Grasleben pfeift auf EU-Gelder für WLAN-Hotspot

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Was geht noch für die Kommunen ohne komplexe Förderprogramme der EU oder des Bundes? Die drei Wohnfässer auf dem Campingplatz Mariental wurden als Einzelprojekt der Leaderregion „Grünes Band“ im Landkreis Helmstedt angeschafft. Der bürokratische Aufwand solcher Förderungen sei enorm, sagt Graslebens Samtgemeindebürgermeister Gero Janze (auf unserem Archivfoto stehend rechts).

Was geht noch für die Kommunen ohne komplexe Förderprogramme der EU oder des Bundes? Die drei Wohnfässer auf dem Campingplatz Mariental wurden als Einzelprojekt der Leaderregion „Grünes Band“ im Landkreis Helmstedt angeschafft. Der bürokratische Aufwand solcher Förderungen sei enorm, sagt Graslebens Samtgemeindebürgermeister Gero Janze (auf unserem Archivfoto stehend rechts).

Grasleben.  Ohne Hilfe der EU will die Gemeinde Grasleben ihren Dorfplatz mit einem WLAN-Hotspot ausstatten. Das sei billiger, sagt Rathaus-Chef Gero Janze.

Von einem Förder-Wahnsinn spricht Graslebens Samtgemeindebürgermeister Gero Janze und er meint damit die zunehmende Tendenz auf übergeordneten Ebenen vom Land über den Bund bis hin zur EU, Kommunen an den Tropf von Förderprogrammen zu hängen, statt sie mit ausreichenden Eigenmitteln auszustatten, über die sie frei verfügen können.

Janze liefert ein aktuelles Beispiel. Die Gemeinde Grasleben wird den WiFi4EU-Gutschein, den sie von der EU für die Versorgung des Dorfplatzes mit WLAN erhalten hat, wegen Unwirtschaftlichkeit nicht nutzen. Die Verwaltung will stattdessen entsprechende Haushaltsmittel für das Jahr 2020 einstellen. Sie macht also ihr eigenes Ding.

Der Gutschein hat einen Wert von 15.000 Euro. Ein einziger Zugangspunkt für WLAN wäre nach Einschätzung der Gemeinde technisch ausreichend. Die Nutzung des Gutscheins würde es laut Janze aber zur Auflage machen, mindestens zehn Zugangspunkte einzurichten. Die Folgekosten müsse die Gemeinde für drei Jahre tragen. „Von den 15.000 Euro würden lediglich die Geräte- und Installationskosten zu 100 Prozent gefördert werden. Die Gemeinde ist im Gegenzug verpflichtet, die Kosten der Internetverbindung und auch der Wartungs- und Betriebskosten der Geräte und Anlagen für mindestens drei Jahre zu übernehmen“, erläuterte Janze am Dienstag. Der Router für den Internetanschluss gelte als Teil der Internetverbindung und müsse ebenfalls von der Gemeinde bezahlt werden.

Im Vorfeld der Antragstellung seien nur wenige Informationen über die Förderbedingungen bekannt gewesen, moniert Janze. „Die werden erst ersichtlich aus der Finanzhilfevereinbarung, die wir unterschreiben müssten, worauf wir nun aber verzichten werden."

Die Gemeinde habe sich selbst um Informationen bemüht, doch die Kommunikation mit der EU über Bedingungen und Vorgehensweisen des Förderprogramms seien „äußerst kompliziert, langwierig und zeitaufwendig“ gewesen. „Sowohl bei der Registrierung im Online-Portal als auch bei der darauffolgenden Antragstellung traten wiederholt massive Probleme auf, sowohl technischer als auch kommunikativer und informativer Natur, wobei seitens der EU eine zielführende Hilfestellung weder per Telefon noch per E-Mail möglich war“, ärgert sich Janze. Das Breitbandzentrum Niedersachsen-Bremen habe gar einen Workshop veranstaltet zwecks Erfahrungsaustauschs, wobei deutlich geworden sei, dass andere Kommunen ähnliche Probleme gehabt hätten.

Janze fasst seine Kritik so zusammen: „Fortlaufend werden irgendwelche Förderprogramme auf den Weg gebracht, durch die niemand mehr durchsteigt. Die Programme selbst sind an zum Teil unüberwindbare Hürden geknüpft. Der bürokratische Aufwand ist unfassbar hoch, so dass es sich gar nicht lohnt, Fördergelder abzurufen. Umgekehrt beschweren sich EU, Bund und Länder, dass Fördermittel nicht abfließen. Für mich kein Wunder, nur werden die Gründe in der großen Politik offensichtlich nicht erkannt.“ EU, Bund und Land müssten endlich wach werden und den Gemeinden Finanzmittel direkt zuleiten, damit sie diese Gelder in Straßen, Kitas und Schulen stecken könnten – „nicht aber in die Projekte, die uns diktiert werden“. Wenn Mittel überwiegend nur noch extrem zweckgebunden fließen würden, schränke das die Empfänger immer mehr ein. Das WLAN-Projekt für den Dorfplatz werde die Gemeinde nun ohne Fördergelder umsetzen – „das kommt uns im Ergebnis günstiger“, behauptet Janze.

Einmal im Thema, beschreibt der Samtgemeindebürgermeister ein weiteres „Förder“-Beispiel aus der Praxis. Es geht dabei um die drei Wohnfässer für den Campingplatz in Mariental. Die wurden mit einer EU-Förderung von 10.000 Euro angeschafft als Einzelprojekt der Leaderregion „Grünes Band“ im Landkreis Helmstedt. Die feierliche Übergabe erfolgte pressewirksam unter großer Beteiligung der verschiedenen Akteure. „Ein Jahr später schickt das Amt für Regionalentwicklung zwei Prüfer, die sich vor Ort haarklein angeschaut haben, ob die Mittel korrekt verwendet worden sind“, erzählt Janze. „Was für ein bürokratischer Aufwand.“

Auf der Internet-Plattform „Kommunal“ schreibt deren Chefredakteur Christian Erhardt, dass die Förderpraxis oft dazu führe, dass die Kommunen neue Mitarbeiter einstellen müssten, die etwa als Administratoren der neu angeschafften Technik gewachsen sind. „Das Problem nur: Die Gelder sind allerhöchstens eine Anschubfinanzierung. Das Programm läuft aus, die Wartung und somit der zusätzliche Aufwand bleibt“ kritisiert Erhardt.

Die neue Stelle in der Verwaltung sei geschaffen worden, diese Kosten würden bleiben, die neu erworbene Technik jedoch veralte mit der Zeit und müsse irgendwann durch Folgeinvestitionen erneuert werden, wenn denn eigenes Geld vorhanden sei. Oder zufällig ein neues Förderprogramm aufgelegt werde. „Dann geht die Spirale von vorne los: In Rekordzeit werden dann wieder Straßen für Breitband vor Schulen aufgebuddelt oder Milliarden in Beton umgesetzt“, schreibt Erhardt. „Wieder mit viel Bürokratie und Fremdbestimmung. Denn bei jedem Förderprogramm sitzen Dritte mit am Tisch, entscheiden über Zweck, Höhe, Zeitraum und die Bedingungen für die Fördergelder.“ Das untergrabe die Selbstverwaltung und die Autonomie der Gemeinden.

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