Berlin. Auf die sechs Millionen Versicherten privater Krankenkassen kommen höhere Beiträge zu: Sie müssen künftig etwa elf Prozent mehr zahlen.

Privat Krankenversicherte müssen sich in diesem Herbst auf kräftige Erhöhungen ihrer Beiträge einstellen. Für etwa zwei Drittel aller 8,8 Millionen Privatversicherten in Deutschland werden die Policen im November durchschnittlich um elf Prozent steigen, berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Dadurch kommen auf sechs Millionen Betroffene Zusatzkosten von mindestens 50 Euro im Monat zu. Die Anhebungen variieren je nach Versicherung und Anbieter.

Höhere medizinische Kosten und niedrige Zinsen

Bei den Erhöhungen handelt es sich nach Angaben des Verbands der Privaten Krankenversicherungen (PKV) um eine „historische Ausnahmesituation“. Gleich mehrere Faktoren sorgen für den überdurchschnittlichen Beitragsanstieg: So hätten sich die Kosten wegen des medizinischen Fortschritts um mehr als zehn Prozent erhöht, gleichzeitig sei die Lebenserwartung um fünf Prozent gestiegen, sagte eine Verbandssprecherin.

Zudem sorge die Niedrigzinsphase für eine schlechtere Verzinsung der milliardenschweren Rückstellungen. Die Anpassungen treffen nicht nur Vollversicherte, sondern auch gesetzlich Versicherte mit Zusatzversicherungen, bei denen verzinsliche Altersrückstellungen eine Rolle spielen. Dazu zählen zum Beispiel Krankentagegeld- und Krankenhauszusatzversicherungen oder Versicherungen für Chefarztbehandlungen.

Kein Anlass für Rettungspakete für Privatversicherungen

„Was am Kapitalmarkt nicht zu erwirtschaften ist, muss – so ist es gesetzlich vorgeschrieben – durch eine Erhöhung der Vorsorge ausgeglichen werden“, begründete PKV-Direktor Volker Leienbach die bevorstehenden Beitragssteigerungen. Davon seien Privatversicherte jetzt ebenso betroffen wie andere Sparer auch. „Ohne die Auswirkungen der Niedrigzinsen wäre die PKV-Beitragsentwicklung auch in diesem Jahr unauffällig geblieben.“

Für gesetzliche Änderungen zur Entlastung der privaten Krankenkassen sieht der Gesundheitsexperte der SPD, Karl Lauterbach, derzeit dennoch keinen Anlass: „Ich sehe nicht, warum wir Rettungspakete für die Privatversicherung schnüren sollten. Wir sind doch nicht die Knechte der PKV-Lobby.“ Der Sozialdemokrat macht sich vielmehr für eine Bürgerversicherung für alle stark. „Die aktuelle Entwicklung zeigt wieder einmal wie wichtig es wäre, diesen Schritt endlich zu gehen“, sagte Lauterbach unserer Redaktion.

Über 55 Jahren ist der Wechsel fast ausgeschlossen

Wer jetzt aus Kostengründen in eine eventuell preiswertere gesetzliche Krankenversicherung (GKV) wechseln möchte, hat dafür kaum Chancen. Denn, wer sich einmal für eine Privatversicherung entschieden hat, kommt nur schwer in eine GKV zurück. Nur wer arbeitslos wird, ein Studium aufnimmt oder seine Selbstständigkeit aufgibt, hat die Möglichkeit, in eine gesetzliche Krankenkasse zu wechseln, erläutert eine Verbandssprecherin.

Angestellte kommen in die GKV nur dann zurück, wenn ihr regelmäßiges Bruttoeinkommen unter 56.250 Euro im Jahr sinkt – und damit unter die Versicherungspflichtgrenze fällt. Dies kann passieren, wenn Arbeitnehmer ihre Stundenzahl verringern oder einen Teil ihres Verdienstes in eine betriebliche Altersvorsorge von bis zu 2976 Euro umwandeln. Für Menschen über 55 Jahre ist ein Wechsel unterdessen fast ausgeschlossen. Eine Ausnahme besteht nur, sofern sie weniger als 415 Euro monatlich verdienen oder einen Minijob von maximal 450 Euro ausüben – und dann in der Familienversicherung des Partners aufgenommen werden können.