Berlin. Fast jeder kennt die Vorwürfe von Eltern oder Chefs: Früher wurde härter gearbeitet. Aber lässt sich das wissenschaftlich belegen?

Eine Studie der Wayne State University im US-Bundesstaat Michigan hat jüngst untersucht, ob es verschiedene Einstellungen zur Arbeitsmoral in einzelnen Generationen gibt. Die Studie stellt die Frage, die seit Jahrzehnten für Diskussionen zwischen Eltern und Kindern sowie Ausbildern und Lehrlingen sorgt: Waren die Menschen früher fleißiger und haben mehr für die Arbeit getan?

Die Wissenschaftler um Keith L. Zabel haben für ihre Arbeit unter dem Titel „Generational Differences in Work Ethic: Fact or Fiction?“ („Generationenunterschiede in der Arbeitsethik: Fakt oder Fiktion?“) nach eigenen Angaben alle verfügbaren größeren Studien zusammengefasst und statistisch ausgewertet. Bisherige Studien sahen mal ältere Generationen, mal jüngere Gruppen bei der Arbeitsmoral vorne. Zabel wollte die Frage ein für alle Mal klären – und kam tatsächlich zu einem eindeutigen Ergebnis.

Keine Generation ist überlegen

Nach seiner Betrachtung weist keine der untersuchten Generationen eine höhere Arbeitsmoral auf. Zabel entlarvt damit den Mythos von der direkten Nachkriegsgeneration, die die Wirtschaft mit eiserner Disziplin ankurbelte. Wissenschaftlich betrachtet hatte diese Generation nämlich keine bessere Einstellung zur Arbeit als Folgegenerationen. Dieser Befund ist jedoch kein Grund zum Jubeln für jüngere Jahrgänge – moderne Technik und jugendlicher Elan reichen nicht aus, um sich im Wettbewerb gegen die Älteren durchzusetzen.

Das hat auch damit zu tun, dass der Begriff Arbeitsmoral vielschichtig ist. Während die Begriffe Arbeitsmoral und Arbeitsethik im Deutschen eher von preußischen Tugenden wie Fleiß und Pünktlichkeit geprägt sind, sind die Begriffe in der internationalen Forschung viel weiter gefasst. So zählen Teamfähigkeit, Selbstverwirklichung durch Arbeit, Sinnhaftigkeit von Arbeit und das Verhältnis von Arbeit zu Freizeit als Faktoren dazu.

Diese Generationen stehen im Fokus der Zabel-Studie

Die Generationen, die an der Wayne State University betrachtet wurden, sind die Baby Boomer (geboren von 1946-1964), die Generation X (1965-1980) und die so genannten Millennials (1981-1999). Alle drei Gruppen weisen der allgemeinen Forschung zufolge unterschiedliche Merkmale auf:

Rebellisch gegen gesellschaftliche Strukturen, aber eher brav auf der Arbeit: die Baby-Boomer.
Rebellisch gegen gesellschaftliche Strukturen, aber eher brav auf der Arbeit: die Baby-Boomer. © imago/Westend61 | imago stock&people

Baby-Boomer wissen demnach handwerkliche Arbeit eher zu schätzen. Zudem haben sie sich in Krisenzeiten eher gegen den Staat aufgelehnt als gegen Strukturen am eigenen Arbeitsplatz. „Früher sind die Menschen gegen den Vietnamkrieg auf die Straße gegangen aber haben dem Chef gehorcht“, sagt Stefan Diestel von der International School of Management in Dortmund im Gespräch mit unserer Redaktion. Diestel hat lange zu Fortbildungsmaßnahmen in der Arbeitswelt geforscht und dabei auch altersspezifische Programme hinterfragt.

Der Generation X wird nachgesagt, feste Strukturen zu schätzen.
Der Generation X wird nachgesagt, feste Strukturen zu schätzen. © imago/Westend61 | imago stock&people

Die Generation X wird dadurch charakterisiert, dass sie viel Wert auf Heimat, Familie und langfristige Beziehung legt; sowohl in der Arbeitswelt wie auch im Privatleben. Deshalb ist der Generation X auch eine ausgewogene Balance zwischen Arbeits- und Freizeit wichtig. Technik ist für diese Generation ein notwendiges Instrument, um Arbeit zu erledigen. Gleichzeitig ist diese Generation aber geprägt von ungezügelter Wirtschaft nach Ende des Kalten Krieges.

