Berlin. Gewalt ist in Putins Russland überall. Das sagt ein Kenner des Landes bei “Markus Lanz“ – und berichtet von seinem eigenen Schicksal.

Seien Sie ehrlich: Wüssten Sie auf Anhieb, wo genau auf der Weltkarte Gagausien und Transnistrien zu verorten sind? Die beiden autonomen Regionen liegen in der Republik Moldau – auch Moldawien genannt – und standen im Frühjahr 2023 auf dem Reiseplan von Markus Lanz. Der Moderator machte sich auf den Weg in die Grenzgebiete zwischen Russland und den ehemaligen Sowjetstaaten, um mit den Menschen vor Ort über ihr Leben und ihre pro-russische oder pro-westliche Gesinnung zu sprechen. Was er dort erlebt hat, diskutierte er im Anschluss an die Dokumentation „Markus Lanz – Moldawien ungeschminkt“ mit vier Expertinnen und Experten im Studio.

„Markus Lanz“ – Das waren die Gäste:

  • Michael Roth, SPD-Politiker
  • Liudmila Corlăteanu, Journalistin
  • Hannes Meissner, Politologe
  • Boris Schumatsky, Russland-Experte

Über die Republik Moldau sei nie wirklich viel geredet worden, kritisierte der Moderator direkt zu Beginn. Erst mit dem russischen Angriffskrieg auf die benachbarte Ukraine sei die Sorge, dass auch die Republik zum Kriegsziel Russlands werden könnte, gestiegen und das kleine Land sei in den Fokus der Öffentlichkeit und Politik gerückt. Dies sei durchaus eine berechtigte Sorge, betonte der Russland-Experte Boris Schumatsky. „Weil Moldau nicht so gut geschützt ist wie andere mögliche Ziele Russlands.“ Schumatsky ist deshalb fest davon überzeugt, dass der Krieg weitergehen und sich auch auf die Republik Moldau ausbreiten werde, sollte Russland nicht gestoppt werden. „Moldau ist so nah dran und kein Nato-Mitglied, das Russland weitergehen wird.“

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SPD-Politiker bei "Markus Lanz": Blick auf Osteuropa nicht wieder verlieren

Eine Gefahr, der man sich in Moldau durchaus bewusst sei, ergänzte der SPD-Politiker Michael Roth. Zumindest vor Ort. „Wir haben das einfach ignoriert.“ Stattdessen habe sich Europa in den letzten Jahrzehnten zu stark darauf konzentriert, Russland nicht zu neuer Gewalt zu provozieren und die Einflusssphäre von Putin nicht zu betreten. Lesen Sie hier: Sanktionen: G7 wollen Putins Diamantenhandel beschneiden

Krieg in der Ukraine: Moldau hofft auf baldigen EU-Beitritt

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    Doch damit hätte man auch etlichen jungen Ländern der ehemaligen Sowjetunion „über eine viel zu lange Zeit die kalte Schulter gezeigt“. Er betonte: „Eine Chance, der EU beizutreten, hatten diese Länder nicht bis zum 24. Juni vergangenen Jahres.“ Roth sprach deshalb von einer Zeitenwende. Wir würden aktuell eigentlich so etwas wie eine Wiedervereinigung Europas erleben, weshalb man den Blick auf den Osten Europas "nicht wieder verlieren" dürfe.

    Genau diese Annäherung an den Westen wolle Russland allerdings verhindern, erklärte der Politologe Hannes Meissner. Neben einer militärischen Gefahr sieht er zudem politische Manipulationen. „Das Einfallstor liegt darin, den Staat von innen heraus zu zersetzen, die Gesellschaft zu zersetzen und die Politik zu destabilisieren und alle Abhängigkeiten, die in Moldau zu Russland aus historischen Gründen bestehen, zu bedienen.“

    So würden prorussische Kräfte unter anderem Menschen bezahlen, um bei Demonstrationen gegen die aktuelle proeuropäische Regierung in Moldau Radau zu machen. Rund 20 Euro sollen sie pro Tag bekommen. In Moldau, dem ärmsten Land Europas, in dem der monatliche Durchschnittslohn bei umgerechnet 558 Euro liegt, nicht zu unterschätzen.

    Russland-Debatte bei "Markus Lanz": Gewaltbereite Russen?

    Es waren nicht die einzigen schockierenden Zahlen des Abends. „Alle 40 Minuten stirbt in Russland eine Frau an häuslicher Gewalt“, rezitierte Markus Lanz und wandte sich damit erneut Schumatsky zu. „Woher kommt die Bereitschaft der Russen zu Gewalt?“ Diese sei omnipräsent im Land, erklärte der in Moskau geborene Autor und machte es an einem sehr persönlichen Beispiel deutlich: „Mit 18 Jahren dachte ich, ich überlebe mein 19. Lebensjahr nicht.“

    Damals sei Schumatsky in die Armee einberufen worden. Er sei ein Nerd gewesen. „Solche Typen werden in der Armee von anderen Soldaten umgebracht, verprügelt, vergewaltigt, in den Selbstmord getrieben.“ Ein brutales System, das etwas „spezifisch russisches“ sei und sich selbst am Leben erhalte. Schon als Kind habe er gelernt, „dass du entweder gewalttätig bist oder Gewaltopfer wirst. Wenn du ein Opfer bist, dann wirst du andauernd verprügelt, weil andere sich auf deine Kosten schützen wollen.“

    Aus dieser Perspektive betonte er, dass Gespräche über Frieden für Russland eine andere Bedeutung habe. „Wenn das Wort Frieden fällt, wird das in Russland registriert, aber man hört was anderes: Ich bin ein Prügelknabe. Ihr könnt mit mir machen, was ihr wollt.“ Es sei quasi ein Zeichen der Schwäche und für das russische System wie eine Herausforderung. Nach diesen harten Worten betonte Schumatsky noch einmal: „Ich will keinen Krieg, doch leider ist es der einzige Weg zum Frieden.“

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