Berlin. Der frühere VW-Chef Martin Winterkorn tritt im Ausschuss zu den Abgasmanipulationen auf. Wird er zur Aufklärung des Skandals beitragen?

Herbert Behrens wirkt wie jemand, den so schnell nichts aus der Ruhe bringt. Kommt das Gespräch auf den VW-Abgasskandal, dann bleibt der Linke-Politiker auch äußerlich ruhig. Aber mit leiser Stimme und fast beiläufig sagt Behrens, dass ihn der Skandal „fassungslos“ mache. Für einen Norddeutschen ist das ziemlich viel Empörung. Behrens ist der Vorsitzende des Bundestags-Untersuchungsausschusses, der den Abgasskandal aufklären soll. An diesem Donnerstag soll dort der wohl prominenteste Zeuge vernommen werden: Martin Winterkorn, ehedem VW-Chef.

Seit Ende September 2015, als er von seinem Posten zurücktrat, hat Winterkorn sich nicht mehr öffentlich geäußert. Die Erwartungen sind entsprechend hoch: „Herr Winterkorn ist die zentrale Figur im Abgasskandal“, sagt Ausschuss-Vorsitzender Behrens. Er könne wesentlich zur Aufklärung des Skandals beitragen.

Behrens: Schweigen ist Schuldgeständnis

Der Vorsitzende des Abgas-Untersuchungsausschusses des Bundestags, Herbert Behrens (Linke).
Der Vorsitzende des Abgas-Untersuchungsausschusses des Bundestags, Herbert Behrens (Linke). © dpa | Rainer Jensen

Winterkorn müsse erklären, was er wann gewusst habe. „Dass er nichts gewusst hat und dass ihn das Management nicht informiert hat, ist schlicht nicht vorstellbar. Dann hätte er damals als Vorstandschef versagt.“ Behrens zieht den Schluss: „Wenn Winterkorn im Ausschuss die Aussage verweigert, dann ist das als Schuldanerkenntnis zu werten.“

Dass Winterkorn persönlich erscheinen wird, darüber bestand am Dienstagabend im Bundestag kein Zweifel. Wie viel er bei seiner Vernehmung sagen wird, ist offen. Noch ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn. Der Verdacht: Der VW-Vorstand hat Öffentlichkeit und Anleger zu spät über die Folgen der manipulierten Abgaswerte informiert und damit den Kurs der Aktie beeinflusst.

Wie offen wurde über Software gesprochen?

Auch der Vizevorsitzende des Untersuchungsausschusses, der Grüne Oliver Krischer, will von Winterkorn wissen, „wie der Skandal entstehen und wie die Software in die Motoren gelangen konnte“. Entweder der Vorstandschef habe von der Software gewusst oder müsse erklären, „wieso Ingenieure eine so wichtige Entscheidung ohne Wissen des Chefs treffen können“.

Entscheidend wird ein Datum sein, das in den Dokumenten der US-Ermittlungsbehörden auftaucht: Am 27. Juli 2015 soll es in Wolfsburg eine Besprechung über Probleme in den USA gegeben haben – in Gegenwart von Winterkorn und VW-Markenchef Herbert Diess. Die Frage ist, wie offen dabei über die Schummel-Software gesprochen wurde.

Strukturelles Problem beim Staat?

Die „Bild am Sonntag“ zitierte jüngst einen VW-Mitarbeiter mit den Worten: „Wir haben darüber gesprochen, dass etwas Illegales in unsere Autos installiert wurde.“ Nach Angaben von VW sind Details des Treffens nicht mehr rekonstruierbar. Der Konzern behauptet nach wie vor, der Vorstand habe erst am 3. September 2015 von der illegalen Software erfahren.

Behrens geht es nicht nur um VW, sondern auch um die Arbeit des Staats: „Der Abgasskandal wäre früh erkennbar gewesen“, glaubt er. „Die zuständigen Behörden haben aber nicht über die eigene Schreibtischkante hinausgedacht.“ Es habe zwar objektiv niemand etwas falsch gemacht, doch gebe es ein strukturelles Problem.

Grüne wollen unabhängige Tests

„Es gab Hinweise an das Bundesumwelt- und das Verkehrsministerium, dass Abgaswerte vermutlich manipuliert werden. Es ist aber niemand diesen Hinweisen nachgegangen“, sagt Behrens. In den USA hätten die Prüfbehörden zwar auch keine unschlagbaren Beweise gehabt, „aber VW war so sehr in die Ecke getrieben, dass der Konzern die Manipulationen einräumen musste“.

Ausschussvize Krischer zieht daraus den Schluss: „Es muss eine europäische Behörde für die Zulassung von neuen Fahrzeugen und Motoren geben.“ Nötig seien unabhängige Tests der Fahrzeuge. Und: „Es kann nicht sein, dass Autohersteller ihre Fahrzeuge in Malta oder Luxemburg zulassen.“