Nienborstel. Kanzlerin Angela Merkel löst diese Woche Wahlkampfversprechen ein: Nun besuchte sie einen Milchviehbetrieb. Und nahm einiges mit.
Nur wenige Stunden nach der Geburt hat „Wirbelwind“ bereits eine Patin. Bundeskanzlerin Angela Merkel übernimmt bei einem Besuch auf dem Milchviehbetrieb der Familie Trede im schleswig-holsteinischen Nienborstel am Donnerstag die Patenschaft für das Kalb. Die Kanzlerin löst in dieser Woche Versprechen aus dem
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ein.
Zeigte sie sich zum Start am Montag bei einem Besuch von
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in Paderborn noch ein wenig abgekämpft von dem monatelangen Ringen um die Regierungsbildung und dem Asylstreit, wirkte die Regierungschefin bereits am Mittwoch in Köln bei einem Treffen mit Natalie Dedreux, einer Frau mit Down-Syndrom, bereits entspannt. Und nun zum Abschluss der Hof mit 140 Milchkühen mitten auf dem platten Land.
Die Dorfbewohner empfangen sie bei tollem Sommerwetter mit kräftigem Applaus. Einige stimmen zwei Tage nach dem 64. Geburtstag Merkels ein „Happy Birthday“ an. Die Kanzlerin lächelt, geht auf die Menschen zu, zeigt sich bürgernah und begrüßt nacheinander jeden auf dem Hof. Immer wieder nimmt sie sich dabei Zeit für einen Plausch. Sie kommt locker rüber und wirkt gelöst.
Merkel und die Milchkühe
Existenznöte waren Merkel nicht bewusst
Die Reise tut Merkel sichtlich gut. Etwa anderthalb Stunden dauert der Rundgang, sie schaut die neue Melkanlage der Familie an und setzt sich für Kaffee und Kuchen bei Kerzenschein mit der Familie Trede an den Tisch. Gleich drei verschiedene Kuchen stehen zur Wahl. Merkel entscheidet sich für die Mandarinen-Torte mit Quark.
Die Kanzlerin löst ein Versprechen ein, dass sie Ursula Trede im Bundestagswahlkampf gab. Sie hatte Merkel in der ARD-„Wahlarena“ in Lübeck mit den Existenznöten kleinerer Betriebe konfrontiert: „Warum lassen Sie unsere Betriebe sterben?“ Nach einer Diskussion über den niedrigen Milchpreis lud sie Merkel ein.
„Sie hat sich richtig eingebracht und gut zugehört“, sagt Trede. Merkel habe gesagt, ihr seien die Existenznöte mittlerer Betriebe bei niedrigen Milchpreisen in der Form nicht bewusst gewesen. Vor der Presse signalisiert die Kanzlerin anschließend Verständnis. Sie wolle mit Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) über die Probleme sprechen. Nötig seien Bedingungen, unter denen „auch mittlere Milchviehbetriebe gut existieren können“.
10.000 Euro Verlust im Monat
„45 Cent pro Kilogramm Milch wären notwendig“, sagt Trede. In Zeiten niedriger Milchpreise vor wenigen Jahren habe ihr Hof Schulden gemacht. „Wir haben in der Milchkrise jeden Monat 10.000 Euro verloren“, sagt sie. Nach Angaben der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein steigen die Milchpreise derzeit zwar in kleinen Schritten. Im Juni hat der durchschnittliche Auszahlungspreis aber bei 32,08 Cent je Kilogramm und damit um mehr als 2,5 Cent unter dem Vorjahrespreis gelegen. „Die Preise sind jedoch deutlich über den Kursen der Krisenjahre 2015 und 2016“, sagt Sprecherin Daniela Rixen.
Sie habe der Kanzlerin deutlich machen wollen, dass die starken Schwankungen des Milchpreises für kleine und mittlere Betriebe ein Problem seien, sagt Trede. Die Norddeutsche erhofft sich von Merkel Unterstützung für ein europäisches Krisenmanagement im Falle niedriger Preise. Die Kanzlerin habe ja eine gewichtige Stimme in Europa.
Rund die Hälfte der Betriebe haben Engpässe
Die Landwirtschaftskammer rechnet damit, dass mehr als die Hälfte der rund 4000 Milchviehbetriebe in Schleswig-Holstein Liquiditätsengpässe bekommen wird. Vor vier Jahren waren es noch 4500 Betriebe. Im nördlichsten Bundesland werden nach Angaben des Statistikamt Nord etwa 1,07 Millionen Rinder gehalten, davon mehr als 387.000 Milchkühe. Diese geben nach Angaben des Landeskontrollverbands im Schnitt 8462 Kilogramm (Liter) Milch im Jahr.
Merkel fährt nicht nur „mit einer guten Erfahrung nach Hause, aber auch mit einem Aufgabenpaket“, sagt die Regierungschefin. Und mit Keksen in Kuhform, die Ursula Trede als Geschenk mitgibt.