Der russische Präsident macht dem Westen weiter Scheinangebote, was sein Gas angeht. Die Europäer müssen Konsequenz und Härte zeigen.

Ja was denn nun? Das Moskauer Verwirrspiel um die Bezahlung für russische Gaslieferungen hat eine neue Dimension erreicht. Vor zwei Tagen hieß es: Gas nur gegen Rubel. Am Mittwochabend sagte der russische Präsident Wladimir Putin dem deutschen Kanzler Olaf Scholz hingegen zu, dass die Europäer auch wie bislang ihre Rechnungen in Euro und Dollar begleichen könnten.

Michael Backfisch, Politik-Korrespondent
Michael Backfisch, Politik-Korrespondent © Reto Klar | Reto Klar

Am Donnerstag dann wieder „Kommando zurück“. Die Europäer müssten Rubelkonten bei russischen Banken eröffnen, verkündete Putin. Später wird sein Dekret bekannt, wonach Betriebe aus EU-Ländern zwar weiter Euro und Dollar überweisen können. Das Geld müsse aber in der russischen Gazprombank in Rubel umgewandelt werden – und zwar per Auktion an der Moskauer Börse. Mehr Tohuwabohu geht nicht.

Putin operiert in der Manier eines Mafiabosses

Der Kremlchef hat sich einmal mehr als Meister des Tarnens, Täuschens und Nebelkerzenwerfens erwiesen. Er operiert nicht als seriöser Vertragspartner, sondern in der Manier eines Mafiabosses. Putin will die Regeln bestimmen, der Rest hat nach seiner Pfeife zu tanzen. Wer es bis jetzt noch nicht begriffen hat: Der Präsident bricht verbindliche Vereinbarungen. In den schriftlichen Abmachungen mit russischen Energielieferanten ist klipp und klar geregelt, dass europäische Firmen in Euro und Dollar bezahlen.

Putin spielt ein perfides Spiel. Zum einen will er seine Landeswährung stützen, die im Zuge der westlichen Sanktionen massiv an Wert verloren hat. Wenn europäische Unternehmen in Rubel zur Kasse gebeten werden, steigt die Nachfrage nach russischem Geld.

Der Kurs geht nach oben. Importe aus dem Ausland werden dadurch billiger – sowohl für die russischen Betriebe als auch für die Verbraucher. Putin stärkt dadurch seine Wirtschaft. Gleichzeitig vermindert er den Leidensdruck in der Bevölkerung und beugt potenzieller Kritik am Ukraine-Krieg vor, der Russland viel Geld und viele Menschenleben kostet.

Moskaus Ziel ist es, den Westen zu spalten

Der Präsident will so nicht nur die Sanktionen unterlaufen, die wegen der barbarischen Angriffe auf die Ukraine verhängt wurden. Er verfolgt auch den machiavellistischen Plan, den Westen zu spalten. Für die Europäer hält er den zumindest auf dem Papier stehenden Pseudo-Vorteil parat, dass sie in Euro und Dollar bezahlen können.

Für Amerikaner, Kanadier oder Japaner ist dies nicht vorgesehen. Dabei haben die G7-Länder der westlichen Industriestaaten in einer nie dagewesenen Geschlossenheit die wirtschaftlichen Strafmaßnahmen gegen Moskau verabschiedet.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Die Europäer sind gut beraten, auf diese durchsichtigen Winkelzüge Putins nicht einzugehen. Die Bundesregierung muss nun Konsequenz und Härte zeigen. Die deutsche Spitzenpolitik hat viel zu lange gutgläubig nach Moskau geschaut. Die russischen Kriege in Tschetschenien, Georgien, die Krim-Annexion und die Zündeleien im Donbass hätten als Realitätsschock wirken müssen. Doch man hat sich mit Illusionen froh gemacht.

Abhängigkeit vom russischen Gas reduzieren

Putin hat seinen Kredit restlos aufgebraucht. Die Europäer müssen jedwedes Moskauer Angebot der Sonderbehandlung ablehnen. Die Diversifizierungs-Offensive von Wirtschaftsminister Robert Habeck ist richtig. Mehr zum Thema:Wie Deutschland seine Gasversorgung sichert

Jeder Tag, an dem sich Deutschland weniger abhängig von russischem Öl und Gas macht, ist ein gewonnener Tag. Auch die Bürger sind gefragt. Die Menschen in der Ukraine riskieren beim Kampf für die Freiheit ihr Leben. Da ist es nicht zu viel verlangt, wenn hierzulande mal die Heizung heruntergedreht und der Wasserverbrauch eingeschränkt wird. Oder das Auto mal in der Garage bleibt. „Wir können auch einmal frieren für die Freiheit“, sagt der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck. Er hat recht.

Dieser Artikel ist zuerst auf www.waz.de erschienen