Berlin. Wer Eigentum finanziert, hat dank Zinswende neue Optionen statt der klassischen Sondertilgung. Doch die rechnen sich nicht für jeden.

Die Zinsen steigen – fürs Sparen und für Kredite. Immobilienbesitzer mit laufendem Baukredit sollten deshalb aktuell prüfen, inwieweit Sondertilgungen für ihren Immobilienkredit sinnvoll sind. Oder ob man Geld, das man unverhofft übrig hat, nicht besser auf Festgeldkonten angelegt, weil es dort deutlich mehr Zinsen abwirft.

In fast allen Immobilienkrediten gibt es ein Recht zur Sondertilgung. Solche zusätzlichen jährlichen Zahlungen sind sinnvoll, um die Restschuld zu senken. „Üblich sind bis zu fünf Prozent der aufgenommenen Kreditsumme“, sagt Dirk Scobel, Baufinanzierungsexperte der Verbraucherzentrale Hamburg. Wer also 400.000 Euro von einer Bank erhalten hat, kann bei fünf Prozent Sondertilgung jährlich bis zu 20.000 Euro zusätzlich zur Tilgung einzahlen. Gerne werden dafür Gelder aus Erbschaften oder Auszahlungen aus einer Lebensversicherung genutzt.

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Zwar verändert sich die monatliche Kreditrate durch die Sondertilgung nicht, aber die Kreditschuld verringert sich. Durch die Zinswende der Europäischen Zentralbank muss die Sondertilgung aber nicht unbedingt der beste Einsatz von Geld sein. Denn inzwischen gibt es wieder attraktive Zinsen für Festgelder von bis zu vier Prozent, ebenso fürs Tagesgeldkonto.

Kredite für Immobilien: Höhere Sparzinsen können sich lohnen

Wer in den vergangenen Jahren einen Immobilienkredit abgeschlossen hat, zahlt meistens nur einen Zinssatz von rund einem Prozent. „Wer sein Eigenheim in der Niedrigzinsphase zwischen 2018 und Anfang 2022 zu einem günstigen Zinssatz finanziert, der kann mit einem Festgeldkonto mit höheren Zinsen mehr Rendite erzielen, als eine Sondertilgung an Zinskosten sparen würde“, sagt Moritz Felde, Geschäftsführer Finanzservice bei Check24.

Für Eigentümer, die in der Niedrigzinsphase einen Kredit abgeschlossen haben, könnte die Anschlussfinanzierung zum Problem werden.
Für Eigentümer, die in der Niedrigzinsphase einen Kredit abgeschlossen haben, könnte die Anschlussfinanzierung zum Problem werden. © picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann/SVEN SIMON

Beispiel: Ein Ehepaar hat im Mai 2021 einen Immobilienkredit über 400.000 Euro aufgenommen. Dafür zahlt es 1,2 Prozent Zinsen und zwei Prozent anfängliche Tilgung. Die Zinsbindung beträgt zehn Jahre, im Frühjahr 2031 muss also der Kredit verlängert werden. Ohne Sondertilgung beträgt die Restschuld dann noch 315.600 Euro. Angenommen der Zins liegt 2031 wie heute bei rund 4,50 Prozent, dann würde bei der neuen Zinsbindung die monatliche Rate bei 1710 Euro liegen, das sind 643 Euro oder 60 Prozent mehr als jetzt.

„Wenn sich die Einkommenssituation des Paares nicht grundlegend verbessert hat und kein großer finanzieller Spielraum besteht, dürfte es erhebliche Probleme mit der Haushaltsrechnung geben, die Bank kann sogar eine Anschlussfinanzierung versagen“, warnt Scobel. Umso notwendiger wird für viele Kreditnehmer bei Baufinanzierungen jetzt die Sondertilgung, so der Verbraucherschützer: „Betroffen sind vor allem Verbraucher, die sich hoch verschuldet, nur eine niedrige Tilgungsrate und eine kurze Laufzeit von zehn Jahren gewählt haben.“ Denn dann wird die Restschuld noch sehr hoch sein.

Experte: „Gestiegene Zinsen auf dem Schirm haben“

Ob Kreditnehmer jährlich eine Sondertilgung leisten oder das Geld sparen sei zweitrangig, sagt Scobel: „Wichtig ist, dass man die Gefahren gestiegener Zinsen für eine Anschlussfinanzierung überhaupt auf dem Schirm hat.“ Mit Blick auf das Ehepaar gibt es deshalb zwei Möglichkeiten. Erstens: Es will aus Zusatzeinkünften, Geldgeschenken der Eltern und einem eingesparten Urlaub jährlich 10.000 Euro ansparen. Wenn diese Summe jeweils einmal jährlich in die Sondertilgung fließt, sinkt die Restschuld bis zum Frühjahr 2031 auf 231.300 Euro. Das sind 84.300 Euro weniger als ohne Sondertilgung.

Die zweite Möglichkeit ist, das Geld mit hohen Zinsen anzusparen. Würden beispielsweise jedes Jahr 10.000 Euro mit einem Zinssatz von 3,5 Prozent auf einem Tagesgeld- oder Festgeldkonto angelegt, so summiert sich der Zinsertrag auf 9800 Euro vor Steuern. Die Kapitalertragsteuer bleibt unberücksichtigt. Wenn das Sparkonto als Gemeinschaftskonto geführt wird, hat jeder einen Freibetrag von jährlich 1000 Euro.

Zum Ende der Zinsbindungsfrist kann die Restschuld mit 89.800 Euro verringert werden. Dann müssen nur noch 225.800 Euro neu finanziert werden (315.600 abzüglich 89.800 Euro). Gegenüber der Restschuld mit jährlicher Sondertilgung liegt der Vorteil bei 5500 Euro. Betrachtet man nur den Zinsvorteil, so bringt das Ansparen einen mehr als doppelt so hohen Zinsvorteil, als man bei regelmäßiger Sondertilgung durch ersparte Zinsen einsparen würde.

Sparen oder Sondertilgung: Dieser Gewinn entsteht

„Das kann man so machen, aber ein solches Vorgehen erfordert sehr viel Disziplin und auch etwas Aufwand bei der Geldanlage“, sagt Scobel. Vor allem jedes Jahr 10.000 Euro zusätzlich anzusparen und das Geld nicht für andere Dinge auszugeben, sieht er als große Herausforderung. Außerdem ist nicht sicher, dass das Geld jedes Jahr zu einem Zinssatz von 3,5 Prozent anlegt werden kann.

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Was bedeuten beide Varianten für die künftige Kreditrate? Eine Restschuld von 225.800 Euro (als Ergebnis des Ansparens von jährlich 10.000 Euro) führt zu einer neuen monatlichen Kreditrate von 1223 Euro. Gegenüber der Restschuld von 315.600 Euro ohne Sondertilgung mit einer Monatsrate von 1710 Euro ist das eine klare Ersparnis. Bei regelmäßiger Sondertilgung von 10.000 Euro bleibt eine Restschuld von 231.300 Euro – die neue Kreditrate würde dann voraussichtlich bei 1251 Euro liegen, also 28 Euro höher.

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