Bridgetown. Die Einwohner der Karibikinsel Barbados sind stolz auf ihre Unabhängigkeit. Ein Hauch Großbritannien ist aber bis heute geblieben.

Rihannas Reich wirkt von der Straße aus relativ unauffällig. Dicht beblätterte Büsche hinter einem schmiedeeisernen Tor geben nur bedingt den Blick auf das Eingangsportal zu einem imposanten Haus aus hellgrauem Korallenkalkstein frei. In der „Villa One Sandy Lane“, dem laut Maklerangaben „wohl luxuriösesten Gebäude auf Barbados“, soll der weltberühmten Popsängerin („Umbrella“) eine von acht Wohnungen gehören. Die edel ausgestatteten Apartments werden für je knapp 20 Millionen US-Dollar gehandelt.

Direkt neben dem Anwesen führt ein schmaler Weg hinunter zum Traumstrand der Paynes Bay. Die muss sich Rihanna allerdings mit dem Rest der weniger betuchten Welt teilen, denn auf der Karibikinsel sind alle Strände öffentlich zugänglich. Für den Star dürfte dies keine Überraschung sein: Rihanna ist eine „Bajan“ (sprich „Bäidschän“), wie sich die Bewohner von Barbados nennen. Hier auf der Insel würde man die Sängerin, die hauptsächlich in den USA lebt, jedoch unter ihrem ersten Vornamen Robin kennen, verrät Taxifahrerin Ewina bei der Fahrt vorbei am schicken Domizil in Bestlage. Sie komme regelmäßig nach Hause, um zum Beispiel das Crop-over-Fest, den lokalen Karneval, mitzufeiern.

Atemberaubender Luxus bis zur Dekadenzgrenze einerseits, karibische Lebens­freude gepaart mit Stolz und Bodenständigkeit andererseits: Die Gegensätze auf Barbados – mit 470 Quadratkilometern etwa so groß wie Usedom – sind enorm, die Möglichkeiten an Aktivitäten auch. Wer die Kleine-Antillen-Insel auf den üblichen Dreiklang „Palmen, Meer und Strand“ reduziert – und das kann passieren, wenn man als Honeymooner kommt –, bringt sich um jede Menge Aha-Momente. Und um Begegnungen mit liebenswürdigen Menschen wie George Medford.

Der Osten ist die wilde Seite, im Westen sind die schönen Strände

Immer wieder sonntags machen sich der drahtige 74-Jährige mit dem Schlapphut und seine Mitstreiter von der Barbados Hiking Association auf den Weg. Nach Sonnenaufgang wird gewandert, was das Zeug hält. Zu Hunderten stapfen Einheimische und gelegentlich ein paar kundige Touristen durchs Inselin­nere. Die Teilnahme ist kostenlos.

An diesem Tag starten die Gruppen, unterteilt nach Können und Streckenlängen, an Hackleton’s Cliff im Bezirk St. Joseph. Die meisten tragen Funktionskleidung. Eine gute Idee bei hoher Luftfeuchtigkeit, Sonne und knapp 30 Grad. Start und Ziel liegen auf einer Wiese mit Aussicht über die Ostküste von Barbados. Aus der Ferne ist die weiße Gischt des dunkelblauen Atlantiks zu erkennen, der an die kaum bebauten Ufer schlägt. Der Osten ist die wilde Seite von Barbados. Im Westen dagegen plätschert die karibische See türkisblau an die schönen Strände, an denen sich teure Hotels, Fischrestaurants, Strandcafés und bezahlbare Gästehäuser aneinanderreihen.

„Wandern hat auf Barbados Tradition, seit Wanderpionier Richard Goddard 1983 die Bewegung gründete“, sagt George Medford, während die Gruppe Mühe hat, mit dem alten Herrn Schritt zu halten. Er sei früher regelmäßig Marathon gelaufen, auch in Hamburg, erzählt er beiläufig. Inzwischen joggt und walkt er nur noch zum Vergnügen. Bluthochdruck und Diabetes seien auf der Insel ein Problem, da helfe nur Bewegung, doziert der pensionierte Lehrer. Er erweist sich als absolut trittsicher in Geschichte, Politik und Naturkunde.

