Leiterin der Wissenschaftsredaktion von NDR Info über Unterhaltung, das neue Wissen – und die Quoten

Mit Regina König sprach Henning Noske.

Warum kommt der NDR Info mit seinem Wissenschafts-Magazin "Logo" – in Zusammenarbeit mit unserer Zeitung und dem Haus der Wissenschaft – nach Braunschweig?

Braunschweig ist ein bedeutender Forschungsstandort in Europa. Unser Konzept ist es, spannende Themen zu bündeln – und aus Braunschweig kann man praktisch jedes Thema machen. Verkehrssicherheit, Mikroorganismen, Gesundheitsforschung sind da nur Stichworte – es gibt alles.

Für uns ist das ein neuer und spannender Ansatz, gerade hier eine Reihe zu machen und immer neue Themen aufzugreifen. Die Experten sind vor Ort, wir kommen mit den Menschen ins Gespräch und senden es aus Braunschweig – das ist ideal.

Warum ist es wichtig, Wissenschaft verständlich zu machen?

Ich kann das ganz gut am Beispiel meiner beiden Jungs erklären, die 9 und 12 Jahre alt sind. Ich erlebe jeden Tag, wenn sie aus der Schule kommen, dass man Wissbegier und Neugier auch töten kann, wenn Lehrer das einfach nicht gut vermitteln.

Und dann durfte eines der Kinder in Biologie seinen Hund mitbringen – da sah die Sache schon anders aus. Alle waren begeistert, der Lernstoff wurde förmlich aufgesogen.

Ähnlich ist das auch mit uns Erwachsenen. Wir wollen Neues, Spannendes, Unterhaltsames, wir wollen Dinge hören, die wir nicht kennen.

Seit meiner Zeit in Braunschweig weiß ich eben, dass Wissenschaft weder abstrakt, noch langweilig ist, sondern dass es etwas mit dem vollen Menschenleben zu tun hat. Und daran müssen wir anknüpfen.

Wie weit darf man gehen, die Wissenschaft populär und unterhaltsam zu machen? Wann hört die Wissenschaft auf?

Das ist sehr umstritten. Wir haben auf NDR Info verschiedene Herangehensweisen, nicht nur das Wissenschaftsmagazin "Logo", sondern auch donnerstags die Serie "Weltwissen" und am Dienstagmorgen Ranga Yogeshwar, der einfache Fragen sehr populärwissenschaftlich beantwortet. Zum Beispiel: "Warum ist der Himmel blau?" Da bemerke ich dann, dass auch meine Kinder zuhören.

Manchen Wissenschaftlern ist das schon zu banal. Müssten sie nicht auch gemeinsam mit uns stärker solche Themen übersetzen?

Ja, das ist richtig. Mein Eindruck ist, dass viele, gerade auch junge Wissenschaftler das bereits tun und großes Interesse daran haben. Braunschweig ist ein gutes Beispiel mit dem Science Slam oder dem Haus der Wissenschaft.

Welche Rolle haben in diesem Prozess die Journalisten?

Wir sind gefordert, wir dürfen diesen Ball nicht abgeben. Es ist schön, wenn Kinder in der Familie lernen, Bücher zu lesen. Es ist toll, wenn Lehrer einiges auffangen können – sie schaffen aber nicht alles. Wir Journalisten sind da einfach auch gefordert.

Es muss auch Spaß machen, spielerisch und mit Neugier an Alltagserfahrungen anknüpfen zu können. Dabei müssen es keine Übertreibungen sein, kein Firlefanz und nicht immer nur Quizfragen.

Wir merken an unseren Rückmeldungen, dass gut gemachte Wissenschaftsthemen die Leute interessieren. Sie wollen mehr wissen. Journalisten dürfen nicht den Fehler machen, ihre Hörer oder Leser für dümmer zu halten als sie sind. Sie sind viel schlauer.

Welches Rüstzeug brauchen Journalisten, wenn sie sich mit Wissenschaftsthemen beschäftigen?

In erster Linie Neugier – und die Begeisterung und das Können, etwas mitzuteilen. Etwas Neues zu erfahren, etwas Aufregendes, Ungewöhnliches zu lernen und das weitererzählen zu können – das müssen wir mitbringen.

Was ist eigentlich heute spannender – Wissenschaft oder Politik?

Ich finde Wissenschaft, na ja, ich leite ja auch die Wissenschaftsredaktion. Wissenschaft und Politik darf man auf keinen Fall auseinanderdividieren. Beide beantworten die Frage: Was ist die Zukunft? Wo wollen wir hin?

Es geht um die gemeinsamen Ziele in einer Gesellschaft und den Weg, sie zu erreichen – beispielsweise, womit denn noch Wohlstand und Arbeitsplätze künftig gesichert werden sollen. Haben wir als Medien einen Auftrag, darauf hinzuweisen?

Unbedingt, ich finde, dass das zwingend ist.

Dürfen Journalisten sogar bilden?

Ich denke, dass sie das tun – und sie müssen es.

Wie sehr ist die Station Braunschweig für Ihren späteren Lebensweg prägend gewesen?

Zwischen 1986 und 1992 war ich in Braunschweig, ich war junge Reporterin im NDR-Studio Braunschweig und stand mitten in der Promotion. Das Tolle war, dass ich einen Studioleiter hatte – Dr. Klaus Verhey –, der mich nicht ausgebremst und meine ganze Euphorie, Begeisterung, Wissbegier und Neugierde in die richtige Richtung geleitet hat.

Ich erinnere mich zum Beispiel an unsere Sendung "100 Jahre PTB" – Reporterin in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, da bekommt man natürlich viel mit.

Ich konnte damals bereits einiges an Wissenschaftsberichterstattung für die ARD beisteuern – und bin jetzt wieder bei der Wissenschaft gelandet. Da schließt sich der Kreis.

Was ragt in der Forschungsregion heraus?

Neben der PTB ist es die Luft- und Raumfahrt am Forschungsflughafen, die TU gleich mit etlichen Instituten, die man ständig zu aktuellen Themen fragen kann, aber auch zum Beispiel das Naturhistorische Museum in Braunschweig oder das Phaeno in Wolfsburg. Aber da ist natürlich noch viel mehr.

Es geht heute entscheidend um Auflage oder Quote. Ist eigentlich schon ausreichend entdeckt, dass man mit Wissenschaft Quote machen kann?

Ich glaube nicht, dass das schon ausreichend entdeckt ist. Ich glaube auch, dass man die Leute unterschätzt, wenn man denkt, dass man sie nur mit Nacktrodeln kitzeln kann oder mit albernen Shows.

Die Leute sind schlauer, wollen auch abgeholt und gefordert werden. Wir sind es, die Zusammenhänge auch einordnen können, das ist unsere herausragende Aufgabe, die Dinge zu bündeln, zu analysieren, zu erklären.

Und zu sagen: Hier, seht her, da lohnt es sich, sich näher damit zu beschäftigen. Wir müssen dies faszinierend und mit Begeisterung tun.