Rom. Seit Jahren steigen die Preise fürs Olivenöl, vor allem wegen des Klimawandels. In Italien sind jahrhundertealte Betriebe gefährdet.

Ein Olivenbaum nach dem anderen säumt die Auffahrt des jahrhundertealten Anwesens in Fara Sabina 30 Kilometer nördlich von Rom, auf dem die Familie Petrucci lebt. Seit dem 17. Jahrhundert besitzt die Familie Olivenhaine, die die Herstellung von Öl höchster Qualität erlauben. Die Erntezeit ist zu Ende und die Traktoren, die mit ihren Spezialgreifern die Stämme der Bäume streifen, um die Oliven abzuschütteln, stehen still.

Sabina Petrucci blickt auf die jahrhundertealten Bäume des 70 Hektar großen Olivenhains und seufzt: „Der Ertrag ist in diesem Jahr 50 Prozent niedriger als im Vorjahr. In der Blütezeit zwischen Mai und Juni hat es hier zu viel geregnet. Der Olivenbaum braucht viel Bestäubung, wenn diese wegen andauerndem Regen wegfällt, ist die Ernte dahin. In den vergangenen Jahren hatten wir manchmal das Problem, dass die Oliven zu klein waren. Wegen der Regenfälle können wir sagen, dass sich dieses Jahr die Oliven oft nicht einmal gebildet haben“, berichtet die 28-Jährige.

Die Schönheit der Olivenhaine verrät nicht die Krise, die vor Ort herrscht. Denn im zweiten Jahr infolge ist die Produktion wegen extremer Wetterereignisse eingebrochen. „Dieses Jahr waren wir vom Regen geplagt. Im vergangenen Jahr hatten die Olivenbäume unter der starken Dürre gelitten, was zu einem Produktionsrückgang von 30 Prozent geführt hat. Früher gab es vielleicht alle 15 Jahre ein sehr schlechtes Jahr. Jetzt wird die Lage von Saison zu Saison schwieriger“, sagt Sabina Petrucci. Ihr Vorname geht zurück auf die Sabiner, ein antikes Volk, das in dieser blühenden Gegend in Mittelitalien lebte und dessen Land nach mehreren Kriegen schließlich von den Römern erobert wurde.

Sabina (links) und Camilla Petrucci
Sabina (links) und Camilla Petrucci © privat | Petrucci

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Ernteausfälle in Italien: Erst die Dürre, dann der Regen

Sabina Petrucci bangt um ihre Zukunft. „Ich habe Wirtschaft studiert und einen vielversprechenden Job als Unternehmensberaterin in Mailand aufgegeben. Ich mochte die Großstadt, aber ab einem gewissen Punkt habe ich den Drang verspürt, mich um unser Grundstück zu kümmern und die Tätigkeit meiner Ahnen weiterzuführen. Unsere Olivenmühle wurde 1814 gebaut. Ganze Familien leben hier von der Olivenproduktion, die auf eine zwei Jahrtausende alte Geschichte zurückblickt“, erzählt Petrucci. Ihr Familienunternehmen beschäftigt 15 Personen, hinzu kommen einige Saisonarbeiter.

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Die Olivenhaine der Familie Petrucci in Fara unweit von Rom.
Die Olivenhaine der Familie Petrucci in Fara unweit von Rom. © privat | Privat

Die geringere Produktionsmenge hat, im Zusammenspiel mit gestiegenen Produktionskosten, erhebliche Konsequenzen: Der Preis des Olio d‘oliva extravergine hat sich fast verdoppelt. Nun droht die Gefahr minderwertiger und gepanschter Angebote. „Ein Liter reines Olivenöl kann nicht unter 13-14 Euro verkauft werden. Die Tragik ist, dass reines Olivenöl immer mehr zu einem Nischenprodukt wird. Dabei ist Olivenöl ein Grundelement der italienischen Gastronomie“, berichtet Sabina. Während sie sich vor allem um Marketing, Vertrieb und Werbung kümmert, beschäftigt sich ihre 26-jährige Schwester mit Strategien, um die 15.000 Olivenbäume der Familie besser zu schützen.

Camilla Petrucci ist promovierte Agronomin. Zusammen mit Vater Stefano sucht sie nach Wegen, die den Folgen des Klimawandels Stand halten. So wird an Netze gedacht, die die Bäume vor Hagel und heftigen Niederschlägen schützen können, sowie an Systeme, die die Olivenbäume gezielt bewässern. „Das Problem ist, dass diese Systeme teuer sind und hohe Investitionen erfordern. Für große Grundstücke sind sie oft nicht finanzierbar. Von Europa können wir uns wenig erhoffen: Die Bürokratie für den Zugang zu finanziellen Stützungsmaßnahmen für die Landwirtschaft ist sehr kompliziert. Das Geld trifft meist erst nach zwei oder drei Jahren ein, das hilft bei Notstandssituationen, die sofort bewältigt werden müssen, kaum“, beklagt Sabina.

Stefano Petrucci ist der Vater von Sabina und Camilla. Ihm gehört das Grundstück mit den Olivenbäumen.
Stefano Petrucci ist der Vater von Sabina und Camilla. Ihm gehört das Grundstück mit den Olivenbäumen. © Privat

Schrumpfende Erträge und Betrug: Die italienische Olivenölindustrie steht vor großen Problemen

Der Chef des Ölbauernverbandes Unaprol, David Granieri, spricht von einer „noch nie dagewesenen Situation“. Italien selbst wird heuer nach Schätzungen nur etwa 290.000 Tonnen natives Olivenöl produzieren. Hinzu kommt Betrug: Kriminelle Händler verkaufen minderwertiges Olivenöl als höchste Güteklasse extra vergine oder geben importiertes Öl als original italienisches aus. Der Bauernverband Coldiretti warnt vor einer Invasion minderwertiger Ware, vor allem aus Tunesien und der Türkei.

Olivenöl wird im Handel in drei unterschiedlichen Qualitäten angeboten: Die beste ist „Olivenöl extra vergine“, die Erstpressung, sie ist naturrein und unbehandelt. Einfaches Olivenöl, sowie Zweit- und Drittpressungen hingegen enthalten meistens einen Verschnitt aus weniger hochwertigen, chemisch gereinigten und eher geschmacksneutralen Ölen und nur eine kleine Menge naturreines Olivenöl.

Trotz der schwierigen Konjunktur lässt sich die Familie Petrucci nicht entmutigen und entwickelt neue Geschäftszweige. So organisiert Sabina Rundgänge für Besucher, die sich für die Olivenproduktion interessieren. Der Olivenöltourismus boomt in Italien immer mehr. Gerne zeigt Sabina Gästen aus den USA, Asien und Deutschland die uralte Olivenölmühle. Bei Ölverkostungen erzählt sie von ihrer Ahnin Anna Camilli, die schon im 19. Jahrhundert, das Landwirtschaftsunternehmen führte.

Gehegt werden auch weitere Zukunftsprojekte. „Wir hätten gerne Tiere auf dem Gut, wir denken da an Pferde, die im Gegensatz zu Schafen und Ziegen für die Olivenbäume nicht schädlich sind. Wir würden gerne Pferde aufnehmen, die nicht mehr an Wettrennen teilnehmen können“.

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