Frankfurt/Main. Bundesregierung und Deutsche Bank dementieren Berichte über Notfallpläne – aber in Finanzkreisen wächst die Angst vor einem Kollaps.

Steht das deutsche Finanzsystem vor einem Kollaps? Die Nachrichten von Deutscher und Commerzbank verstärken die Sorge.

Was ist das Problem der Deutschen Bank?

Die Deutsche Bank ist in turbulentes Fahrwasser geraten, seitdem das US-Justizministerium ihr eine Strafe von 14 Milliarden Dollar angedroht hat. Diese wird wegen unlauteren Hypothekengeschäften in den USA fällig. Allerdings hofft die Bank, diese Strafe noch herunterhandeln zu können.

Warum sorgen sich Anleger?

Viele Anleger sind nicht sicher, ob es der Bank gelingt, die Strafe zu mindern. Denn das Institut hat nur 5,5 Milliarden Euro für die Beilegung aller ausstehenden Rechtsstreitigkeiten zurückgelegt, es stehen aber noch zahlreiche weitere aus.

Sollte die Bank tatsächlich 14 Milliarden Dollar bezahlen müssen, könnte das ihre finanzielle Tragfähigkeit überfordern. Eine Kapitalerhöhung könnte also doch nötig werden. Staatshilfe lehnt die Bank jedoch ab und die Bundesregierung hat dementiert, dass sie an Notfallplänen arbeite.

Wie glaubhaft sind die Dementis?

Sollte es hart auf hart kommen, dürfte das „Nein“ der Bundesregierung nur vorläufig sein. Denn in einem Fall wie der Deutschen Bank würde der Staat wohl keine Pleite riskieren wollen, dazu ist die Deutsche Bank zu groß und zu „systemrelevant“, sie könnte also andere mit in den Abgrund reißen und das Finanz- und Wirtschaftssystem mit erschüttern.

Mit einem Einstieg könnte der Staat zudem Einfluss auf die künftige Struktur der Bank nehmen und sie wirklich fit für die Zukunft machen.

Betrifft das auch die Commerzbank?

Anders als die Deutsche Bank kämpft die Commerzbank nicht mit hohen Strafzahlungen. Aber sie hat sich gerade erst aus dem Tief nach der Finanzkrise herausgearbeitet. Deshalb trifft sie der „brutale Umbruch“ am Bankenmarkt, den der neue Commerzbank-Chef Martin Zielke beklagt, besonders hart.

Warum ist die Lage so dramatisch?

Als Lehre aus der Finanzkrise haben die Aufseher die Zügel strenger angezogen und den Banken vorgeschrieben, deutlich mehr Kapital vorzuhalten, damit sie im Risikofall einen Puffer haben. Außerdem werden sie von den Regulatoren strenger beaufsichtigt. Deshalb sind mehr Mitarbeiter als früher mit der Einhaltung dieser Auflagen beschäftigt.

Außerdem müssen die Geldhäuser kräftig investieren: Sie müssen ihre Geschäftsabläufe digitalisieren. Diese Investitionen kosten viel Geld. Und schließlich ist es viel schwieriger als früher, Geld zu verdienen. „Die Ertragskraft der deutschen Banken ist gering, und die Niedrigzinsen reduzieren die Gewinne der Banken zusätzlich“, sagte ifo-Präsident Clemens Fuest. „Wenn diese Situation anhält, steigen die Risiken einer Krise.“

Was erschwert das Geschäft?

Die Lage am Kapitalmarkt hat sich geändert. Wurden früher die Spareinlagen der Kunden, die eine Bank nicht als Kredite vergeben konnte, in Staatsanleihen geparkt, konnte man damit eine Zinsdifferenz von zwei bis drei Prozent, manchmal gar vier Prozent verdienen. Das sei heute nicht mehr möglich, erklärt Robert Halver, Anlagestratege der Baader Bank: „Heute sind die meisten deutschen Staatspapiere mit negativer Rendite versehen.“ Das bedeute: Banken verdienen nichts mehr. Und die Deutschen sind Aktienmuffel, deshalb können Banken auch damit kaum Geld verdienen.

Wie schätzen Experten die Lage ein?

„Ich hoffe, dass die Bundesregierung einen Notfallplan erstellt“, sagte etwa Oliver Roth, Börsenchef von Oddo Seyd­ler. „Denn es wäre unverantwortlich von der Bundesregierung, die Augen davor zu verschließen, dass hier ein Bedrohungsszenario herrscht.“ Er glaube aber, dass die Deutsche Bank dieses Szenario nicht entstehen lassen werde. Ähnlich Robert Halver von der Baader Bank: „Seit 2008/2009 hat jede Regierung eines Landes mit großen ansässigen Banken einen Notfallplan in der Tasche“, sagte er. Denn der Kollaps einer großen Bank könne das ganze Finanzsystem eines Landes ins Wanken bringen.

Verbale Hilfe bekam die Deutsche Bank von der Bank of England. Deren Vizepräsidentin, Minouche Shafik, warnte vor voreiligen Vergleichen. Es gebe keine direkten Parallelen zwischen der Deutschen Bank und der 2008 zusammengebrochenen US-Investmentbank Lehman Brothers, sagte Shafik und zog damit einen Vergleich, bei dem nicht nur in Frankfurt die Sorge wächst.