Berlin. Die Deutschen besitzen tonnenweise Schmuck. Aber was genau passiert eigentlich, wenn man sein Altgold verkauft?

Wer in der Berliner Filiale des Goldhändlers Degussa seine goldenen Erbstücke loswerden will, muss an Wojciech Pacek vorbei. Behutsam hält er die goldenen Ringe, Ketten und Armbänder seiner Kunden in seinen Händen.

Das goldene Armband hier komme aus Italien, sagt er. „750er Gold. Das erkennt man sofort.“ Nach 30 Jahren als Goldschmied könne er nicht nur mit Sicherheit die Verarbeitung und den Gelbton des Materials erkennen – er könne den Goldanteil in jedem Schmuckstück sogar riechen. Das verglaste Büro von Pacek ist das Herzstück des Goldankaufs der Berliner Filiale. Hier entscheidet sich, wie viel die Kunden für ihren alten Goldschmuck bekommen. Und ob es sich überhaupt um Gold handelt.

Mehr als 8700 Tonnen in deutschen Haushalten

Die Deutschen besitzen so viel Gold wie noch nie. In Zeiten niedriger Zinsen setzen viele Menschen auf Werte, die sie anfassen können. Das fand eine Befragung der Steinbeis-Hochschule heraus. Mehr als 8700 Tonnen Goldschmuck, Barren und Münzen liegen demnach in deutschen Haushalten. Etliche Tonnen davon sind ständig in Bewegung.

Dass nicht alles Gold ist, was glänzt, weiß niemand besser als Goldschmied Pacek. Um sicherzugehen, dass er es mit echtem Gold zu tun hat, unterzieht er jedes Schmuckstück, das auf seinem Tisch landet, einer ausführlichen Prüfung. Manchmal bleibt davon nur noch Goldschrott übrig. Zuerst wiegt er das italienische Armband und errechnet, welchen Wert es anhand des aktuellen Goldpreises hat.

Auf dem Schreibtisch steht die Guillotine

Auf der Website von Degussa, dem größten deutschen Altgoldhändler, wird der Preis alle fünf Minuten aktualisiert. Danach wird es technisch. Mit einem Röntgen-Fluoreszenz-Gerät prüft er die Zusammensetzung der Oberfläche. Ein Blick auf die Anzeige und Pacek nickt zufrieden. 75 Prozent Goldanteil, so wie er gesagt hat.

Um ganz sicherzugehen, muss er dennoch manchmal fest zupacken. Dann geht er in die Ecke hinter seinem Schreibtisch. Dort steht die Guillotine. Ungerührt legt er zum Beweis einen goldenen Anhänger darunter und drückt den Hebel. Das Schmuckstück fällt in zwei Teile auseinander. „Ich würde nie ein Kunststück zerstören“, sagt der studierte Kunsthistoriker Pacek. Aber er habe schon viele Fälschungen gesehen.

Kein Platz für Sentimentalitäten

Auf seinem Computer speichert Pacek etliche Bilder von Münzen, Ketten und Medaillen, die nur von außen nach Gold aussehen. Sie sind nur vergoldet, innen haben sie einen Kern aus einem anderen, weniger wertvollen Metall. „Hätten wir das gekauft, wäre das ein Verlustgeschäft“, sagt er. Das komme aber selten vor, sagt Filialleiter Tobias Kascha. In 99 Prozent der Fälle liege der Goldschmied mit seiner Schätzung richtig.

Für Sentimentalitäten ist bei den Goldankäufern kein Platz. Aus dem italienischen Armband soll ein neuer Ehering, eine Münze oder ein Barren geschmolzen werden. Dafür schickt die Firma das angekaufte Gold in eine Scheideanstalt. In der Goldstadt Pforzheim gibt es gleich mehrere solcher Anstalten, in denen Gold von anderen Metallen wie Silber, Platin, Kupfer und Zink getrennt wird. Zu den größten zählt die Allgemeine Gold- und Silberscheideanstalt Agosi. Neben Materialresten zum Beispiel aus der Industrie hat die Firma im vergangenen Jahr rund 30 Tonnen Altgold eingeschmolzen, sagt Stefan Cravaack, der Vertriebsleiter des Scheidegeschäfts. Das meiste davon komme von Filialen, die Gold ankaufen.

Der Schmuck wird wieder zu Barren geschmolzen

Aus den alten Goldschmuckstücken soll nun wieder reines Gold gewonnen werden. Dazu wird bei Agosi die ganze Lieferung zu einem großen Stück eingeschmolzen. „Für Altgold, also Altschmuck, ist das Einschmelzen immer zwingend notwendig“, sagt Craavack. In den Schmucklieferungen seien häufig viele verschiedene Goldanteile. Durch das Einschmelzen vermischen sich das Gold und die anderen Metalle. Nach einer Probebohrung lässt sich dann analysieren, wie viel der gelieferte Goldschmuck wert ist und der Händler für seine Lieferung bekommt.

Das eingeschmolzene Gold ist noch längst kein Goldbarren. Im nächsten Schritt wird das Schmelzstück in einer Säure, dem Königswasser, aufgelöst, erklärt Miriam Torbeck, Geschäftsführerin der Norddeutschen Edelmetall Scheideanstalt in Norderstedt. In dem sogenannten Königswasser fallen die einzelnen Edelmetalle nacheinander aus. Erst Silber, dann Gold, dann weitere Metalle. Heraus kommt Goldsand, der zu Barren, Münzen und neuem Schmuck verarbeitet wird. Laut Steinbeis-Hochschule investieren die Deutschen immer mehr in Barren und Münzen.

Ehering: Preis egal, Hauptsache weg

Der Verkaufsschlager in der Berliner Degussa-Filiale sieht aus wie ein goldenes Smartphone – nur, dass es ein Kilo wiegt und aktuell mehr als 37.000 Euro wert ist. Einige Kunden interessieren sich aber vor allem für eines: Wie sie ihren Ehering loswerden können. Als Filialleiter Kascha einem Mann erklären wollte, wie der Preis zustande kommt, winkte der Kunde nur ab und sagte: „Hauptsache, Sie schmelzen ihn ein!“