„Andrea Nahles ist nur noch im Amt, weil diePartei panische Angst vor Neuwahlen hat.“

Die Gebete vieler Genossen sind nicht erhört worden. Friedrich Merz, der es auf dem CDU-Parteitag vergeigt hat, wie einst Bobby Ewing in der TV-Kultserie „Dallas“ politisch aus dem Grab zu steigen, wäre für die Sozialdemokraten die perfekte Reibungsfläche gewesen. Klassenkämpferische Rhetorik der Roten gegen einen beinharten Konservativen. Der Traum ist mit der 50-Prozent-Entscheidung der CDU für Annegret Kramp-Karrenbauer zerplatzt. Das sagt viel über den verzagten Zustand der Sozialdemokratie aus.

Aus eigener Kraft kann da fast niemand mehr Funken schlagen. Eine Ausnahme ist Katarina Barley. Die Justizministerin, die am Sonntag mit 99 Prozent zur Spitzenkandidatin für die Europawahl gekürt wurde, sagte, sie liebe ihre Partei, „nach wie vor“. Nur die SPD kämpfe für ein wirklich soziales Europa. Ideen wie europäische Mindestlöhne oder eine EU-weite Arbeitslosenversicherung sind tatsächlich Alleinstellungsmerkmale. Wenn ein rechter Demagoge wie Ex-Trump-Einflüsterer Stephen Bannon nach Brüssel kommt, um EU-Feinde zu sammeln, könnte das der SPD helfen, bei der Schicksalswahl im Mai enttäuschte Anhänger aus der Komfortzone herauszulocken, wie Barley sagt.

Von Andrea Nahles gehen kaum noch Impulse aus. Am zweiten Advent brennt das politische Licht der SPD-Chefin zwar noch. Aber die Kerze ist bedenklich weit heruntergebrannt. Jetzt, wo mit frischen Vorsitzenden in CDU und CSU (Markus Söder) auch in der Koalition eine neue Zeit beginnt, müsste Nahles mehr riskieren, als einen Hartz-IV-Umbau bis 2025 anzukündigen sowie mit Olaf Scholz brav den Koalitionsvertrag abzuarbeiten.

In der SPD sagen sie: Andrea Nahles ist nur noch im Amt, weil die Partei panische Angst vor Neuwahlen hat. Aber wer könnte es besser? Viele schauen bereits nach Hannover, auf Stephan Weil.