Berlin. Vor manipulativen Partnern wird überall gewarnt, und doch sind sie nicht immer zu erkennen. Denn Manipulation geschieht meist subtil.

  • Wie kann man Manipulation in Beziehung erkennen?
  • Zwei Experten erklären im Gespräch mit unserer Redaktion, wie unterschiedlich Menschen ihren Partner manipulieren können
  • Doch an welchen Signalen erkennt man einen manipulierenden Partner?

Die Liebe gehört zu den schönsten Gefühlen der Welt. Doch manchmal verstellt die rosarote Brille den Blick auf Warnzeichen für schädliche Verhaltensmuster. Zwei Experten verraten, warum der Grat zwischen Liebe und Manipulation oft sehr schmal ist.

Beziehung: Warum manipulieren Menschen?

Eigentlich ist es ganz einfach: Wer manipuliert, will seine Ziele durchsetzen, erklärt Eckhard Roediger, Psychiater und Arzt für Psychotherapeutische Medizin in Frankfurt. Jeder Mensch sei in gewisser Weise manipulativ, wenn es darum gehe, seine Interessen durchzusetzen. Selbst Kinder, so Roediger, „manipulieren“ von Geburt an: Sie schreien, wenn sie ein Bedürfnis haben – zum Beispiel bei Hunger.

Dr. med. Eckhard Roediger ist Neurologe, Psychiater und Arzt für Psychotherapeutische Medizin mit tiefenpsychologischer und verhaltenstherapeutischer Ausbildung in Frankfurt. Neben seiner medizinischen Tätigkeit ist er Autor zahlreicher Bücher, etwa des Paarratgebers „Passt doch! Paarkonflikte verstehen und lösen mit der Schematherapie“.
Dr. med. Eckhard Roediger ist Neurologe, Psychiater und Arzt für Psychotherapeutische Medizin mit tiefenpsychologischer und verhaltenstherapeutischer Ausbildung in Frankfurt. Neben seiner medizinischen Tätigkeit ist er Autor zahlreicher Bücher, etwa des Paarratgebers „Passt doch! Paarkonflikte verstehen und lösen mit der Schematherapie“. © Eckhard Roediger | Eckhard Roediger

Die Dosis macht das Gift, sagt der Psychiater. „Es geht darum, inwieweit ein Mensch bei der Durchsetzung seiner Interessen auf die Bedürfnisse anderer Rücksicht nimmt und wie offen er für faire Lösungen ist. Erst wenn der manipulative Partner die Bedürfnisse des Anderen zu seinen Gunsten verletzt, wird er ungerecht und, wenn man so will, giftig“.

Beziehung: Wie erkennt man einen manipulierenden Partner?

Der beste Weg, einen manipulierenden Partner zu erkennen, ist, auf die eigenen Gefühle zu achten, meint Eckhard Roediger. "Manipulation zeichnet sich dadurch aus, dass eine Person die andere dazu bringen will, etwas zu tun, was letztlich mehr in ihrem Interesse als im Interesse der anderen Person liegt. Dieser Druck wird bewusst oder unbewusst wahrgenommen und löst im Körper eine leichte Angstreaktion aus".

Meist mache sich dieses Gefühl als Enge in der Brust oder als flaues Gefühl im Magen bemerkbar, sagt Roediger. Manchmal sei es aber auch ein leichtes Verkrampfen im Schulter-Nacken-Bereich, so als wolle man den Kopf einziehen. "Betroffene sollten diese Signale ernst nehmen und genau hinschauen: Will ich das wirklich, was der Partner von mir oder mit mir will?"

Neben den Gefühlen mische sich meist auch ein "innerer Bewerter" ein, der Einfluss auf die Manipulierten nehme, warnt der Psychiater: "Der innere Kritiker könnte sagen: Wenn du nicht mitmachst, wird er oder sie noch wütender und lässt dich das spüren. Also verhalte dich nicht so!" Der Feind sitze also nicht nur außerhalb, sondern auch im eigenen Kopf.

Weitere Merkmale eines toxischen Partners sind:

  • Schuldzuweisungen
  • Abwertung der Gefühle des Partners
  • ständige Kritik
  • Schaffen einer Atmosphäre von Unsicherheit und Abhängigkeit.

Welche Manipulationstechniken gibt es?

Manipulierende Menschen setzen oft eine ganze Palette von Manipulationstechniken ein, um ihr Gegenüber unter Druck zu setzen, beobachtet Arzt und Psychiater Roediger. „Sie alle zielen auf das Bindungsbedürfnis des Menschen, das die innere Grundlage dafür ist, mit anderen Menschen in Beziehung zu treten.“ Menschen, die als Kind allein gelassen wurden, hätten ein besonders starkes Bedürfnis danach und eine ebenso große Angst davor, verlassen zu werden. Hier liege das Einfallstor für Manipulationsstrategien.

Gaslighting

Eine häufig angewandte Manipulationsstrategie ist das „Gaslighting“. Namensgeber ist das Theaterstück „Gas Light“ von 1938, in dem ein Mann seine Frau mit grausamen psychologischen Tricks an den Rand des Zusammenbruchs treibt. Heute lässt sich der Begriff, der es von Hollywood bis in die psychologischen Lehrbücher geschafft hat, als „psychologische Manipulationstechnik“ beschreiben, sagt der emotionsfokussierte Paartherapeut Andreas Kirsche aus Hamburg.

