Berlin. Ein Hardliner droht im Freitagspredigt mit der Zerstörung von Tel Aviv und Haifa. Israel warnt vor Zunahme iranischer Kräfte in Syrien.

Die Spannungen zwischen Israel und dem Iran sind so hoch wie nie. Experten befürchten, dass ein Krieg zwischen den beiden Ländern immer wahrscheinlicher wird. Am Freitag warnte der Iran Israel vor weiteren Angriffen auf seinen Verbündeten Syrien. Damaskus habe jedes Recht, sich gegen eine israelische Aggression selbst zu verteidigen, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Bahram Kasemi.

Der zu den Hardlinern zählende Ajatollah Ahmad Chatami drohte in seiner Freitagspredigt mit der Zerstörung von Tel Aviv und Haifa, „sollte Israel töricht handeln“. Der Iran werde trotz des Drucks des Westens seine Raketenstreitmacht ausbauen. Die Zuhörer quittierten die Worte Chatamis mit den Rufen „Tod Amerika“ und „Tod Israel“.

Völlig gegensätzliche Interessen

Am Donnerstagmorgen hatten offenbar iranische Kräfte in Syrien Raketen auf den israelisch besetzten Teil der Golanhöhen abgeschossen. Kurz darauf flog Israel Attacken auf 50 Ziele in Syrien, in denen sich vor allem iranisches Personal befand. Nach Einschätzung von Fachleuten war dies nur der Auftakt für eine militärische Konfrontation zwischen Israel und dem Iran. „Das ist wahrlich eine Frage von Krieg und Frieden“, warnte Kanzlerin Angela Merkel.

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    Der Grund für die zunehmend aufgeheizte Lage liegt in den völlig gegensätzlichen Interessen von Jerusalem und Teheran. Israel leidet unter Einkreisungsängsten, die immer wieder durch Drohungen aus dem Iran befeuert werden. Nach Angaben aus israelischen Regierungskreisen hat der Iran seine militärische Präsenz in Syrien in den vergangenen Monaten deutlich erhöht.

    Mittlerweile befänden sich rund 2000 Revolutionsgardisten, 8000 schiitische Hisbollah-Kämpfer sowie zwischen 10.000 und 13.000 Angehörige schiitischer Milizen in Syrien. Der Iran ist – wie Russland – Schutzmacht von Syrien, an dessen Spitze Machthaber Baschar al-Assad von der schiitischen Minderheit der Alawiten steht.

    Israel rechnet mit Mehrfrontenkrieg

    Zudem hätten die iranischen Kräfte ihr Waffenarsenal drastisch ausgebaut, heißt es in Jerusalem. Heute verfüge die mit dem Iran verbündete Hisbollah im Libanon über rund 100.000 Raketen, sieben Mal so viele wie 2006. Darunter seien hochmoderne russische Luftabwehrraketen vom Typ SA-17 und SA-22 und Drohnen mit GPS-Steuerung. Weiter kritisiert Israel geheime Waffentransfers zwischen Russland und der Hisbollah.

    Demnach liefere Russland Militärgerät an die syrische Armee. Von dort würden die Güter an die Hisbollah im Libanon oder an schiitische Milizen in Syrien abgezweigt. Moskau scheint Syrien nun allerdings doch nicht mit S-300-Luftabwehrraketen auszustatten. Mit dieser Aussage wurde ein enger Mitarbeiter von Kremlchef Wladimir Putin in der russischen Zeitung „Iswestija“ zitiert. Dies ist offenbar auf eine erfolgreiche Intervention des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu zurückzuführen, der Putin am Mittwoch besucht hatte.

    Israel rechnet dennoch mit dem Szenario eines vom Iran gesteuerten Mehrfrontenkriegs. Zum einen seien die Hisbollah-Verbände im Libanon auf ein Signal aus Teheran hin gefechtsbereit, betonen Regierungskreise. Vor allem aber beunruhigt Jerusalem, dass die schiitischen Milizen und Revolutionsgardisten immer näher an die israelische Grenze im Südwesten Syriens heranrückten.

    Iran: „Auf Einladung der syrischen Regierung im Land“

    Ein Schlüsselmoment der Provokation war für die Israelis der Drohnen­angriff auf Israel im Februar. Nach israelischen Angaben sei die Drohne von einem iranischen Kontrollzentrum beim Flughafen T4 nahe der syrischen Stadt Homs gestartet worden und habe Sprengstoff enthalten. Die Israelis hatten die Drohne abgeschossen und die Stellung bei T4 durch Luftangriffe zerstört. In Jerusalem heißt es, dies sei ein militärischer Versuchsballon der Iraner gewesen, um Israels Reaktion zu testen. „Israel handelt, indem es rote Linien aufzeigt. Durch Reden erreicht man nichts“, sagt ein hochrangiger Regierungsmitarbeiter.

    Dies zeigt, wie aufgeheizt die Lage ist. Der Iran pocht hingegen auf seine Truppenpräsenz in Syrien. Man sei „auf Einladung der syrischen Regierung“ im Land – im Gegensatz zu den USA oder der Türkei. In Wahrheit baut das ­Mullah-Regime seine „schiitische Achse des Widerstands“ aus. Es will sich einen schiitischen Einflussbereich sichern, der vom Iran über den Irak, Syrien bis in den Libanon reicht.

    Israel signalisiert auf alles vorbereitet zu sein

    Darüber hinaus begreift sich Teheran als Bannerträger des rechtmäßigen Islams, der zudem der einzige Sachwalter der „legitimen Interessen“ der von Israel „unterdrückten Palästinenser“ sei. Das ruft wiederum den Zorn Saudi-Arabiens hervor, das sich als Schutzmacht des sunnitischen Islams sieht. Das tiefe Misstrauen gegenüber dem Iran führt zu einem ungewöhnlichen Schulterschluss zwischen Israel und den Saudis.

    Nach Einschätzung der Denkfabrik International Crisis Group hat der Iran die Sorge, Israel im Falle eines offenen Kriegs deutlich unterlegen zu sein. Teheran strebe nach Stützpunkten in Syrien, um bei einer militärischen Konfrontation eine weitere Front eröffnen zu können.

    Der Iran „braucht diese, weil Israel Atomwaffen besitzt und seine Überlegenheit im Bereich der konventionellen Streitkräfte aufrechterhält“, heißt es in einem Bericht der International Crisis Group. Israel signalisiert, auf alles vorbereitet zu sein. Ein Regierungsmitarbeiter warnt: „Wenn der Iran weitermacht wie bisher und sich nicht aus Syrien zurückzieht, wird es zu einer großen militärischen Auseinandersetzung mit Israel kommen.“