Den Blick in die Zukunft und auf Technik gerichtet: die Millennials.
Den Blick in die Zukunft und auf Technik gerichtet: die Millennials. © imago/Westend61 | imago stock&people

Die Millennials haben eine hohe Zuversicht in Zukunft und Technik. Diese gilt fast schon als Allheilmittel für Probleme. Der jungen Generation sind Teamfähigkeit und Zivilcourage wichtig. Sie hinterfragt Arbeitsprozesse, Job-Garantien haben nicht den Vorrang vor Selbstverwirklichung. Laut Stefan Diestel stellt sich die junge Generation die Frage: Halten Führungskräfte ihre ethischen Prinzipien ein? Ist dies der Fall, hat das direkt Auswirkungen auf die Arbeitsmoral der Belegschaft, belegen Studien. Für die Millennials gilt generell das Credo: An Problemen wird nicht gearbeitet, sondern man umgeht sie lieber. Das erklärt zum Teil auch eher flüchtige private Beziehungen.

Bruttosozialprodukt stetig gestiegen – trotz angeblicher Faulheit

In einigen zentralen Faktoren der Arbeitsmoral gibt es laut der aktuellen Studie also enorme Unterschiede, doch diese gleichen sich letztendlich aus. Blickt man auf wirtschaftliche Kennzahlen in Deutschland und den USA, zeigt sich, dass trotz angeblicher Faulheit oder Unfähigkeit einzelner Generationen, das Bruttosozialprodukt (BSP) stetig gestiegen ist. Als die älteren Millennials im Jahr 2011 30 Jahre alt wurden, lag das BSP in den USA und Deutschland sieben- beziehungsweise achtfach so hoch wie im Jahr 1976. Damals wurden die ersten Baby-Boomer in beiden Ländern gerade 30 Jahre alt.

Doch bei aller Unterscheidung kommt hinzu, dass allen Generationen etwas gemeinsam ist. Egal ob 18-jähriger Auszubildender oder 62-jähriger Meister kurz vor der Rente: alle stehen unter einem gewissen Druck. Unsere Arbeitswelt ist durchsetzt von Performance-Kriterien. Alles wird gemessen: wie schnell wir eine Aufgabe erledigen, wie viel Geld wir damit machen, wie viel besser unser Kollege die Aufgabe erfüllt. Dieser Druck macht sich schon jetzt bemerkbar. Und auch er ist messbar.

53 Prozent aller Deutschen klagen über Arbeitsdruck

Laut dem Arbeitszeitreport des Bundesamts für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin fühlen sich 13 Prozent der Befragten von ihrer Arbeit überfordert, 53 Prozent klagen über Arbeitsdruck. Viele arbeiten mehr als vertraglich vorgeschrieben und genau diese Personen verzichten auch noch auf Urlaub oder Freizeitausgleich bei Überstunden. Dieser Druck und die Anforderungen an den modernen Arbeitsmarkt lassen sich unter anderem mit vernünftiger Aus- und Fortbildung regeln.

Bei diesen Fortbildungen wiederum, dürfe es durchaus Unterschiede zwischen den Generationen geben, so Stefan Diestel. So haben jüngere Arbeitnehmer andere Motivationen zur Arbeit als ältere. Ein Arbeitnehmer in seinen 20er-Jahren versucht vielleicht noch möglichst viel Geld und einen hohen Status zu erreichen. Ältere Arbeitnehmer haben aber eher das Ziel, ihr Wissen weiterzugeben und gebraucht zu werden. Darauf müssten auch Arbeitgeber eingehen.

Trennung nach Alter kann Belegschaften sprengen

Doch Diestel sieht auch Gefahren. Und zwar dann, wenn bei jeglichen Fortbildungen zwischen Generationen getrennt wird. „Wenn es um klassische Soft-Skills geht, würde ich davor warnen, nach Generationen zu trennen. Das kann eine Belegschaft sprengen“, sagt der Forscher. Am Ende müssten sich alle Arbeitnehmer fragen: Kann ich selbstbestimmt meine Arbeit erledigen?

Das ginge, wenn man autonom arbeiten kann und selbst entscheiden kann, wie man Aufgaben erfüllt. Zudem müsste es soziale Beziehungen auf der Arbeit geben, die bewirken, dass man Kollegen Aufgaben und Probleme anvertrauen kann. Und zu guter letzt müsse Leistung auch anerkannt werden – und zwar durch anspruchsvolle Projekte, Lob, aber eben auch in Form des Gehaltes.