Damaskus/Berlin. Ost-Ghuta erlebt eine der schlimmsten Angriffswellen des Bürgerkriegs in Syrien. Kann die Diplomatie das Leiden der Zivilisten beenden?

Der UN-Sicherheitsrat hat eine Abstimmung über eine mögliche Waffenruhe in Syrien erneut verschoben. Der Rat wolle nun am Samstag über eine entsprechende Resolution abstimmen, sagte der schwedische UN-Botschafter Olof Skoog nach rund sechsstündigen, ergebnislosen Beratungen in New York. „Ich bin extrem frustriert“, sagte Skoog. „Wir sind nicht in der Lage gewesen, eine Resolution zu verabschieden, um das Leid des syrischen Volkes zu mildern.“

Kuwaits UN-Botschafter Mansour Al-Otaibi, derzeit Vorsitzender des Sicherheitsrats, kündigte die Abstimmung für Samstagmittag (Ortszeit, 18 Uhr MEZ) an. „Wir haben keinen Konsens. Wir sind nah dran“, sagte Al-Otaibi. Die Abstimmung werde in jedem Fall stattfinden. Die UN-Botschafterin der USA, Nikki Haley, bezeichnete es auf Twitter als „unglaublich, dass Russland eine Abstimmung über eine Waffenruhe für den Zugang humanitärer Helfer verzögert“.

Am Freitag war ein von Schweden und Kuwait vorgelegter Resolutionsentwurf in Umlauf, der eine 30 Tage lange Waffenruhe in ganz Syrien vorsah. Diese sollte humanitären Helfern zudem wöchentlich Zugang zu belagerten Gebieten verschaffen. UN-Helfern und deren Partnern sollte dem Text zufolge außerdem ermöglicht werden, Kriegsopfer sicher zu evakuieren. Russland hatte eine entsprechende Resolution am Donnerstag mit Änderungsvorschlägen blockiert.

Über 100 tote Kinder seit Sonntag

Die syrischen Regierungstruppen hatten ihre heftigen Angriffe auf das belagerte Rebellengebiet

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den sechsten Tag in Folge fortgesetzt. Bei Bombardierungen aus der Luft und Beschuss mit Artillerie seien mindestens neun Zivilisten getötet worden, meldete die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London am Freitag.

Die belagerte Region nahe der Hauptstadt Damaskus erlebt die schlimmste Angriffswelle seit Beginn des Bürgerkriegs vor fast sieben Jahren. Seit Sonntagabend wurden durch mehr als 430 Zivilisten getötet, darunter fast 100 Kinder, wie die Beobachtungsstelle weiter meldete. Mehr als 2200 Menschen seien verletzt worden.

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    Eine erste Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats zum Syrien-Konflikt war schon am Donnerstag in New York ohne Einigung über eine Waffenruhe zu Ende gegangen. Schweden und Kuwait hatten einen Resolutionsentwurf in Umlauf gebracht, der eine 30 Tage lange Feuerpause sowie Zugang für humanitäre Helfer vorsieht.

    „Die Hölle auf Erden“

    Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), bezeichnete es im ARD-„Morgenmagazin“ als zynisch, dass in dem Gremium über eine Waffenruhe in Syrien gestritten werden müsse und forderte Zugänge zur Region. Wie zuvor UN-Generalsekretär António Guterres bezeichnete auch Roth die Situation in Ost-Ghuta als „die Hölle auf Erden“.

    Der Chefunterhändler der syrischen Opposition, Nasr al-Hariri, schrieb auf Twitter: „Welchen Wert hat der Sicherheitsrat (...), wenn er angesichts von Schurkenstaaten hilflos ist, die ihr Arsenal benutzen, um auf Zivilisten in Ost-Ghuta zu zielen.“ Die Gegner der syrischen Regierung machen deren engen Verbündeten Russland für die Angriffe auf das Gebiet mitverantwortlich.

    400.000 Menschen eingeschlossen

    Der syrische Oppositionelle Samir al-Naschar warf Moskau vor, den Sicherheitsrat zu blockieren. Auch der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, erklärte, Russlands Präsident Wladimir Putin, habe sich „mit seiner zynischen Haltung auf diplomatischem Parkett und seiner aktiven Rolle auf den Schlachtfeldern Syriens “ mit Blut befleckt.

    Ein UN-Experte forderte eindringlich eine Waffenruhe für Ost-Ghuta, um den rund 400.000 dort eingeschlossenen Menschen dringend benötigte Lebensmittel bringen zu können. Solange weiter gekämpft werde, sei die Lieferung von Hilfsleistungen zu gefährlich, sagte Jakob Kern vom Welternährungsprogramm (WFP) der UN im Deutschlandfunk.

    Leben in Kellern

    Syriens Regierungstruppen belagern Ost-Ghuta seit 2013. Helfer berichten von einer dramatischen humanitären Lage. Es fehlt an Nahrungsmitteln, medizinischen Gütern und Strom. Aktivisten erklärten, mehrere Krankenhäuser seien nach Angriffen außer Betrieb. Die Menschen leben aus Angst vor dem Beschuss in Kellern.

    Angesichts der sich verschlechternden Versorgungslage in dem Bürgerkriegsland beklagte auch die Bundesregierung den schweren Zugang für Hilfslieferungen. Die mangelnde Versorgung sei „vor allem mit den deutlich gestiegenen Zugangsverweigerungen des syrischen Regimes zu erklären“, zitiert die „Rheinische Post“ aus einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Linken.

    Der regierungstreue syrische Parlamentsabgeordnete Faris Schihabi warf dem Westen auf Twitter vor, er habe in Ost-Ghuta eine „Medienagenda“ zugunsten von „Terroristen“ eingenommen und ignoriere das Leiden der Menschen in Damaskus. Syriens Regierung beschuldigt die Rebellen, die Hauptstadt ebenfalls mit Granaten zu beschießen. (dpa)