Schon die Avocados gesehen, die dort halb reif am Busch hängen? Und dort wächst Kassava. Die Zuckerrohrernte sei für dieses Jahr beendet. Das übermannshohe grüne Gras wird von Februar bis Juni geschnitten: Inzwischen ist die Zuckerindustrie in der Bedeutung hinter den Tourismus gerutscht, genügend Stoff für die Rumdestillerien gibt es allemal. Experten schwören auf die Sorten 1703 oder XO von Mount Gay.

Chattel Houses werden als barbadisches Erbe geschätzt

Keine Karibik ohne Rum – frei nach diesem Motto entscheiden sich die einen für Rum pur, die anderen eher für die Mixvarianten Rum Sour, den Cocktail mit Limettensaft, oder Rum Punch, die süßere Variante mit Sirup und einem Hauch Muskatnuss obendrauf. Köstlich schmeckt alles, und so mancher sieht dann die „Rote Sonne von Barbados“ am Ende eines langen Strandtages gleich doppelt, auch ohne den Flippers-Hit aus dem vorigen Jahrhundert im Ohr.

Quasi im Vorübergehen gibt Wanderführer George Einblicke in die verletzte Seele von Barbados. Er bleibt an einer Straßenecke stehen und deutet auf eine geduckte, windschiefe Hütte mit abblätternder Farbe. Dies sei eines der ältesten Chattel Houses („chattel“ zu Deutsch: Leibeigener). Nach dem Ende der jahrhundertelangen Versklavung durch portugiesische und britische Kolonialherren durften die Arbeiter ab Mitte des 19. Jahrhunderts auf den Plantagen Unterkünfte errichten. Ein dauerhaftes Bleiberecht gab es jedoch nicht, und so mussten die Hütten schnell zerlegt und anderswo wiederaufgebaut werden können.

Inzwischen werden Chattel Houses, die oft knallbunt einen reizenden Kontrast zum Karibikhimmel bilden, als barbadisches Erbe geschätzt und geschützt. In St. Lawrence Gap, in Holetown oder Tyrol Cot in St. Michael werden in ihnen Geschäfte beispielsweise für Kunsthandwerk betrieben. Für den wandernden Pädagogen George Medford bleibt ein bitterer Beigeschmack der Geschichte: Als die Sklaverei endgültig abgeschafft worden sei, habe es keine Entschädigung gegeben, sagt er.

Noch bis 1966 dauerte es, bis Barbados, einst benannt nach den „bärtigen“ Luftwurzeln der mächtigen Feigenbäume, unabhängig wurde. Der Stolz darauf ist in vielen Gesprächen mit Einheimischen zu spüren, vor allem mit Blick auf die Inselflagge, die häufig präsent ist – auch im Video „Work“ von Rihanna: Blau für das Meer, gelb für die Sonne und der Dreizack als Symbol für die Wehrhaftigkeit.

Very british – vom Linksverkehr bis zum nachmittäglichen High Tea

Zu gern würden sich die Bajans auch von Queen Elizabeth als Staatsoberhaupt befreien, einen eigenen Präsidenten hat man bisher nicht. Very british ist die Insel an ­allen Ecken und Enden. Das beginnt beim Linksverkehr und hört bei der nachmittäglichen Teestunde (High Tea) in schicken Hotels auf.

