Berlin. Bei Verbraucherzentralen sind Beschwerden über unseriöse Schlüsseldienste an der Tagesordnung. Ein neuer Service soll dagegen helfen.

Eigentlich wollte der Kunde eines Schlüsseldienstes aus Leipzig nur wieder in seine Wohnung, am Ende war Simon M. seinen Fernseher los. Zumindest vorübergehend: Weil er nicht genug Bargeld im Haus hatte, um die Rechnung von rund 300 Euro zu bezahlen, schätzte der Mitarbeiter des Schlüsseldienste den Flachbildschirm kurzerhand auf 150 Euro und nahm das Gerät als Pfand einfach mit.

„Die Fälle von besonders aggressiven Schlüsseldienstanbietern wie diesem häufen sich. Immer wieder werden Wucherpreise aufgerufen oder besonders aggressiv mit den Kunden umgesprungen oder beides zugleich“, sagt Christina Siebenhüner von der Verbraucherzentrale in Sachsen. Die Zahl der Beschwerden steige kontinuierlich: Während die sächsischen Verbraucherschützer im Jahr 2015 noch 140 Beschwerden verzeichneten, waren es im Jahr 2016 bereits 212 Beratungen und im Jahr 2017 schon 240.

Verbraucherzentralen starten Online-Service

Zwar führen nicht alle Verbraucherzentralen in Deutschland eine eigene Statistik über die Beschwerdezahlen bei dem Thema, doch zeigt eine Umfrage unserer Redaktion: In vielen Bundesländern steigt die Zahl der Betrugsfälle oder ist konstant hoch. Die Preise übersteigen in Extremfällen 1000 Euro.

Daraus ziehen die Verbraucherzentralen nun Konsequenzen: Ein neuer Service soll vor Abzockunternehmen schützen. Unter Federführung der Verbraucherzentrale Brandenburg haben Verbraucherschützer erstmals in ganz Deutschland die Durchschnittspreise in den Bundesländern erhoben. Die Zahlen lagen unserer Redaktion vorab vor.

Preise in ganz Deutschland abgerufen

„Wir haben verdeckt bei rund 600 Schlüsseldiensten in der ganzen Republik angerufen und nach den Preisen gefragt“, sagt Annalena Marx von der Verbraucherzentrale Brandenburg unserer Redaktion. Mitarbeiter aus allen Verbraucherzentralen fragten die Preise für zwei Situationen ab: Einerseits für eine Tür-Öffnung an einem Wochentag zur normalen Öffnungszeit des Anbieters. Andererseits in einer Ausnahmesituation mitten in der Nacht zu einem Sonntag.

Die Ergebnisse: Besonders günstig können Kunden ihre Türen in Thüringen (59 Euro / 103 Euro) und Mecklenburg-Vorpommer (58 Euro / 86 Euro) öffnen lassen. Am meisten Geld zahlen Verbraucher in Baden-Württemberg (80 Euro / 148 Euro), dem Saarland (82 Euro / 120 Euro) und Rheinland-Pfalz (83 Euro / 136 Euro).

„Im bundesweiten Mittel bewegen sich die Preise für eine einfache Türöffnung um die 70 Euro“, sagt Annalena Marx. „Wir wollen den Verbrauchern mit den Zahlen einen Richtwert an die Hand geben, an dem sie sich orientieren können, um nicht unwissentlich viel zu viel zu bezahlen“, so die Expertin. Sehr viel höher liegt der Durchschnitt für das Öffnen in der Nacht: bei 115 Euro. In den Preisen ist die Anfahrt aus der näheren Umgebung enthalten.

Die Methoden der Betrüger funktionieren in allen Bundesländern gleich. „Unserer Erfahrung nach sind insbesondere die ersten Treffer bei Google oft problematisch, vor allem, wenn man mit dem Smartphone ‘Schlüsseldienst’ und dem Wohnort sucht“, sagt Ralph Walther, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale in Thüringen. „Dort werden niedrige Preise – ab 9 Euro – angegeben, es wird Ortsnähe suggeriert und es werden 0800 bzw. Handynummern angegeben“, so Walther.

Renate Künast für Zertifikat zur Kontrolle

Die unseriösen Anbieter optimieren ihre Internetseiten so, dass sie bei Suchmaschinen ganz oben rangieren. Sie geben Telefonnummern aus der Region an, tatsächlich landen die Anrufer aber in einem Callcenter, das sie an weit entfernte Schlüsseldienste vermittelt. Die berechnen dann hohe Anfahrtskosten und andere Zuschläge.

Kritik an den unredlichen Methoden kommt auch aus der Politik. „Das ist ein großes Ärgernis und eine echte Abzocke in einer Notsituation, die abgestellt werden muss. Da es sich oftmals um unseriöse und betrügerische Firmen handelt, ist das aber in der Praxis schwierig“, sagte Renate Künast von den Grünen unserer Redaktion.

Sie fordert: „Wir müssen für die Zukunft zusammen mit den Handwerkskammern den Aufbau eines – kontrollierten – Zertifikats angehen. Das ist nicht einfach, aber eine zentrale Homepage, die zuverlässige Unternehmen benennt, kann ein Anfang sein.“