Hongkong. In Hongkong hat es erneut schwere Zusammenstöße mit Verletzten gegeben. Die Polytechnische Universität wird zum Zentrum der Proteste.

Die Lage in Hongkong spitzt sich immer weiter zu: Die von Demonstranten besetzte Polytechnische Universität ist auch Dienstag weiter Zentrum der Auseinandersetzungen. So haben sich Berichten zufolge weiterhin rund 100 Studenten in dem Gebäude verbarrikadiert.

Regierungschefin Carrie Lam sagte am Dienstag Journalisten, die Sicherheitskräfte wollten die „Zwischenfälle“ friedlich lösen. Rund 600 Studenten hätten das Universitätsgelände im Stadtviertel Hung Hom verlassen. Rund 200 von ihnen seien unter 18 Jahre alt gewesen. Wie viele festgenommen wurden, sagte Lam nicht.

Die Polizei hatte die Gruppe eingekesselt. Sie hatte bereits am Montag Absperrungen um den Komplex errichtet. Ein ganz so friedliches Bild wie von Lam beschrieben zeigte sich dabei nicht. Ausbruchsversuche wurden von Beamten mit Gummigeschossen und Tränengas verhindert. Einige Demonstranten wurden von Beamten zu Boden gerissen und mit vorgehaltener Waffe festgenommen.

Hongkong: Studenten besetzen Universität – Polizei will nicht stürmen

Die Demonstranten hatten sich mit Brandsätzen und selbstgebauten Waffen verschanzt. Der demokratische Abgeordnete Hui Chi-fung sagte der Nachrichtenagentur Reuters, offenbar wolle die Polizei das Gelände nicht stürmen. Vielmehr sollten die Demonstranten wohl im Falle einer Flucht gefasst werden.

Ausschreitungen in Hongkong: Ein Demonstrant versucht, den Flammen eines geplatzten Molotowcocktails zu entkommen. An der Polytechnischen Universität in Kowloon war es wieder zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen.
Ausschreitungen in Hongkong: Ein Demonstrant versucht, den Flammen eines geplatzten Molotowcocktails zu entkommen. An der Polytechnischen Universität in Kowloon war es wieder zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. © dpa | -

Viele der jüngeren Demonstranten waren über Nacht von einer vermittelnden Gruppe von Mittelschuldirektoren und prominenten Persönlichkeiten vom Campus geführt worden. Die Minderjährigen konnten nach Haus gehen, nachdem ihre Personalien von der Polizei aufgenommen worden waren. Regierungschefin Lam forderte die verbliebenen Studenten in der Hochschule auf, sich zu ergeben.

Die Lage war bei der Belagerung der Universität eskaliert, als radikale Aktivisten Brandsätze warfen und Feuer legten. Die Polizei unternahm nach Medienberichten am frühen Morgen einen Versuch, das Gelände zu stürmen. Die Aktivisten hätten aber ein großes Feuer entzündet, um die Polizei abzuwehren, berichtete die „South China Morning Post“.

Vermummungsverbot kassiert – Regierung kritisiert Entscheidung

Polizisten führen Demonstranten ab, die vom Campus der Universität entkommen sind.
Polizisten führen Demonstranten ab, die vom Campus der Universität entkommen sind. © Reuters | THOMAS PETER

Auch aus anderen Teilen der ehemaligen britischen Kolonie wurde neue Gewalt gemeldet. Im Geschäftsbezirk Nathan Road kam es zu Zusammenstößen, Läden blieben geschlossen. Die Polizei feuerte nach eigener Darstellung drei Warnschüsse mit scharfer Munition ab, als sie bei der versuchten Festnahme einer Frau angegriffen worden sei. Die Frau sei entkommen.

Einige Demonstranten zogen sich nach Zusammenstößen bis auf die Unterwäsche aus, nachdem sie von einem Wasserwerfer durchnässt worden waren, dessen Wasser Augenzeugen zufolge ein Reizmittel enthielt. Viele Demonstranten trugen Gasmasken oder Tücher über Mund und Nase, um sich vor Tränengaswolken zu schützen.

Zwar haben die Behörden ein Vermummungsverbot erlassen. Das wurde jedoch am Montag von dem Obersten Gericht der chinesischen Sonderverwaltungszone als verfassungswidrig kassiert. Nach der Aufhebung des Vermummungsverbots durch ein Gericht in Hongkong hat ein chinesischer Parlamentssprecher in Peking das Urteil als nicht rechtmäßig zurückgewiesen.

Jian Tiewei vom Rechtsausschuss des Volkskongresses sagte der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua, nur der Ständige Ausschuss des Pekinger Parlaments könne entscheiden, ob ein Erlass mit dem Grundgesetz Hongkongs übereinstimme.

Hochschulen werden in Hongkong zum Brennpunkt

Die Hochschulen der chinesischen Sonderverwaltungsregion hatten sich vergangene Woche zu einem neuen Brennpunkt der seit fünf Monaten anhaltenden Proteste entwickelt. Seit Sonntag wurden nach Angaben der Behörden 38 Menschen verletzt, davon fünf schwer.

Allein im Stadtviertel Tsim Sha Tsui wurden rund 100 Personen festgenommen, berichtete die „South China Morning Post“. Die Polizei habe mitgeteilt, sie seien von der Polytechnischen Universität geflüchtet, hätten Straßen blockiert oder sich illegalerweise versammelt.

Polizisten inmitten einer Rauchwolke in der Nähe der Polytechnischen Universität.
Polizisten inmitten einer Rauchwolke in der Nähe der Polytechnischen Universität. © dpa | Achmad Ibrahim

Die Proteste in Hongkong dauern bereits seit 24 Wochenenden in Folge an und richten sich gegen die Regierung, harsches Vorgehen der Polizei sowie den wachsenden Einfluss der kommunistischen Pekinger Führung.

Seit der Rückgabe 1997 an China wird die frühere britische Kronkolonie nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ unter chinesischer Souveränität autonom regiert. Die sieben Millionen Hongkonger genießen – anders als die Menschen in der kommunistischen Volksrepublik viele Rechte wie Versammlungs- oder Meinungsfreiheit, um die sie jetzt aber fürchten.

Wong rechtfertigt die Gewalt – Flüge nach Hongkong werden gestrichen

Der bekannte Wortführer der Proteste, Joshua Wong, verteidigte die Gewalt von Demonstranten. „Mit rein friedlichem Protest werden wir unser Ziel nicht erreichen“, sagte Wong der „Süddeutschen Zeitung“. „Allein mit Gewalt allerdings auch nicht. Wir brauchen beides.“

Weiteres Opfer bei Protesten in Hongkong

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    Unterdessen wirken sich die anhaltenden Proteste auch auf die Wirtschaft aus. Immer mehr asiatische Fluglinien streichen wegen der gewalttätigen Proteste Flüge nach Hongkong.

    Wie am Montag aus Angaben des auf die Beobachtung von Flugplänen spezialisierten Branchendienstes Routes Online hervorgeht, kürzten etwa die indische Fluggesellschaft SpiceJet, Malaysias AirAsia, die südkoreanische JejuAir oder die philippinischen Fluglinien PAL und Cebu Air die Zahl der Flugverbindungen nach Hongkong für die nächsten Wochen. Auch verschiedene chinesische Fluglinien, darunter Air China und China Eastern beantragten demnach eine Kapazitätsreduzierung.

    (dpa/yah/mbr/rtr)