Frankfurt/Main. Gegen den Ex-Chef der Immobilienbank HRE, Georg Funke, wird Anklage erhoben. Er gibt Ex-Finanzminister Peer Steinbrück die Schuld.

Wenigstens eine Sache sollte an die einst guten Zeiten erinnern: In gewohnt blauem Anzug und gestreifter Krawatte war Georg Funke am Montag vor dem Landgericht München erschienen. Nach jahrelanger Verzögerung hat der Strafprozess gegen die deutsche Symbolfigur der internationalen Finanzkrise begonnen – den einstigen Vorstandschef der Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE) die während der Finanzkrise 2007 und 2008 mit Staatsgeldern gerettet wurde.

Die Staatsanwaltschaft warf Funke und dem mitangeklagten früheren HRE-Finanzchef Markus Fell zum Prozessauftakt vor, die Krise der Bankengruppe im Geschäftsbericht 2007 und im ersten Halbjahr 2008 verschleiert und geschönt zu haben. „Eine unvertretbar und evident falsche Darstellung der Liquiditätslage der HRE“, hieß es.

Für Steuerzahler teuerster Schadenfall der Finanzkrise

Für Deutschlands Steuerzahler war die Immobilienbank der teuerste Schadenfall der Finanzkrise. Der Bund stützte die Bankengruppe mit Kapital in Höhe von knapp zehn Milliarden Euro. Hinzu kamen Staatsbürgschaften über weitere 124 Milliarden Euro.

Der ehemalige HRE-Bankchef Georg Funke auf der Anklagebank des Landgerichts München I.
Der ehemalige HRE-Bankchef Georg Funke auf der Anklagebank des Landgerichts München I. © dpa | Peter Kneffel

Eine Insolvenz der „systemrelevanten“ Bank hätte nach damaliger Einschätzung weitere große Bankenpleiten nach sich gezogen. Auch wenn sie bislang nicht in Anspruch genommen wurden – diese Bürgschaften hatten die Pleite verhindert.

2009 wurde die HRE notverstaatlicht und anschließend zerschlagen. Die dafür gegründete staatliche Bad Bank FMS übernahm den schlechten Teil des Geschäfts. Die FMS sitzt immer noch auf einem Berg von Schulden und Verbindlichkeiten – im Juni 2016 waren es laut Bundesfinanzministerium noch 183 Milliarden Euro.

Funke will am Dienstag „Streitschrift“ verlesen

Vor der Krise war die HRE eine der größten Emittenten von Pfandbriefen, also mit Immobilien besicherten Anleihen, Wertpapiere mit bis dato tadellosem Ruf. Nie fiel eine aus. Hätte die HRE diese Anleihen nicht mehr bedienen können, wären vermutlich andere Banken, Versicherungen und Pensionskassen mit in die Pleite gerissen worden. Sie alle hatten liquide Gelder oder Beiträge ihrer Kunden auch in dieser Wertpapiergattung angelegt.

Funke macht seinerseits den damaligen SPD-Finanzminister Peer Steinbrück für die Krise verantwortlich. Im September 2009 hatte der Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers zur Folge, dass die wechselseitige Kreditvergabe der Banken quasi über Nacht zum Erliegen kam – der HRE ging das Geld aus.

Es geht nicht um die Notwendigkeit der HRE-Abwicklung

„Das war die eigentliche Ursache“, sagte Funkes Verteidiger Wolfgang Kreuzer vor Beginn der Verhandlung. „Ganz entscheidend war am Ende Herr Steinbrück mit der sehr unbedachten Bemerkung, die Bank müsse abgewickelt werden.“ Jedoch: Ex-Finanzminister Steinbrück ist nicht einmal als Zeuge vor Gericht geladen. Denn ob die Abwicklung der HRE vermeidbar war, ist gar nicht Thema des Prozesses. In der Anklage geht es lediglich darum, ob Funke und Fell durch falsche Darstellung die Adressaten ihrer Geschäftsberichte täuschten.

Und hier ist die Beweislast enorm. Laut Staatsanwaltschaft war dem Bankvorstand die bedrohliche Lage früh klar. Demnach forderte die mit der Prüfung des Jahresabschlusses 2007 beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG im März 2008 einen „Liquiditätskatastrophenplan“.

Im wenig später veröffentlichten Geschäftsbericht stellten Funke und Kollegen die Lage jedoch als „stabil“ dar. Entscheidend zur Krise hat auch die von Funke vorangetriebenen Übernahme der Depfa beigetragen. Im Herbst 2007 – mehrere Monate nach den ersten Anzeichen der Finanzkrise – hatte die HRE für mehr als fünf Milliarden Euro die in Irland ansässige ehemals preußische Pfandbriefanstalt gekauft.

Banken misstrauten sich zunehmend

Spezialität der Depfa war es, Kredite langfristig teuer zu vergeben und sie mit billigem kurzfristigem Geld zu refinanzieren. Sie war also auf beständige Zufuhr frischer Mittel über den Bankenmarkt angewiesen. Im Zuge der amerikanischen Subprime-Krise gelang das immer weniger: Banken misstrauten sich, gaben einander kaum noch Kredit. So geriet die Depfa in Liquiditätsnöte und riss ihre neue Eigentümerin mit.

Funkes Verteidiger bewertet die Lage hingegen anders: Die Bilanzen seien intern und extern geprüft worden, Anweisungen zur Bilanzfälschung habe niemand gegeben und gefunden. Diese Sicht will Funke am zweiten Prozesstag am Dienstag vortragen und eine „Streitschrift“ präsentieren. (mit dpa)