Hannover. Niedersachsens AfD weist Spekulationen um einen Rechtsruck zurück. Partei- und Fraktionschefin Dana Guth steht unter Druck.

Alte AfD Leier: provozieren, relativieren, dementieren. Fällt doch keiner mehr drauf rein.

Das schreibt ein Leser, der sich auf unseren Internetseiten Andy Andersvor nennt, zur Nachricht, dass Björn Höcke am KZ-Gedenktag nach Niedersachsen kommt.

Das Thema recherchierte Michael Ahlers

Bei einer Pressekonferenz der AfD-Landtagsfraktion werden an diesem Donnerstag Niedersachsens Partei- und Fraktionsvorsitzende Dana Guth und der finanzpolitische Sprecher Peer Lilienthal Seite an Seite sitzen. Es geht um die AfD-Anträge zur kommenden Landtagssitzung. Fragen „rund um die Fraktion“ sind zugelassen. Hinter den Kulissen geht es derzeit allerdings um weit mehr. Lilienthal ist einer von zwei niedersächsischen Landtagsabgeordneten, die den Thüringer AfD-Vorsitzenden und „Flügel“-Mann Björn Höcke zu einem „Niedersachsen-Abend“ eingeladen haben. Von einem Machtkampf im Landesverband ist in Berichten die Rede.

Bereits im Februar war Höcke als Vortragender bei Parteifreunden in der Wedemark bei Hannover zu Gast. Das Treffen sickerte durch, ein Foto zeigte einen gutgelaunten Höcke beim Verlassen eines Wagens. Die düpierte Parteichefin Guth sprach von „keinem guten Stil“. Auch die Einladung für den „Niedersachsen-Abend“ an Höcke kam offenbar ohne entscheidende Rolle der Vorsitzenden aus. Auf dem Foto zur Veranstaltung ist Guth nicht zu sehen, dafür neben Höcke der niedersächsische Bundestagsabgeordnete Jens Kestner sowie die Landtagsabgeordneten Stephan Bothe und Lilienthal. Offiziell geht es darum, sich von Höcke von der Thüringischen Ministerpräsidentenwahl berichten zu lassen. Dabei hatte die AfD im Landtag im entscheidenden Wahlgang nicht den eigenen Kandidaten gewählt, sondern den FDP-Bewerber. „Dies ist ein Sieg der Demokratie gegen halbseidene Machtspielchen“, hatte auch Niedersachsens AfD-Vorsitzende Guth erklärt.

Spekulationen um Abwahl Guths

Nutzen dürfte Guth das Lob für Höckes Regie wenig. Zwar soll sie beim „Niedersachsen-Abend“ am 15. April ein Grußwort halten. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Kestner gilt allerdings als möglicher Nachfolger Guths im Parteivorsitz in Niedersachsen. Beim nächsten Landesparteitag im Frühjahr wird der Vorstand neu gewählt. Guth hatte sich erst nach langen Kämpfen gegen den früheren Landesvorsitzenden Armin-Paul Hampel durchgesetzt. Lilienthal wiederum wird in AfD-Kreisen als Nachfolger Guths im Fraktionsvorsitz gehandelt. Guth wird auch als Unterzeichnerin eines AfD-Appells aus dem Sommer 2019 gegen Höcke und dessen „Flügel“ geführt. „Wir sagen sehr klar: die AfD ist und wird keine Björn-Höcke-Partei!“, heißt es da. Die überwiegend bürgerliche Mitgliedschaft lehne exzessiv zur Schau gestellten Personenkult um Björn Höcke ab. Das dürften Höcke und Anhänger kaum vergessen haben. Lilienthal hat zu der erneuten Einladung an Höcke betont, dass der Termin in Nähe des Landesparteitags „ungünstig“ sei. Das Datum sei aber dem engen Terminkalender Höckes geschuldet. Das gilt laut Lilienthal und Bothe ausdrücklich auch für das genaue Datum 15. April. Dass dies der Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen sei, habe er nicht gewusst, sagte Bothe. Laut Lilienthal waren auch zwei andere Tage im April ins Auge gefasst worden. An einem habe es keinen Saal gegeben, am zweiten Höcke keine Zeit gehabt. Auch ihm sei das Datum nicht bewusst gewesen. „Das läuft seit einem Jahr“, sagt Lilienthal zur Einladung an Höcke. Lilienthal betont außerdem, er selber sei kein „Flügel“-Mitglied. „Es ist ausdrücklich keine Flügel-Veranstaltung“, so Lilienthal, es gehe auch nicht um einen Rechtsruck. In der Anmeldungsliste sollen auch viele „gemäßigte Kräfte“ stehen. Lilienthal, ein Finanzbeamter, hatte nach dem Abitur zunächst eine Offizierslaufbahn bei der Bundeswehr eingeschlagen. Im Landtag zählt er zu den besten Rednern seiner Fraktion. Guth hat relativ schmallippig erklärt, frei gewählte Abgeordnete könnten einladen wen sie wollten. AfD-intern kann sie laut Parteikreisen auf die Rückendeckung des Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen zählen. Am 5. März tritt Guth in Gifhorn auf.

Grüne sehen Strategiewechsel

In anderen Parteien wird die Entwicklung der AfD aufmerksam verfolgt. CDU und FDP waren nach einem „Tag der offenen Tür“ im Landtag und einer AfD-Demonstration am selben Tag in Hannover ausdrücklich auf Distanz gegangen, die FDP schloss nach der Demo jede Zusammenarbeit bei einer Verfassungsklage gegen das Polizeigesetz aus. „Wir erleben ja schon seit Monaten, dass die AfD einen Strategiewechsel vollzieht“, sagt die Grünen-Abgeordnete Julia Hamburg. Sie sieht den Höcke-Auftritt als weiteren Beleg. „Ein Rechtsruck ist in der Fraktion kein Thema“, sagte dagegen Fraktionssprecher Frank Horns unserer Zeitung. Der „Niedersachsen-Abend“ mit Höcke soll bei Hannover stattfinden. Genauer Ort: noch vertraulich.