Wolfsburg. Das Ende der Dauer-Baustelle Heinrich-Nordhoff-Straße naht. Radler und andere sind schockiert über die Wiederherstellung der Wege.
Für die Betroffenen sind die Bauarbeiten eine glatte Sechs. Es geht um die Heinrich-Nordhoff-Straße. Nicht nur die Staus durch die Dauer-Baustelle auf der Wolfsburger Hauptverkehrsachse stadteinwärts sorgen für Frust. Nun gehen auch Radfahrer und andere Nutzer auf die Barrikaden. Grund ist die Art, wie die Fuß- und Radwege sowie Bushaltestellen von VW wiederhergestellt werden.
Auf Einladung mehrerer Verbände sind wir am Freitag zur Baustelle gekommen. An der Ecke Heinrich-Nordhoff-Straße/Grauhorststraße erklären die Mitglieder, warum die Ausführung der Bauarbeiten sie auf die Palme bringt. Um es vorwegzunehmen: Zielscheibe ihrer Kritik ist nicht VW, sondern die Stadt.
Auf Wolfsburger Hauptverkehrsachse wieder schmaler Radweg
Dass die Wege wieder wie vor den Leitungsbauarbeiten der VW Kraftwerk GmbH und des Energieversorgers LSW wiederhergestellt werden, stößt beim Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC), beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und beim Verkehrsclub Deutschland (VCD) auf totales Unverständnis.
Dagmar Schaumburg, Vorstandsmitglied und Tourenleiterin im ADFC Wolfsburg, erklärt: „Nach den Leitungsarbeiten fingen die irgendwann an, die Wege wieder aufzubauen. Dann kam der erste kleine Schock: Es wurde wie vorher wieder ein schmaler Zwei-Meter-Radweg gebaut und daneben wieder ein viel breiterer Fußweg“, sagt sie über den ersten Abschnitt von der Hermann-Münch-Straße bis zur Einmündung Grauhorststraße.
Wolfsburgs Radverkehrskoordinator schiebt Verantwortung auf VW
Daraufhin hakte die Wolfsburgerin am 14. November beim Radverkehrskoordinator der Verwaltung per Mail nach. „Es handelt sich immerhin um die Haupteinfallschneise für Radfahrende aus Fallersleben“, schrieb Dagmar Schaumburg, „selbst VW bietet inzwischen Job-Bike-Leasing an, und es ist mit zunehmendem Radverkehr zu rechnen“. Die Antwort macht sie sprachlos: „Da es sich um die Maßnahme eines Leitungsträgers handelt, ist der Einfluss der Stadt auf die Wiederherstellung begrenzt, daher erfolgt diese in der Regel bestandsorientiert. Dem Querschnitt nach erhält der Radweg hier eine Breite von 2 Metern“, informierte Pascal Rose unter anderem.
Im Protokoll zum Arbeitskreis Radverkehr, der am 21. November tagte, erläuterte er die zuvor genannten Informationen noch einmal. Und bestätigte, dass der Radweg „für einen kurzen Abschnitt“ sogar nur knapp 1,82 Meter breit sei. Der Schriftverkehr liegt unserer Redaktion vor.
Die gleiche alte Breite für Fuß- und Radweg ist nun auch auf dem zweiten Bauabschnitt von der Einmündung Grauhorststraße bis zur Automeile erkennbar, Borde sind bereits gesetzt. „Aber wer braucht denn noch so breite Fußwege? Die waren früher wichtig, als noch viele zu Fuß ins Werk gegangen sind“, rekapituliert Dagmar Schaumburg.
Verbände erinnern an Leitbild Radverkehr der Stadt Wolfsburg
Die ADFC-Vorständin erklärt: „Das vom Rat der Stadt 2019 beschlossene Leitbild Radverkehr der Stadt fordert 2,5 Meter Breite, und für eine Radhauptroute oder einen Radschnellweg müssten es 3 Meter sein.“ Es habe seitens der Stadt schon Überlegungen gegeben, den Abschnitt zum Zwei-Richtungs-Radweg zu machen, weil viele Radler und E-Scooter-Fahrer in Fahrtrichtung Fallersleben die Südseite der Heinrich-Nordhoff-Straße nutzen. „Pendler wollen nicht mehrfach die Straßenseite wechseln.“ Die Verbandsakteure rechnen auch vor, dass sich viel Geld sparen ließe, wenn auf dem zweiten Abschnitt der asphaltierte Radweg breiter, der gepflasterte Fußweg schmaler und auf den Natursteinpflaster-Trennstreifen verzichtet würde.
„Wir haben das alles im November beim Arbeitskreis Radverkehr mit der Stadt angesprochen“, versichert Peter Bronold, Vize-Vorsitzender der BUND-Kreisgruppe. „Die Verwaltung saß mit im Arbeitskreis“, betonen Elke Braun und Sandra Jördens vom VCD. „Daher hat das hier keiner von uns erwartet“, ergänzt Bronold. „Aber da hat keiner mit dem anderen geredet“, ist Dagmar Schaumburg über offensichtlich fehlende Abstimmungen verärgert. „Wir sind gar nicht in die Planungen eingebunden worden. Wir werden immer wieder vertröstet, das ist frustrierend. Die Stadt hätte für wenig Geld einen breiteren Radweg nach den neuen Standards bekommen können.“ Für eine fahrradfreundliche Kommune werde immer noch viel zu wenig getan.
Wolfsburger Verbände fordern Radweg-Ausbau nach neuen Standards
Die drei Verbände verweisen auch auf das 24-Punkte-Programm fürs Leitbild Radverkehr der Stadt – und sehen im vorliegenden Fall die Ziele gleich mehrfach missachtet: So werde zum Beispiel der Radverkehr nicht mit anderen Verkehrsarten gleichgestellt, die Wegeinfrastruktur werde nicht verbessert, es werde keine Radschnellverbindung geschaffen – und auch eine Intensivierung der Kommunikation zwischen Akteuren, Verwaltung und Politik sei nicht erkennbar.
Auch in puncto Inklusion hat die Stadt nach Überzeugung der Runde ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Entlang der Baustelle gebe es vier Bushaltestellen. „Wir hätten erwartet, dass die Bauarbeiten genutzt würden, um die nun mit Kasseler Borden auszustatten“, sagt die ADFC-Vorständin. Stattdessen hätten Menschen mit Rollator, Rollstuhl oder Kinderwagen künftig wie vorher Probleme beim Einsteigen.
Die Verbände kritisieren, dass ihre Hinweise und die des AK Radverkehr „einfach von der Stadtverwaltung ignoriert“ worden seien. Sie fordern: „Die Stadt muss die sich selbst gegebenen Qualitätsstandards für Radwege einhalten und Inklusion beim ÖPNV fördern.“ Und: „Der weitere Ausbau ist zu stoppen und der Seitenraum ist finanziell günstiger und gemäß den Anforderungen vor Ort neu zu verteilen.“
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