Bad Sachsa. Erst Erstaufnahme-Einrichtung, nun Notunterkunft für Geflüchtete: Politik & Verwaltung in Bad Sachsa fühlen sich überfahren. Das ist jetzt geplant.
Fotogalerie: Die Flüchtlingsunterkunft in Bad Sachsa
Dass Geflüchtete im größeren Rahmen nach Bad Sachsa kommen, steht seit Ende des Jahres 2022 eindeutig fest, doch weit anders als bislang gedacht: Die ehemalige Paracelsus-Klinik, die eigentlich zur Erstaufnahme-Einrichtung für Geflüchtete seitens der Landesaufnahmebehörde (LAB) Niedersachsen umgebaut werden soll, wird nun als Notunterkunft genutzt. 200 Plätze sollen dort geschaffen werden, wie Innenministerin Daniela Behrens (SPD) kürzlich im Innenausschuss des Landtags mitteilte. Seitens der Verwaltung und Politik in Bad Sachsafühlt man sich von der Landespolitik überfahren von der Entwicklung und fordert, wie auch die Bevölkerung vor Ort, Antworten. Die soll es nun bei einer Bürgerinformation gegeben, für die die Planungen aktuell laufen.
Notunterkunft für Geflüchtete: Diese Kritik gibt es in Bad Sachsa vom Vorgehen
Der Ort steht, der Termin noch nicht: Im DGH in Neuhof soll, vermutlich in der Woche vom 16. bis 20. Oktober, eine Bürgerinformation stattfinden mit der Stadtverwaltung Bad Sachsa als Ausrichter. Im gemeinsamen Gespräch erklären Bürgermeister Daniel Quade sowie aus dem Stadtrat die Fraktionsvorsitzenden Frank Kellner (SPD) und Werner Bruchmann (CDU) sowie Lutz Rockendorf, Sprecher der Gruppe FDP/Grüne/BBB/Aktiv, was genau sie am aktuellen Vorgehen stört, und welche Antworten sie sich von dem Infoabend erhoffen.
Das beinhaltet der Paragraf 246 Baugesetzbuch
Die Sonderregelungen in Paragraf 246 Baugesetzbuch (BauGB, Absätze 8 bis 17) für den erleichterten Bau von Unterkünften zur Unterbringung von Geflüchteten und Asylbegehrenden in den Kommunen sind bis zum 31. Dezember 2027 verlängert worden. Bis dahin können Flüchtlingsunterkünfte ohne entsprechende Bauleitpläne errichtet werden.
Eigentlich sollten die Sonderregelungen Ende 2024 auslaufen. Der Bundestag hatte die Änderung des Paragraf 246 BauGB im März 2022 beschlossen.
Zuvor hatte der Bundesrat mehr baurechtliche Befugnisse für Bundesländer und Kommunen gefordert, damit für Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland flüchten, schneller Unterkünfte geplant und gebaut werden können.
Ein entsprechender Beschluss wurde am 11. März.2022 gefasst und der Bundesregierung vorgelegt – am 25. März 2022 hat der Bundestag die dafür erforderliche Änderung des BauGB beschlossen.
Die Sonderregel im Baugesetzbuch wurde im November 2014 eingeführt und wurde kurzfristig wieder in Kraft gesetzt: Nach Paragraf 246 Absatz 14 BauGB konnte zunächst bis zum 31. Dezember 2019 von den Vorschriften des Baurechts abgewichen werden, wenn auch bei Anwendung anderer Sonderregeln dringend benötigter Wohnraum im Gebiet der Kommunen, in der sie entstehen sollen, gar nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden kann.
Zuständig für die Entscheidung über die Abweichung der Vorhaben vom Bauplanungsrecht ist nach Absatz 14 des Paragraf 246 BauGB die höhere Verwaltungsbehörde. Welche Behörde das ist, richtet sich nach Landesrecht. Die Gemeinde ist anzuhören.