Briten stellen die Mehrheit der Urlauber auf Barbados. Es dürfte am Wetter und an der Aussicht liegen, dass Fußballprofi Wayne Rooney sich durchaus häufig in seiner Fünf-Millionen-Dollar-Villa auf dem Gelände des Royal Westmoreland-Golf-Clubs aufhält, wie Angestellte beim Rundgang versichern. Exotische Mitbewohner sind Affen, die meist am spä­teren Nachmittag übers Grün stromern. „The green monkey“ heißt auch der wohl teuerste Golfplatz weit und breit: Das Greenfee für eine Runde auf dem 18-Loch-Platz (davon 15 mit Meerblick) des Country Club vom Sandy Lane Hotel kostet – und jetzt folgt kein Schreibfehler – 4000 US-Dollar.

Dagegen ist eine Polostunde im Apes Hill Club mit 275 US-Dollar geradezu ein Schnäppchen, das Sattelfesten ebenso wie Laien zu Pferd innerhalb kürzester Zeit Riesenspaß macht. Das liegt an der Geduld und dem Humor von Manager James Dickson und seinem argentinischen Assistenten Pablo. Stute Furia und die anderen Pferde sind ruhig und gut ausgebildet, sodass die Polo-Anfänger am Ende sogar ein Mini-Match spielen können. Noch Tage später zieht bei allen Teilnehmern der rechte Arm, denn der Bambusschläger hat durchaus Gewicht.

Einen Holzschläger, der eher an Strandspiele erinnert, benötigt man für eine barbadische Freizeitbeschäftigung, die sich noch schneller erlernen lässt. Road Tennis ist der große Bruder von Tischtennis: Gespielt wird statt an der Platte auf Asphalt. Das Spielfeld misst drei mal sechs Meter. Tief in die Knie gehend dreschen Mark Griffith und seine Trainingspartner im Rubis Sporting Club nahe dem Brandon’s Beach auf den weichen gelben Ball ein.

Rund 200 Schiffe liegen rund um die Insel am Meeresgrund

Jubel, Satz und Sieg, die Zuschauer sind begeistert, neue Mitspieler werden freundlich aufgenommen. „Das Spiel wurde etwa 1930 auf Barbados erfunden“, erzählt der 35-Jährige Griffith, der derzeit die Weltrangliste anführt. Wer aufmerksam die Straßen in der Hauptstadt Bridgetown und anderen Orten beobachtet, wird am Rande immer wieder Spielfelder entdecken.

Durch Bridgetown ist man schnell hindurchgeschlendert. Mag sein, dass die Altstadt wie so vieles Weltkulturerbe ist – so richtig will der Funke an diesem Tag nicht überspringen. Anregender wirken da der bunte karibische Shoppingtrubel in der Brandon Street oder der Duty-Free-Shop in der Broad Street. Die wahren Schätze von Barbados liegen ohnehin für viele Besucher unter Wasser: Schon mancher ist hier zum „Wreckoholic“ geworden. Rund 200 Schiffe liegen um die Insel ­herum am Meeresgrund. Manchen waren die Riffe zum Verhängnis geworden, andere sanken nach Bränden oder aus anderen Ursachen. In der Carlisle Bay lassen sich gleich fünf Wracks bei einem Tauchgang besichtigen – Meeresschildkröte im Schiffsrumpf inklusive. „Erst Brianna, dann Rihanna“, flachst eine Taucherin nach einem Besuch beim Wrack der „Brianna H“, stöpselt sich glücklich die Kopfhörer ins Ohr und wippt dazu irgendwie sehr karibisch mit den Hüften.

Tipps & Informationen

• Anreise z. B. mit Condor über Frankfurt nach Bridgetown.

• Unterkunft z. B. Savannah Beach Hotel, Hastings, 7 Nächte ab ca. 550 Euro; The Waves Hotel & Spa by Elegant Hotels, 7 Übernachtungen/all-inclusive mit Flug pauschal ab ca. 2200 Euro, Guesthouses über www.barbados.org ab etwa 40 US-Dollar pro Nacht.

• Aktivitäten Tauchen z. B. Barbados Blue, www.divebarbadosblue.com; Wandern www.barbadoshikingassociation.com

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung des Barbados Tourismus Marketing.)