Hamburg. Die Anleger haben ProSiebenSat.1-Chef Thomas Ebeling lange verehrt. Nach zahlreichen Pannen hoffen sie jetzt auf seinen Nachfolger.

Die Finanzanalysten überschlugen sich: „Kaufen“, „übergewichten“ – ihre Empfehlungen waren eindeutig. Der Wert der Aktie von ProSiebenSat.1 konnte ja auch nur steigen. Schließlich stand der TV-Konzern als erstes deutsches Medienunternehmen vor der Aufnahme in den Deutschen Aktienindex Dax. Und die Anleger kauften: Im November 2015, knapp vier Monate vor dem Dax-Aufstieg, war die Aktie gut 50 Euro wert.

Die Börsenstory, die Konzernchef Thomas Ebeling – ein bulliger ehemaliger Pharmamanager, der zum Ausgleich boxt – zu erzählen hatte, war ja auch einfach zu gut: 2009 hatte er die damals hoch verschuldete Sendergruppe übernommen, deren Aktie damals nur eine Hand voll Cent wert war.

Dritte Gewinnwarnung binnen kurzer Zeit

Er verkaufte wichtige Unternehmensteile wie den Nachrichtenkanal N24 sowie nahezu alle ausländischen Beteiligungen. Und um nicht allein vom TV-Geschäft abhängig zu sein, investierte Ebeling in zahlreiche aufstrebende Internet-Start-ups. Was konnte da schon schiefgehen?

So einiges: Zwei Jahre später hat sich der Aktienkurs nahezu halbiert. Die Werbeerlöse sprudeln nicht wie erhofft. Die Reichweiten der TV-Kanäle der Senderfamilie schrumpfen. In diesem Monat gab es bereits die dritte Gewinnwarnung binnen kurzer Zeit. Mit einem Wert von 5,9 Milliarden Euro hat ProSiebenSat.1 den geringsten Marktwert aller Unternehmen im Dax. Läuft es schlecht, könnte der TV-Konzern bald aus dem Elite-Index absteigen.

Abgang erst im Februar

An Ebeling, vom Fachblatt „Horizont“ 2011 zum „Medienmann des Jahres“ gekürt, perlten die schlechten Nachrichten bislang ab. Doch nun muss er gehen. Zum Verhängnis wurde dem 58-Jährigen offenbar, dass er die Zuschauer seiner Sendergruppe kürzlich in einer Analystenkonferenz als „ein bisschen fettleibig“ und „ein bisschen arm“ abqualifiziert hatte.

Ebeling, der das Unternehmen wie ein Sonnenkönig führt, konnte den Zeitpunkt seines Abschieds offenbar selbst bestimmen. Er geht erst nach der Bilanzpressekonferenz am 22. Februar 2018. Davor, am 6. Dezember, will er Einzelheiten des bevorstehenden Konzernumbaus vorstellen.

Das Logo und der Schriftzug der
Das Logo und der Schriftzug der "ProSiebenSat.1 Media SE". © dpa | Matthias Balk

Dass ein scheidender Chef unmittelbar vor seinem Abgang noch wichtige Weichen stellt, ist nicht alltäglich. Doch der ProSiebenSat.1-Aufsichtsrat unter der Leitung des ehemaligen SAP-Finanzvorstands Werner Brandt gilt als schwach. Einen Hauptgesellschafter, der Einfluss ausüben könnte, hat der Konzern nicht. Dass mit dem Umbau der Unternehmens nicht so lange gewartet wird, bis der Konzern einen neuen Chef hat, dürfte die Nachfolgersuche nicht erleichtern. Welcher Topmanager wird bei Amtsantritt schon gern vor vollendete Tatsachen gestellt?

Zahlreiche Kandidaten für den Chefposten werden gehandelt

Gesucht wird eine Führungskraft aus der Medienbranche, die idealerweise schon in einem börsennotierten Unternehmen gearbeitet hat. Als Kandidaten gelten Fred Kogel, bis August Chef der börsennotierten Constantin Medien, sowie Markus Tellenbach, einst Leiter des Pay-TV-Senders Premiere, dem heutigen Sky, der zuletzt die polnische Senderkette TVN führte.

Auch Gerhard Zeiler, Ex-Vorstandsvorsitzender der RTL Group, der heute als Präsident von Turner Broadcasting System International alle Unterhaltungs-, Nachrichten- und Kinderkanäle des Unternehmens außerhalb Nordamerikas leitet, wird für den Job gehandelt. Weil es aber nicht viele deutsche börsenorientierte Medienhäuser gibt, könnte auch ein Branchenfremder Ebeling nachfolgen.

Vorwurf: Zu wenig auf Kerngeschäft konzentriert

Der Neue wird sich mit einem Konzern konfrontiert sehen, der statt wie bisher auf vier künftig auf drei Säulen steht. Die TV-Sender sollen mit dem Geschäftsbereich Digital Entertainment verschmolzen werden, zu dem auch die defizitäre TV-Online-Plattform Maxdome gehört. Zudem ist geplant, Investoren für die Produktionstochter Red Arrow und die diversen Internet-Portale des Unternehmens an Bord zu holen. Ob das reicht, um den Konzern wieder in ruhiges Fahrwasser zu bringen?

Ein Grund der Misere sei, heißt es in der Branche, dass Ebeling sich zuletzt zu wenig auf das Kerngeschäft konzentriert habe. So musste ProSiebenSat.1 170 Millionen Euro auf Serien und Spielfilme abschreiben, die keiner mehr sehen wollte. Für die zahlreichen Beteiligungen an Start-ups – ein Sammelsurium aus Online-Reisebüros und Preisvergleichsportal, Internet-Erotikversand und digitalen Partnervermittlungen – fehle es an Expertise. Viele der Portale verdienten wenig Geld.

Immerhin geht es mit Aktie aufwärts

Werbekunden ärgert die große Präsenz der Start-ups in den Werbeblöcken der ProSiebenSat.1-Sender. Der ökonomische Nutzen ist umstritten. Harald Heider, Analyst der DZ Bank, weist nach, dass etwa die konzerneigene Online-Reisefirma Comvel 2014 vor allem wegen einer Fernsehwerbekampagne 4,9 Millionen Euro Verlust schrieb. Offenbar wurde hier nach dem Prinzip „linke-Tasche-rechte-Tasche“ gewirtschaftet.

Immerhin geht es mit der Aktie von ProSiebenSat.1 wieder aufwärts. Seit bekannt ist, dass Ebeling geht, ist sie bei Anlegern wieder gefragt.