„In Bezug auf die eigentlich geplante Erstaufnahmeeinrichtung befinden wir uns in einem Baugenehmigungsverfahren. Seitens der Stadt haben wir eine negative Stellungnahme zu den Plänen abgegeben und dies auch bei zwei Nachfragen, von denen die letzte am 19. September war, noch einmal untermauert. Doch mit den Plänen, eine Notunterkunft zu schaffen, wird all dies außer Kraft gesetzt, es wird über unsere Köpfe entschieden“, erklärt der Bürgermeister seine Sicht der Dinge. Da zudem bereits seit dem 18. September wieder vermehrt Bautätigkeiten auf dem Geläde der ehemaligen Klinik von Anwohnern bemerkt werden, vermutet der Verwaltungschef, dass die Entscheidung auch schon vor der Sitzung des Innenausschusses feststand.
„Wir als Politik und Verwaltung vor Ort haben uns an die gesetzliche Regelung gehalten - und nun wird einfach alles ausgehebelt“, pflichtet ihm Werner Bruchmann bei.
Wer kommt nach Bad Sachsa? Sind es vulnerable Gruppen bei den Geflüchteten?
Für Frank Kellner geht es in der Diskussion um einen weiteren Punkt: Offenheit und Transparenz. „Seit Anfang Dezember 2022 beschäftigt uns vor Ort das Thema. Zwar haben wir als Politik auch im vergangenen Jahr von 150 bis 200 Personen gesprochen, die Bad Sachsa aufnehmen kann, aber das als Obergrenze.“ Ferner würde man sich mit der Schaffung der Notunterkunft im Vergleich zur Erstaufnahme-Einrichtung ganz andere Fragen stellen. „Wer kommt nach Bad Sachsa? Sind es vulnerable Gruppen? Bleiben die in der Einrichtung? Gibt es genug Personal zur Betreuung?“, sind einige seiner Fragen. In Bezug auf die Erstaufnahme-Einrichtung seien diese geklärt gewesen, jetzt aber unsicher. „Wir werden letztlich vor vollendete Tatsachen gestellt“, so der Fraktionsvorsitzende.
Noch deutlicher wird der Gruppen-Sprecher Lutz Rockendorf. „Die Art und Weise, wie hier agiert wird, schafft kein Vertrauen. Bei der Bürgerinfo im Sommer erklärte die Landesaufnahmebehörde, dass sie mit den Unterkünften raus aus der Schmuddelecke will, die Prozesse gut laufen sollen. Mit der aktuellen Enwicklung in Bad Sachsa hat das aber nichts zu tun.“ Er forderte zudem, dass Paragraf 246 im Baugesetzbuch, der die Grundlage für die Schaffung der Notunterkunft bildet, wieder geändert werden müsse. „Die Kommunen müssen die Selbstverwaltung in dem Punkt wieder erhalten. Wer sonst kann besser entscheiden, welche Optionen es vor Ort gibt, was wie genutzt werden kann, wenn nicht die Kommunen selbst?“, fragt er.
Bürgerforum zur Notunterkunft: Diese Personen werden eingeladen, darum geht es nicht in den Kursaal:
- Im Zeitraum zwischen dem 10. und 20. Oktober soll, vermutlich im DGH Neuhof, eine Bürgerinformation rund um das Thema Notunterkunft in Bad Sachsa stattfinden, die seitens der Stadtverwaltung ausgerichtet wird.
- Die Veranstaltung soll ähnlich sein zu der Aktion, die bereits Anfang Juni in Bad Sachsa stattfand.
- Die Kommune plant zu der Veranstaltung einen Vertreter der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen, vom Innenministerium in Hannover (vorranging sogar Innenministerin Daniela Behrens) und vom Landkreis Göttingen einzuladen. Ferner wird auch Bürgermeister Daniel Quade im Podium sitzen, die Moderation ist noch offen.
- Die Veranstaltung findet im Dorfgemeinschaftshaus statt, da ab dem 21. Oktober im Kursaal von Bad Sachsa die große Playmobilausstellung stattfindet und Diorama-Artist Oliver Schaffer bereits in den Wochen davor den Aufbau der Ausstellung vornehmen wird.
Eine umfassende Sammlung und Beschreibung der Geschichte der Flüchtlings-Unterkunft in Bad Sachsa, die erstmals im Jahr 2015 für Aufsehen sorgte, können Interessierte hier nachlesen: Flüchtlings-Unterkunft in Bad Sachsa: Die Entwicklung bislang.
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