Frankfurt. Sie verbreitet oft Halbwahrheiten, Lügen und Unfug. Nun ist Erika Steinbach selbst Ziel von Falschmeldungen geworden – über ihren Tod.

Es dauerte fast 18 Stunden, bis Erika Steinbach von ihrem Tod erfuhr. Zumindest schrieb sie am Sonntagmittag, gerade „erst erfahren“ zu haben von den Twitter-Berichten über ihr Ableben. Das muss aber nicht stimmen, bei Steinbach stimmt vieles oft nicht. Die Fake-Schleuder wurde mit Fake-Todesnachrichten aufs Korn genommen. Mit Politik hatte die Attacke auf die AfD-Sympathisantin mit CDU-Vergangenheit aber wohl wenig zu tun.

Bevor es in der Nacht zu Sonntag losging mit #RIPErikaSteinbach-Tweets, hatte sich die Aufregung noch nicht gelegt um zwei zumindest mutwillig missverständliche Weihnachts-Tweets in Steinbachs Twitter-Account.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Jeweils ging es um vermeintliche Belege für zunehmende Kapitulation vor dem Islam – und jeweils führte Steinbach damit in die Irre: Weder nennt „Lindt“ seine Schoko-Weihnachtsmänner nun „Jahresendfiguren“, noch ist der Weihnachtsmarkt von Elmshorn aus einem solchen Grund in „Lichtermarkt“ umbenannt worden. Steinbach hindert das nicht an Kommentaren wie „Ich kenne kein Land außer Deutschland, das seine eigene Kultur und Tradition so über Bord wirft“ und „Firma Lindt, nein danke‼“.

Mimikama-Autor: „Sie ist eine Art deutscher Trump“

Andre Wolf, einer der Köpfe der Aufklärungsseite „Mimikama“ zu Falschmeldungen und Nepp im Netz, nennt Steinbach inzwischen „so eine Art deutscher Trump“ im Netz. „Viel Reichweite, die sie nutzt, um unsachlich Emotionen und Hass zu schüren, ohne sich um die Fakten zu scheren.“ Die Mimikama-Macher bekommen schnell zu spüren, wenn Steinbach wieder etwas in die Welt setzt: „Bei uns kommen dann sofort viele Fragen rein, sie ist inzwischen so etwas wie eine Influencerin, weil sie stark wahrgenommen wird.“

Steinbach hatte unter anderem auch eine komplett gefälschte Anweisung an die NRW-Polizei zu Ausländerkriminalität verbreitet. Das Foto einer australischen Familie mit blondem Kind in einem indischen Waisenhaus hatte sie gepostet, um dazu „Deutschland 2030“ zu schreiben. Die Familie war entsetzt, wollte aber nicht gegen Steinbach vorgehen. „Das ist ein Problem“, ärgert sich Fake-Jäger Wolf. „Einzelnen Betroffenen ist es nicht so wichtig, dagegen vorzugehen, aber für die Gesellschaft ist es schädlich. Wann zeigt mal endlich jemand dieser Frau juristisch die Grenzen?“

Todesnachricht auf „Sifftwitter“ geboren

Die Attacke auf Steinbach kam in der Nacht zum Sonntag von anderer Seite – von „Sifftwitter“. So werden auch die Trollnetzwerke genannt, die sich einen Spaß daraus machen, Aufregung zu schüren oder vorzuführen, wie Aufregung entsteht. Um 22.32 Uhr war ein Tweet „Erika Steinbach ist tot“ dann der Ball, den andere innerhalb des Trollnetzwerks weiterspielten. Vier Minuten später gab es einen als Frage formulierten Tweet, mit dem Hashtag #RipErikaSteinbach, der nun zum Motto wurde, um mit den Provokationen Empörung auszulösen. Solche Versuche gibt es auf Twitter ständig, meist versanden sie.

Bei #RIPErikaSteinbach ging es wohl auch darum vorzuführen, dass manche Nutzer nach einem Einschreiten rufen, die sonst ständig von Zensur sprechen: Derartige Sorge besorgter Bürger wurde dann auch per Screenshot verbreitet. In den Troll-Ringen ist Redefreiheit das höchste Gut und Scheinheiligkeit vorzuführen ein großer Sport. Empörung schüren ist Zeitvertreib – mit manchmal sehr belastenden Folgen für Betroffene, die zur Zielscheibe einer Fülle verletzender Tweet werden können.

Gefälschte Screenshots von Newsseiten

Gewicht bekam der Fall durch gefälschte Screenshots vermeintlicher Nachrichtenartikel.

In etlichen Tweets zu #RIPErikaSteinbach nahmen „Sifftwitter“-Mitglieder auch verschiedene Positionen ein, schrieben wahlweise völlig überzogene Tweets oder zeigten gespielte Empörung, bis das Thema schließlich auch auf andere Twitternutzer überschwappte und sich ernst gemeinte Tweets darunter mischten.

Das ist, was die Trolle wollten. Die Urheberin des erstes Tweets freute sich über die „ganzen Kartoffeln, die jetzt #RIPErikaSteinbach entdecken“ und es nicht durchschauten. Manche Steinbach-Unterstützer prangerten die Todesmeldung als geschmacklose Attacke Linker ab: „Hier kann man lesen, wie die Gutmenschen in Wahrheit ticken.“

Experte: Trolle attackieren auch Linke

Luca Hammer, der die „Sifftwitter“-Szene analysiert und auf der Re:publica 2017 darüber sprach, sieht die Gruppe aber anders: „Ich würde die Trolle tendenziell als links bezeichnen, aber grundsätzlich gibt es beides bei ihnen“, sagte er unserer Redaktion. Die Trolle schlüpfen in verschiedene Rollen und fahren oft Attacken gegen Linke oder feministische Aktivistinnen.

Auch Aktionen, jemanden für tot zu erklären, gab es schon öfters, sagt Hammer. „Auslöser für die Wahl von Steinbach könnte die Aufregung um den Lichtermarkt sein, aber auch grundsätzlich ihre Art, Meldungen ohne Überprüfung zu verbreiten.“ Motto: Steinbach mal ihre eigene bittere Medizin schlucken lassen.

Steinbach unterstellt „Spiegel online“ Falschmeldung

Eindruck gemacht hat es auf sie aber offenbar nicht. Sie reagierte nicht nur gelassen, sie behauptete auch wahrheitswidrig, „Spiegel Online“ habe tatsächlich kurz ihren Tod gemeldet. „Spiegel Online“ hatte sich schon Stunden vorher auf Nachfragen zu einem Dementi veranlasst gesehen. An dem Bild war zu erkennen, dass ein Screenshot von der Newsseite einfach mit einer anderen Meldung überschrieben worden war.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Korrigiert hatte sie das bis zum Montagmittag nicht. „Das ist auch so ärgerlich an ihrem Vorgehen“, sagt Mimikama-Autor Wolf. „Sie verteilt bewusst ungeprüfte Inhalte, und lässt sie oft auch dann noch in der Welt, wenn sie weiß, dass es nicht stimmt.“