Frankfurt/Main. „Gottgewollt“ wurde die geplante Fusion der Deutschen Börse und der LSE genannt. Doch die LSE will nicht mehr – wegen der Vorgaben.

Auch beim dritten Mal wird es wohl nicht gelingen: Die Fusion der Deutschen Börse mit der London Stock Exchange (LSE) ist so gut wie gescheitert. Die Londoner Börse will den Mehrheitsanteil an der italienischen Anleihenhandelsplattform MTS nicht veräußern. Das verlangen aber die EU-Wettbewerbshüter.

„Angesichts der bisherigen Haltung der Kommission geht die London Stock Exchange Group nicht davon aus, dass die Kommission die Fusion genehmigen wird“, erklärten die Londoner deshalb. Somit sieht es so aus, als seien zu strenge Vorgaben aus Brüssel die Ursache für ein Aus.

Die EU-Behörde hatte auch an anderer Stelle Bedenken: Der Wettbewerb könne durch die Zusammenlegung der Clearinghäuser beider Unternehmen etwa bei Anleihegeschäften ausgeschaltet werden. Dazu machten die beiden Börsenbetreiber bereits Zugeständnisse. Der geforderte Verkauf der vergleichsweise kleinen italienischen Tochter ist – so will es die LSE verstanden wissen – aber zu bedeutend für Umsatz und Gewinn der Gruppe.

„Die wollen nicht mehr“

Von der Deutschen Börse hieß es nur: „Die Parteien sehen der weiteren Prüfung der Europäischen Kommission entgegen.“ Eine Entscheidung werde bis Ende März erwartet. Die EU-Kommission verwies auf das Fristende für das Prüfverfahren – das ist der 3. April. Danach muss die hessische Börsenaufsichtsbehörde – vertreten durch das hessische Wirtschaftsministerium – den Zusammenschluss noch prüfen. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier verwies (CDU) nur darauf, man müsse die Entscheidung aus Brüssel abwarten.

„Das ist überraschend“, kommentiert Christoph Schalast die Mitteilung der Londoner. Schalast ist Professor für Übernahmen und Fusionen an der Frankfurt School of Finance and Management. An die Öffentlichkeit zu gehen, sei in einem solchen Prozess nicht üblich, jedenfalls nicht, bevor die wesentlichen Fragen mit den Kontrollbehörden besprochen seien. „Das zeigt: Die wollen nicht mehr“, folgert der Finanzexperte.

Tatsächlich hatten sich zuletzt immer mehr kritische Stimmen in London auch aus der Politik geäußert, so etwa vergangene Woche bei einer Parlamentsdebatte in London: „Es geht um eine Übernahme unserer Kronjuwelen“, hatte da Bill Cash gesagt, ein EU-kritischer Abgeordneter aus der konservativen Partei von Premierministerin Theresa May. „Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, warum es in unserem nationalen Interesse sein sollte, sie nach Frankfurt zu transferieren.“

Fusion von Deutscher Börse und LSE steht vor dem Aus

weitere Videos

    Sitz sollte London sein

    Im Vertrag war vereinbart worden, dass der Sitz der gemeinsamen Börse London sein soll. Nach dem Brexit-Referendum war die Kritik daran aus Deutschland immer deutlicher geworden. Denn eine gemeinsame Börse mit Sitz außerhalb der EU – nach dem Austritt der Briten – hätte sich auch außerhalb der europäischen Regulierung befunden. Dass die Deutsche Börse nach dem Brexit-Referendum ihre Strategie nicht geändert habe, das sei ein Fehler gewesen, meinen Beobachter.

    Innerhalb Europas dürfte es schwierig werden, einen anderen Fusionspartner zu finden, glaubt Finanzexperte Schalast. Aber vielleicht richtet sich der Blick der Deutschen Börse jetzt wieder über Europa hinaus.

    Es wäre der dritte Fusionsversuch der beiden Börsen, der scheitert – nach 2000 und 2004. 2012 war die Übernahme der New Yorker Börse geplatzt.

    Die Fusion hatte Kengeter als „gottgewollt“ bezeichnet

    In einer globalen Welt zähle Größe, das sei die „industrielle Logik“, hatte Börsenchef Carsten Kengeter immer wieder argumentiert. Im März vergangenen Jahres hatte er die Börsenfusion mit der LSE gar als „gottgewollt“ bezeichnet. Vor den Aktionären hatte er bei der Hauptversammlung im Mai eine Börsenorganisation als Netzwerkunternehmen bezeichnet wie etwa YouTube oder booking.com. Je mehr Nutzer, desto höher ihr Wert. Durch Übernahmen lasse sich diese Größe schneller erreichen. Kengeters Vorgänger Reto Francioni, hatte nach der gescheiterten Übernahme 2012 eingestanden, man könne auch organisch wachsen.