London/Heidelberg. Das Erbgutmolekül DNA könnte in absehbarer Zeit als Datenspeicher dienen. Auf dem biologischen Speicher lassen sich riesige digitale Datenmengen verpacken und auf lange Zeit sichern, berichten Wissenschaftler aus Großbritannien und den USA im britischen Fachblatt «Nature».

Um dies unter Beweis zu stellen, hatten sie unter anderem Ausschnitte aus Martin Luther Kings «I have a dream»-Rede im DNA-Molekül verschlüsselt und später fehlerfrei wieder entschlüsselt. Ähnliche Ansätze hatten in den vergangenen Jahren bereits andere Forscherteams verfolgt. Ein großer Vorteil ihres Verfahrens sei die sehr hohe Genauigkeit bei der Entschlüsselung der DNA-Daten, berichten die Wissenschaftler.

Verlockend an DNA als Speichermedium sei vor allem, dass damit unglaublich große Datenmengen auf kleinstem Raum verstaut werden können. Etwa 100 Millionen Stunden hochauflösende Videodaten würden zum Beispiel in DNA-Form in eine kleine Teetasse passen, heißt es in einer Pressemitteilung des European Molecular Biology Laboratory (EMBL), welches an der Studie federführend beteiligt war. Die ständig steigende Datenflut sei bereits jetzt ein Problem für Archivare, unter anderem auch in der Wissenschaft. Weltweit kursierten etwa drei Zettabyte an digitalen Daten - also 3000 Milliarden Milliarden Byte.

Festplatten zur Speicherung seien teuer und benötigten eine Stromversorgung, argumentieren die Experten. Andere Archivierungsmaterialien wie Magnetbänder verschlissen innerhalb weniger Jahre. DNA hingegen könne Tausende Jahre unbeschadet überdauern, wie zum Beispiel die Isolierung von Erbmaterial aus archäologischen Knochenfunden zeige.

Um zu zeigen, dass Speicherung und Decodierung funktionieren, hatte das Team um Nick Goldman vom European Bioinformatics Institute, einer EMBL-Außenstelle in Hinxton (Großbritannien), fünf digitale Formate ausgewählt. Außer dem Ausschnitt aus Luther Kings Rede im MP3-Format waren das ein JPEG-Foto, eine PDF-Datei einer wissenschaftlichen Arbeit, eine TXT-Datei mit allen Sonetten Shakespeares sowie eine Datei mit dem Verschlüsselungscode. Alle Dateien zusammen waren 739 Kilobyte groß. Zum Vergleich: Ein typisches digitales Foto hat eine Größe von 2000 bis 5000 Kilobyte.

Den zugrundeliegenden digitalen Code der Dateien übersetzen die Forscher nach einem bestimmen Verfahren in den biologischen Code - also in die vier Basen, aus denen die DNA aufgebaut ist. Wissenschaftler eines in den USA ansässigen Unternehmens bauten danach die DNA-Moleküle zusammen. Sie spalteten den Code dazu in viele kleine, sich überlappende Abschnitte und versahen die Fragmente mit kurzen Anhängseln, aus denen die Position der einzelnen Abschnitte im gesamten Code hervorgeht. Dadurch seien Fehler beim Herstellen der DNA sehr unwahrscheinlich, berichten die Forscher.

Das Unternehmen schickte die DNA dann in gefriergetrockneter Form zurück nach Europa, über Großbritannien zum EMBL in Heidelberg. Dort bestimmten die Wissenschaftler die Abfolge der DNA-Basenbausteine und setzten die Teilstücke wieder zum gesamten Code zusammen. Diesen entschlüsselten sie schließlich, so dass wieder die digitale Information vorlag. Sie stellten die Original-Dateien dabei zu 100 Prozent - also fehlerfrei - wieder her.

Das größte Hindernis bei der Anwendung des Verfahrens seien derzeit die Kosten, sagte Lena Raditsch von der EMBL-Pressestelle. Vor allem die Synthetisierung der DNA sei noch sehr teuer.

In ihrem Paper weisen die Wissenschaftler darauf hin, dass man die Kosten des Verfahrens in Beziehung setzen müsse zu denen, die bei der herkömmlichen Speicherung und Sicherung von Daten entstünden. Interessant sei das Verfahren vor allem bei Daten, die nicht so oft abgerufen werden müssen. «DNA ist unglaublich klein, dicht und braucht keine Stromversorgung bei der Lagerung, so dass auch Transport und Aufbewahrung einfach sind», sagte Goldman.

Er und sein Team schätzen die Kosten für die Speicherung auf derzeit etwa 12 400 US-Dollar (rund 9300 Euro) pro Megabyte und etwa 220 US-Dollar (rund 165 Euro) für die Decodierung. Sie vermuten, dass die Kosten innerhalb der nächsten zehn Jahre so weit sinken, dass sich die DNA-Speicherung schon bei Daten lohnt, wenn sie für weniger als 50 Jahre archiviert würden. (dpa)