Berlin. Seit Jahresbeginn dürfen besonders lange Lkw ohne Sondergenehmigung in Deutschland fahren. Nutzen und Gefahr bleiben dabei umstritten.

Wie eine nicht enden wollende Wand zieht der Lastwagen vorbei. Das Fahrzeug mit dem Aufleger misst gut 25 Meter. Viele Autofahrer sehen derart große Lkw mit Sorge. Bis zu 40 Tonnen dürfen sie beladen wiegen. Das ist nicht mehr, als bislang erlaubt war, aber allein die Größe weckt Misstrauen. Drei von vier Bürgern lehnen den Einsatz laut einer Forsa-Umfrage aus dem vergangenen Jahr ab.

Dennoch dürfen sie seit Jahresbeginn auf den Autobahnen und den Zubringern zu Güterverkehrszentren oder Gewerbegebieten frei fahren. Das hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt per Verordnung erlaubt. 11.600 Kilometer des Straßennetzes sind dafür freigegeben. Die Autobahnen messen insgesamt knapp 13.000 Kilometer.

160 Megatransporter bislang bundesweit im Einsatz

Der Einsatz ist umstritten. Wer dabei auf welcher Seite steht, zeigt sich schon in der Wortwahl. Die Gegner sprechen von Gigalinern oder Monstertrucks, die Befürworter benutzen die offizielle Bezeichnung Lang-Lkw oder Eurocombi. 160 waren bislang bundesweit im Einsatz. Das ist gemessen an der Gesamtzahl von rund 450.000 Fahrzeugen mit mehr als 7,5 Tonnen Gesamtgewicht noch wenig. Doch die Experten der Bundesanstalt für Straßenwesen haben ein Potenzial von bis zu 10.000 Fahrzeugen errechnet. Schon dieses Jahr soll sich die Zahl der Riesenlaster verdoppeln.

Dennoch: „Der Lang-Lkw wird eine Randerscheinung bleiben“, glaubt Martin Bulheller vom Bundesverband Güterverkehr und Logistik (BGL). Denn durch die Gewichtsbegrenzung bleibe der Einsatz auf großvolumige, leichte Güter beschränkt. So trans­portieren die Spediteure damit zum Beispiel Aussendungen der Paket­dienste oder große Schaumstoffmengen.

Zwei lange ersetzen drei normale Lastwagen

Mit ökologischen Vorteilen der Megatransporter will die Branche ebenso wie der Verkehrsminister Kritiker überzeugen. „Zwei Lang-Lkw ersetzen drei herkömmliche Lkw“, sagt Dobrindt, „er ist sicher, spart Sprit und führt weder zu Verlagerungen von Verkehren auf die Straße noch zu einer stärkeren Belastung unserer Infrastruktur.“ Bezogen auf die klimaschädlichen CO2-Emissionen wird die Ersparnis auch von den Gegnern anerkannt. Der Betrieb der Fahrzeuge ist bis zu 25 Prozent billiger. Im hart umkämpften Transportmarkt ist das viel.

Auf lange Sicht kann sich dieser Vorteil ins Gegenteil verkehren. Das befürchten Umweltverbände und die Allianz pro Schiene. „Es besteht kein Zweifel, dass dieses Preisdumping eine Verlagerung von Gütern zurück auf die Straße in Gang setzen wird“, sagt die Sprecherin des bahnfreundlichen Verbands, Barbara Mauersberg. Laut Studien müsse mit 7000 zusätzlichen Fahrten pro Tag gerechnet werden. Im Schienengüterverkehr würden dann 1000 Arbeitsplätze verloren gehen.

Umweltschützer befürchten Konkurrenz für die Bahn

Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hält die Fahrerlaubnis für eine falsche Entscheidung. „Gigaliner sind schlecht für den Klimaschutz und ziehen zusätzliche Investitionen in den Straßenbau nach sich“, glaubt BUND-Chef Hubert Weiger, „gut sind sie nur für die Lkw-Lobby.“ Beide Verbände haben zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe Anfang April eine Klage gegen die Zulassung eingereicht. Damit wollen sie ein Verbot der Lang-Lkw erreichen.

Das Verwaltungsgericht Berlin muss nun in erster Instanz entscheiden, ob sich die Zulassung mit dem europäischen Recht verträgt. Daran zweifeln die Kläger. In der EU-Richtlinie 96/53 seien Höchstabmessungen für Lkw festgelegt, von denen nur in Ausnahmefällen abgewichen werden darf, erläutert der Anwalt der Kläger, Remo Klinger. „Den gewöhnlichen Verkehr von Riesen-Lkw lässt die Richtlinie jedoch nicht zu“, glaubt der Jurist. Die Branchenverbände lässt der Prozess kalt. Die EU-Kommission sei auch nicht gegen ähnliche Zulassungen in Nachbarländern vorgegangen, betont der Sprecher des Deutschen Speditions- und Logistikverbands, Markus Ohligschläger.

In Skandinavien sind noch schwerere Riesen-Laster unterwegs

In Schweden, Dänemark und den Niederlanden sind die neuen Giganten der Straße schon länger im Regelbetrieb. Dort sind sogar noch schwerere Riesen-Lkw unterwegs. Die holländischen Spediteure dürfen bis zu 60 Tonnen transportieren, die schwedischen bis zu 64 Tonnen und die finnischen sogar 76 Tonnen. Hier trifft die Bezeichnung Monstertruck wohl am ehesten zu. Die Richtlinie sieht keine einheitliche Abweichung von den Maximalabmessungen vor. Jeder Staat ist diesbezüglich eine Insel. Grenzüberschreitende Verkehre sind daher vorerst nicht zu erwarten.

Mauersberg bezweifelt, dass diese Einschränkung von Dauer ist. „Das Bundesverkehrsministerium prüft bereits grenzüberschreitende Fahrten mit Riesen-Lkw“, warnt sie. Es sei naiv zu glauben, dass es bei den kleineren Varianten der Gigaliner bleibe. Die Bürger müssten sich darauf einstellen, dass nicht nur überlange, sondern demnächst auch überschwere Lkw durch Deutschland donnern.

Der Verband fordert stattdessen, die Rahmenbedingungen für den Schienengüterverkehr zu verbessern. Die Trassenpreise sollten halbiert und das Netz für längere Güterzüge ausgebaut werden. Nur jeder zehnte Güterzug komme derzeit auf die europäische Standardlänge von 740 Metern.