Gifhorn. Das Team der Gifhorner Jugendgruppe „Queere Wespen“ will sexuelle Vielfalt sichtbar machen und Betroffenen einen geschützten Raum geben.

Schwul, lesbisch, bisexuell, transgender – dass sexuelle Vorlieben verschieden sind und die empfundene Geschlechtsidentität von der per Geburt gegebenen abweichen kann, ist zwar bekannt, doch in vielen Köpfen kein Alltag. Und so wie es nicht nur Schwarz und Weiß in der Farbenwelt gibt, so vielfältig kann auch die queere Gesellschaft sein. Pansexuell, nonbinär, demisexuell – schon mal gehört?

Dominik Ruder (24) hilft nicht nur, das Spektrum sexueller Orientierung abseits der heteronormativen Mehrheitsgesellschaft in der Bevölkerung sichtbar zu machen, um für mehr Offenheit und Toleranz zu werben. Er gibt den Jugendlichen im Kreis Gifhorn seit November 2019 auch eine wichtige Möglichkeit, sich auszutauschen, zusammenzukommen und einen geschützten Raum zur freien Entfaltung zu finden. Er hat die Jugendgruppe „Queere Wespen“ für 14-bis 27-Jährige gegründet, ist deren Leiter. Unterstützung bekommt er von seinen Stellvertretern Lean Käseberg und Andre Quas.

Teilweise 30 queere Teilnehmer pro Woche nehmen Angebot wahr

„Damals dachten wir: Bei einer Kleinstadt wie Gifhorn wären drei bis vier Leute pro Woche schon gut“, erinnert sich Dominik Ruder an die Anfänge, einen Treff in der Mühlenstadt als kreisweites Angebot zu etablieren. Die Resonanz war riesig. „Vor Corona waren wir teilweise 30 Jugendliche und junge Erwachsene pro Woche.“

Dominik Ruder, Gründer und Leiter der Gifhorner Jugendgruppe Queere Wespen.
Dominik Ruder, Gründer und Leiter der Gifhorner Jugendgruppe Queere Wespen. © Daniela König

Jeden Dienstag von 17 bis 20 Uhr trafen sich die Jugendlichen vor der Corona-Pandemie im Haus der Jugend in der Winkeler Straße. Es werden Freizeitaktivitäten wie Film- oder Kochabende veranstaltet, Themenabende zu Bereichen wie Depression, Coming Out oder in Roter-Teppich-Atmosphäre auf die Beine gestellt sowie Workshops mit Referenten organisiert, zum Beispiel zu sexueller Gewalt in Kooperation mit dem Verein Dialog. „Hier sind Menschen jeder sozialer Herkunft dabei, unsere Gruppe ist völlig durchmischt.“ Das Angebot spricht sich rum. Ruder hat schon Anfragen aus den Reihen der Schulsozialarbeit oder von -leitungen, Behörden und auch Eltern erhalten, die sich Rat holen, wie sie Jugendliche unterstützen können. Auch Bildungsarbeit in den Schulen wird angefragt.

Weitere Gruppen für Trans-Jugendliche, queere Erwachsene und nicht binäre Menschen in den Startlöchern

Inzwischen wenden sich erwachsene Betroffene an Ruder, wollen wissen, ob die Gifhorner auch für sie ein Angebot schaffen wollen. Wollen sie, berichtet Ruder. Und noch viel mehr. Sobald es Corona zulässt, soll das Queere Netzwerk Gifhorn als Verein an den Start gehen, unter deren Dach sich neben den beiden Gruppen für queere Jugendliche und Erwachsene zwei weitere Gruppen formieren sollen.

Geplant ist, dass sich speziell Trans-Jugendliche miteinander austauschen können. Für Authentizität und Vertrauen soll deshalb ein Transgender selbst die Leitung übernehmen. Die vierte Anlaufstelle richtet sich an nicht-binäre Menschen. Dabei geht es nicht um das biologische Geschlecht, das man per Geburt zugeordnet bekommen hat – und demzufolge entweder weiblich oder männlich ist (zweiteilig), sondern um die empfundene Geschlechtsidentität. Das Geschlecht wird als Spektrum betrachtet, innerhalb dessen man sich je nach Laune frei bewegen kann. Im Fokus stehen Austausch und Vernetzung.

Große Pläne, wenn die Finanzierung passt: ein Queeres Zentrum in der Gifhorner Innenstadt

Der große Wunsch der Community ist es, ein Queeres Zentrum in die Gifhorner Innenstadt zu bringen – nach dem Vorbild von „Onkel Emma“ in Braunschweig. Einen entsprechenden Antrag zur Übernahme der Kosten an Stadt und Kreis möchte Ruder demnächst einreichen. Hier sollen alle Interessierten die Möglichkeit haben, sich regelmäßig zu treffen. Aber auch Beratungsangebote und Ansprechpartner sollen hier vermittelt und Fortbildungen abgehalten werden können. Und Ruder hat noch mehr vor: In ein paar Jahren sollen weitere Gruppen nur für Frauen, queere Geflüchtete und Regenbogenfamilien hinzukommen.

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