Wissenschaft und Technik können helfen, Nebenfolgen abzumildern und Finanzierungsprobleme zu lösen

BRAUNSCHWEIG. Mobilität ist grenzenlos, explodiert förmlich. Wirklich? Als einziger begrenzender Faktor erscheint die Akzeptanz der Nebenfolgen. Dies geschieht – weltweit betrachtet – in Abhängigkeit vom erreichten Wohlstandsniveau.

Doch auch die Nebenfolgen lassen sich abmildern, woran Wissenschaft und Technik maßgeblichen Anteil haben. So zeigt sich, dass im entwickelten Norden 65 Prozent der Fahrzeuge der Welt und 11 Prozent der Verkehrstoten zu zählen sind. Im Süden sind es 35 Prozent der Fahrzeuge und 89 Prozent der Verkehrstoten.

Andererseits: Zwar geht auch in Deutschland die Zahl der Verkehrstoten deutlich zurück, aber nicht die Zahl der Unfälle und der Verletzten und zum Teil Schwerverletzten. Schaut man genau hin, berichtet Prof. Eckehard Schnieder von der TU Braunschweig, ergibt sich sogar Alarmierendes. Die Zahl der Unfälle junger, risikobereiter Fahrer steige dramatisch an. Gleiches gelte auch für Fahrten mit alten Autos, technisch entweder nicht mehr auf dem neusten Stand oder unzureichend gewartet.

"Ist Verkehrssicherheit berechenbar?", fragt Schnieder beim Gauß-Kolloquium, das zu Ehren des früheren BMW-Chefs und Technik-Professors Joachim Milberg von der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft (BWG) veranstaltet wird. Sie ist es, doch der Faktor Mensch verpfuscht nicht selten die schönen Formeln. Wenn er beispielsweise vor geschlossenen Halbschranken an einem Bahnübergang stehen bleibt, ist die Sicherheit noch ziemlich groß. Doch eine Studie ergab: Jeder fünfte Fahrer zwischen 18 und 24 Jahren kann sich vorstellen, um die Halbschranken zu fahren, "wenn keine Kinder und keine Polizei in der Nähe sind".

Noch finanzierbar?

So ist Sicherheit, der Übergang von der gefährlichen in die sichere Bewegung, fließend. Und umgekehrt. Training, Schulungen und Assistenzsysteme erhöhen sie. Aber auch Kontrollen. Andererseits: Die Wahrscheinlichkeit, beispielsweise am Steuer alkoholisiert erwischt zu werden, beträgt rein mathematisch 1:300. Darauf sollte man sich nicht verlassen, denn Alkohol im Straßenverkehr erhöht das Risiko schwerster Unfälle dramatisch.

Ähnlich unscharf verhält es sich mit den Kosten als begrenzenden Faktoren für Mobilität. Einerseits beziffert Professor Dr. Reinhard Kühne vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) den externen Nutzen des Verkehrs hierzulande auf 24 Prozent des Bruttoinlandsproduktes – mithin 217 Milliarden Euro. Alle Schäden zusammengerechnet, Klimafolgen inklusive, schluckten lediglich ein Viertel dieses Nutzens.

Andererseits erscheinen die Kosten explodierender Mobilität zunehmend nicht mehr finanzierbar. Private Finanzierung von Strecken samt Maut gilt als Erfolgsmodell, doch davon hält Reinhard Kühne nicht besonders viel. Der Faktor Mensch sucht sich Schleichwege, verstopft lieber Ausweichstrecken, statt seinen Obulus abzuliefern. Rendite-Erwartungen privater Verkehrsprojekte haben sich bislang weltweit nicht bestätigt.

Störfallmanagement

Wo also könnte der Hebel liegen? Der Experte plädiert im Kontinuum von Unfällen und Staus schlicht für ein verbessertes Leitzentralen- und Störfallmanagement.

Er empfiehlt Investitionen in intelligente Leittechnik und weniger in neue Straßen. Würden etwa nach Unfällen die Straßen schneller freigeräumt, würden alle Tagesbaustellen intelligenter gemanagt, könnte die Summe solcher Maßnahmen schon mal "die Größenordnung einer zusätzlichen Fahrspur erreichen". Ähnliche Rechnungen macht Schnieder auf. Verkehrsleitzentralen könnten Mittel in Milliardenhöhe freisetzen. Flankiert durch Fahrerschulungen und Training an Simulatoren ergäben sich Einspareffekte, die durch erhöhte Sicherheit zum Tragen kämen.

Beide Experten sind sich einig: Neue Fahrzeuggenerationen, in denen intelligente Komponenten mit Kommunikationstechnologie zusammenwirken, werden den Segen weiter erhöhen.

So mausert sich Mobilität vom "Prothesenpark" (Kühne) zum Produktensemble für intelligent vernetzte Systeme. Doch der begrenzende Faktor Mensch, davon ist auszugehen, wird auch dieser schönen, neuen Welt erhalten bleiben.