Wir wünschen uns, dass unsere Leser kräftig mitmachen, nein, nicht beim Müllmachen, sondern mit Fragen, Tipps und Diskussionsanregungen.

In dieser Woche haben wir unter der Federführung meiner Kollegin Katharina Lohse eine bemerkenswerte Serie gestartet: Müll! Nun werden Sie vielleicht sagen, warum muss man darüber jetzt eine Serie machen, es reicht doch, wenn man ihn trennt und wegwirft. Das greift aber zu kurz, denn das Müll-Thema ist der Schlüssel zu einer Diskussion, die um wertvolle Rohstoffe, Lebensstandard, Verschwendung, Energieverbrauch, Belastung von Wasser und Böden und letztlich auch Klima kreist. Wohlgemerkt, das alles hat komplexe Ursachen, Bilanzen und Zusammenhänge – und vor vorschnellen Schlüssen sei gewarnt. Aber beim Thema Müll kann man wie unter einem Brennglas Gefahren, Probleme und Chancen sehen. Und darum geht es.

Katharina Lohse steckt nun ihre Nase in den Braunschweiger Müll, natürlich nur rein bildlich gesprochen. Immerhin hinterließ jeder Braunschweiger im vergangenen Jahr fast 450 Kilogramm davon … Wir wünschen uns, dass unsere Leser kräftig mitmachen, nein, nicht beim Müllmachen, sondern mit Fragen, Tipps und Diskussionsanregungen. Ganz so einfach ist die Sache ja nicht. Auch mir geht es so: Als ich kürzlich schrieb, beim Einkauf würde ich doch jetzt lieber auf Plastiktüten verzichten, da meldeten sich geschätzte Wissenschaftler bei mir, die das nicht für nötig befanden. Wenn man eine Plastiktüte oft und sehr lange benutzt, dann fällt ihre Bilanz nämlich gar nicht so schlecht aus. Und als ich an anderer Stelle für Papiertüten plädierte, na, da gab’s aber Belehrungen satt: höherer Energieaufwand bei der Herstellung, höhere Belastung von Luft und Wasser. Und kaum Reißfestigkeit ...

Sie sehen schon. Wer das Müll-Thema mit deutscher Gründlichkeit angeht, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Super wäre ja so eine Baumwoll-Einkaufstasche. Blöd nur, dass ihre hohen Emissionswerte an klimaschädlichem CO2 bei der Herstellung Sorgen bereiten – immerhin 14 Mal so hoch wie bei einer Plastiktüte und 28 Mal so hoch wie bei einer Papiertüte. Also sollte man seine Baumwoll-Einkaufstasche besser ein Leben lang am Arm tragen ...

Ich persönlich hege große Sympathie für jene Initiativen, die von vornherein Verpackungen sparen und Lebensmittel vorm Wegschmeißen retten. Eine in unserer von bedingungsloser Fortschrittsgläubigkeit befallenen Gesellschaft in der Lebensweisheit bisweilen verkannte Bevölkerungsgruppe, die der Senioren, stimmt da zu. Natürlich bist du vor noch gar nicht allzu langer Zeit mit einem Arsenal von Stofftaschen und Gefäßen (z.B. Milchkanne) zum Lebensmittelhändler an der Ecke deiner Wahl gegangen. Der wog noch ab! Darf’s auch ein bisschen mehr sein? Gerne doch.

Am Müllthema wird halt der ex-treme Wohlstand sichtbar, an den wir uns so sehr gewöhnt haben, dass uns jegliche Veränderung unserer Lebensweise wie eine unsägliche Drohung des Schicksals vorkommt. Kürzlich beim Aktionstag des Bundes für Umwelt- und Naturschutz an der Oker stellte Alba symbolisch eine Riesenmülltonne auf. Da waren 1000 benutzte Kaffee-Einwegbecher drin, die Ausbeute eines einzigen Tages. Einen Tag später, beim Sonntagsdienst, war ich schlapp und holte mir zwei solcher Riesenbecher mit Deckel beim Bäcker der Wahl und bugsierte sie im mitgelieferten Träger aus Eierkarton auf dem Fahrrad in Richtung Redaktion. Als der Liter Kaffee endlich seine belebende Wirkung zeigte, betrachtete ich das Müll-Stillleben auf meinem Schreibtisch. Ich machte ein Foto und gelobte Besserung. Katharina Lohse, übernehmen Sie!