Der Paartherapeut, der sich auf Eheberatung, Beziehungs- und Sexualtherapie spezialisiert hat, erklärt die Technik so: „Gaslighting zielt darauf ab, die Wahrnehmung einer Person zu verzerren oder in Frage zu stellen. Das geschieht, indem wiederholt falsche Informationen präsentiert oder Ereignisse geleugnet werden, die tatsächlich stattgefunden haben.“ Am Ende könnten die Geschädigten nicht mehr zwischen Wahrheit und Schein unterscheiden und würden oft sogar an ihrem eigenen Verstand zweifeln.

Das ist Gaslighting

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    Love Bombing

    Love Bombing ist von der Methode das genaue Gegenteil von Gaslighting, von der Absicht aber genauso manipulativ“, sagt Kirsche. Die Manipulationsstrategie bestehe darin, jemanden mit übertriebener Aufmerksamkeit, Zuneigung und Bewunderung zu überschütten. Ziel sei es, die Person emotional abhängig zu machen und eine starke Bindung aufzubauen, erklärt der Paartherapeut und fügt hinzu: „Sobald die Bindung gefestigt ist, kann der Manipulator diese Aufmerksamkeit als Mittel einsetzen, um persönliche Ziele zu erreichen oder zu bestrafen.“

    Andreas Kirsche ist Paartherapeut in Hamburg. Seine Schwerpunkte liegen in der Eheberatung und der Sexualtherapie liegen. Darüber hinaus bietet er Beziehungscoaching an, das Paaren die Möglichkeit gibt, die Herausforderungen einer langjährigen Partnerschaft langfristig und strategisch anzugehen.
    Andreas Kirsche ist Paartherapeut in Hamburg. Seine Schwerpunkte liegen in der Eheberatung und der Sexualtherapie liegen. Darüber hinaus bietet er Beziehungscoaching an, das Paaren die Möglichkeit gibt, die Herausforderungen einer langjährigen Partnerschaft langfristig und strategisch anzugehen. © Guido Kollmeier | GUIDO KOLLMEIER

    Silent Treatment

    Der Begriff „Silent Treatment“ bedeutet übersetzt „ Schweigebehandlung“ und ist eine Form der emotionalen Bestrafung und Kontrolle, erklärt Paartherapeut Kirsche. Dabei nehme eine Person in einer Beziehung, einem Gespräch oder einem Streit eine starre Haltung ein, indem er oder sie sich nicht am Austausch beteiligt und schweigt. Beim Silent Treatment werden die Gesprächspartner oder -partnerinnen also zu Luft.

    Kirsche erklärt: „Die Person, die das Silent Treatment durchführt, bestraft mit diesem Verhalten den Partner oder die Partnerin und löst ein Gefühl der Isolation und Hilflosigkeit aus“. Nicht selten führe dies auch dazu, dass die Betroffenen den Manipulator um Aufmerksamkeit oder Vergebung anflehen.

    Liebe und Partnerschaft: Welche Menschen sind besonders empfänglich für Manipulation?

    Es gibt Charaktere, die besonders anfällig dafür sind, sich immer wieder auf manipulative Menschen einzulassen, obwohl sie es eigentlich besser wissen. Dazu gehören laut Paartherapeut Kirsche Menschen mit geringem

    Selbstwertgefühl

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      , einem starken Bedürfnis nach Zustimmung und Anerkennung und Menschen, die Konflikten aus dem Weg gehen. Kirsche erklärt: „Diese Menschen sind besonders anfällig, weil sie leichter zu beeinflussen sind, vor allem, wenn der Manipulator ihnen das Gefühl von Liebe, Anerkennung oder Sicherheit gibt, nach dem sie sich sehnen. Sie könnten aber auch wegen ihrer fürsorglichen oder vertrauensvollen Art ausgenutzt werden.

      Allerdings sind nicht nur Empathen und Unsichere anfällig für Manipulation. Auch Menschen, die in ihrer Vergangenheit emotionalen Missbrauch oder Vernachlässigung erlebt haben, könnten manipulative Partner anziehen, da sie möglicherweise gelernt haben, die Bedürfnisse anderer über ihre eigenen zu stellen, so Kirsche.

      Wie kann man sich vor Manipulation schützen?

      Selbstverteidigung gegen Manipulation beginnt mit dem Wissen. Eckhard Roediger empfiehlt Betroffenen daher, bei Anzeichen von manipulativem Verhalten auf ihr „Bauchgefühl“ zu vertrauen, die Signale ernst zu nehmen und vor allem: sich zu wehren. Denn je ängstlicher und abhängiger sich eine Person fühlt, desto weniger Kraft hat sie, sich von der manipulierenden Person abzugrenzen, so der Psychiater. Ähnlich sieht es Paartherapeut Kirsche: „Betroffene sollten sich ihrer eigenen Werte, Bedürfnisse und Grenzen bewusst werden“. Dazu gehöre auch, mal Nein zu sagen und sich darin zu üben, Grenzen klar und deutlich zu kommunizieren.

      In manchen Fällen, so die Experten, kann es auch notwendig sein, sich von der manipulierenden Person zu distanzieren, sich Unterstützung von außen zu holen oder die Beziehung zu beenden – vor allem dann, wenn die Manipulation schwerwiegend oder schädlich ist. „Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass man es wert ist, mit Respekt und Würde behandelt zu werden, und dass es in Ordnung ist, sich aus einer Situation zurückzuziehen, die für das eigene Wohlbefinden schädlich ist“, bringt es Kirsche auf den Punkt, oder wie Roediger es ausdrückt: “Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“.