Polizeifahrzeuge, 14 verletzte Bürger und Bürgerinnen. Darunter drei Angeschossene, die die Polizei in Norrköping aus Versehen mit Querschlägern aus abgefeuerten Warnschüssen getroffen haben soll.

Die Polizei nahm mindestens 40 Personen fest, unter ihnen sollen mehrere Minderjährige gewesen sein. Zudem ermittelt sie wegen Straftaten wie gewalttätigen Ausschreitungen, Sabotage, Brandstiftung und sogar versuchten Mordes an Polizeibeamten.

Schweden: Polizei von Gewalt bei Protesten überrascht

"Wir waren überrascht von der Wucht und Rücksichtslosigkeit, mit der sich diese Gewalt gerade gegen die Polizei und diejenigen richtet, die sich für die Meinungsfreiheit einsetzen", erklärte Jonas Hysing, der Leiter des nationalen Polizeikommandos, der Zeitung "Dagens Nyheter" (DN).

Er schätzt, dass bei den Unruhen zu Ostern landesweit rund 200 Personen gewalttätig waren. Und dass noch viele weitere Demonstranten mit rechtlichen Folgen rechnen müssen: "Die Beweislage ist gut, einschließlich der Körperkameras, die die Polizei hat", so Hysing.

Die Ausschreitungen in Schweden begannen bereits am Donnerstag
Die Ausschreitungen in Schweden begannen bereits am Donnerstag © dpa

Die Kritik richtet sich dabei allerdings nicht nur gegen die Gewalt bei den Demonstrationen, sondern auch gegen die Arbeit der Polizei und deren Versäumnisse – besonders im Vorfeld zu den landesweiten Ausschreitungen.

Gegenüber DN erklärte der Polizeiforscher Stefan Holgersson, die schwedische Polizei habe sich im Laufe der Zeit von der präventiven und beziehungsfördernden Arbeit in der lokalen Gemeinschaft entfernt. Diese Arbeit ziele allerdings darauf ab, die Konflikt- und Gewaltbereitschaft zu senken.

Schwedens Polizei vermutet: Eskalation war geplant

Bei der Polizei antwortet man darauf mit einer Gegentheorie: Der nationale Polizeichef Anders Thornberg erklärte am Ostermontag bei einer Pressekonferenz, es gäbe einen "dringenden Verdacht, dass sich Personen aus kriminellen Netzwerken zusammengeschlossen haben, um den Staat und die Polizei anzugreifen".

Die Randalierer hätten vielmehr die Polizei als die Rechtsradikalen anvisiert: "Hier geht es nicht darum, dass Menschen demonstrieren, weil sie ihrer Meinung Gehör verschaffen wollen", so Thonberg. "Vielerorts war Paludan noch nicht einmal vor Ort, und dennoch haben diese gewalttätigen Übergriffe stattgefunden." Gleichzeitig betont der Polizeichef, dass es auch friedliche Proteste gegeben habe – etwa im Stockholmer Stadtteil Rinkeby.

Warum die Lage aber so eskalierte, bleibt weiterhin unklar. Kommandochef Jonas Hysing kündigte weitere Untersuchungen an und richtet sich dabei auch aufs Ausland. "Wir wissen, dass in den sozialen Medien zu Gewalt gegen Polizeibeamte aufgerufen wurde", sagte er. "Auch außerhalb der schwedischen Grenzen."

Schweden: Rechter Politiker sagt Koranverbrennungen ab

Rasmus Paludan hatte in der Vergangenheit bereits Genehmigungen für öffentliche Veranstaltungen in Schweden und konnte diese auch durchführen. Er will mit seiner bislang nur dänischen Partei Stram Kurs bei den Parlamentswahlen in Schweden im Herbst antreten. Bisher verfügt er aber noch nicht über die erforderliche Anzahl von Unterschriften für eine Kandidatur.

In Dänemark hatte Paludan Ähnliches versucht, schaffte es mit knapp über einem Prozent der Stimmen aber nicht ins Parlament. Auch bei seinen geplanten Versammlungen musste er am Wochenende einen Rückschlag hinnehmen: Seine für den Ostersonntag geplanten Koranverbrennungen in Linköping und Norrköping sagte Paludan nach den Ausschreitungen ab.

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz. de