Berlin. Huawei will Samsung und Apple Konkurrenz machen. Ob der Konzern aus China das mit dem neuen, rahmenlosen Huawei Mate 10 Pro schafft?

Was macht ein Smartphone eigentlich „smart“? Während vor zehn Jahren noch Kamera, App Store und mobiler Internetzugang als innovativ gefeiert wurden, macht es heutzutage kaum einen Unterschied, ob man 100 oder 700 Euro für ein Smartphone ausgibt.

Das Plateau der Smartphone-Evolution scheint erreicht, auch günstige Geräte sind mittlerweile gut genug. Doch wenn es Smartphone-Herstellern an etwas nicht mangelt, ist es Kreativität bei der Vermarktung. Während mittlerweile dem „rahmenlosen Smartphone” und wohl schon bald auch den ersten faltbaren Modellen hinterhergejagt wird, will Huawei mit dem Mate 10 Pro das erste „intelligente Smartphone“ anbieten.

Filtern von Geräuschen im Hintergrund

Denn wie in nahezu allen anderen Gadgets soll auch auf dem Smartphone „Künstliche Intelligenz“ Einzug halten. Das dazu passende „Gehirn“ soll sich jedoch nicht, wie bisher, in der Cloud, sondern direkt am Smartphone befinden. Huawei hat dazu seinen Smartphone-Chip Kirin 970 um eine eigene „KI-CPU“, eine sogenannte NPU (Neural Processing Unit”), erweitert.

Diese soll 20 Mal so effizient wie eine herkömmliche CPU sein und vor allem komplexe Aufgaben, wie das Erkennen von Motiven mit der Kamera, das Filtern von lästigen Geräuschen im Hintergrund sowie die an das Nutzerverhalten angepasste Leistungsverwaltung übernehmen. Das Smartphone soll dem Nutzer lästige Alltagsaufgaben abnehmen und „mitdenken“, verspricht Huawei. Die „futurezone“ hat das „KI-Smartphone“ ausprobiert.

Zieht Fingerabdrücke an

Das Mate 10 Pro ist das erste Huawei-Smartphone, dessen Rückseite aus Glas gefertigt wurde. Der Wechsel ist bedauerlich, denn wie bei anderen Glas-Smartphones, beispielsweise dem iPhone 8, offenbaren sich rasch Probleme. Einerseits sammelten sich rasch Fingerabdrücke, doch auch die Haptik fiel deutlich schlechter aus als beim Aluminium-Gehäuse des Vorgängers. Die relativ schmale Bauweise fällt hingegen sehr positiv auf. Das Smartphone lässt sich gut am Gehäuserand halten, eine einhändige Bedienung ist dennoch nur schwer möglich.

In puncto Verarbeitung mischt Huawei nun endgültig in der Oberliga mit und muss nun auch den Vergleich mit Samsung und Apple nicht scheuen. Die Materialien sind perfekt verarbeitet und machten einen makellosen Eindruck. Insbesondere die Rückseite, bei der man sich offenbar bei HTCs U11 inspirieren ließ, wirkt hochwertig. Je nach Lichteinfall ändert sich die Farbe – leider standen ausgerechnet die interessanten Farbvarianten hellblau und gold nicht zur Verfügung.

Großes Display, kleine Ränder, Glasrücken und Doppelkamera: Das Huawei Mate 10 Pro kommt Mitte November in den Handel.
Großes Display, kleine Ränder, Glasrücken und Doppelkamera: Das Huawei Mate 10 Pro kommt Mitte November in den Handel. © dpa-tmn | Huawei

Größer als man denkt

Der Rahmen lässt sich kaum wahrnehmen, lediglich an der Ober- und Unterseite verbleibt ein schmaler Streifen mit Lautsprecher, Frontkamera und Logo. Auf Soft Keys wird verzichtet, stattdessen wurde beim Testgerät die Android-Menüleiste eingeblendet. Laut Huawei sollen sich Funktionen wie „Zurück“ auch mit Wischgesten ausführen lassen. Diese Funktion ließ sich beim Kurztest leider nicht ausprobieren. Optisch macht das Mate 10 Pro einen überaus hochwertigen Eindruck und kann die große Bildschirmdiagonale gut in einem kompakten Gehäuse verbergen.

Der sechs Zoll große AMOLED-Bildschirm machte ebenfalls einen sehr guten Eindruck, sowohl Schärfe, Farbdarstellung als auch Blickwinkelabhängigkeit konnten überzeugen. Die Helligkeit ist gut, kann jedoch nicht ganz mit der Konkurrenz von Apple und Samsung mithalten. Bei den Farben punktet Huawei aber mit einer Darstellung, die näher an der Realität dran ist als beispielsweise Samsung oder LG.

PC-Ersatz ohne Zubehör

Die Kamera ließ sich nur kurz ausprobieren, allerdings erwies sie sich dabei als rasend schnell. Bereits das Öffnen der App ging überraschend flott vonstatten, aber auch das Betätigen des Auslösers sorgte deutlich schneller für eine Aufnahme als bei den Vorgängermodellen. Die Bilder erwiesen sich auch im eher mäßig beleuchteten Hotel als gut gelungen, wozu wohl insbesondere der stark verbesserte optische Bildstabilisator sowie die lichtempfindlichere Linse beigetragen haben dürften.

Bei der Bedienung des Smartphones ließen sich keinerlei Auffälligkeiten feststellen, die „Künstliche Intelligenz“ hielt sich eher im Hintergrund – wie sie es eigentlich auch sollte. Wie smart das Huawei Mate 10 Pro tatsächlich ist, lässt sich wohl nur im Zuge eines längeren Alltagstests feststellen.

Überraschend positiv fiel jedoch die Docking-Funktion an. Mit einem günstigen USB-C-auf-HDMI-Adapter lässt sich das Smartphone als PC-Ersatz verwenden. Dabei wird ein vollwertiger Desktop auf dem Bildschirm angezeigt, auf dem sich viele Android-Apps, beispielsweise Microsoft Office oder YouTube, starten lassen. Huawei umwirbt damit vor allem die Geschäftskunden. Inwiefern diese überhaupt Interesse an einer derartigen Funktion haben, ist unklar. Sowohl Microsoft (Continuum) als auch Samsung (DeX) bieten bereits eine ähnliche Funktion an, für die jedoch ein optionales Dock notwendig ist.

Fazit

Die Idee hinter dem Huawei Mate 10 Pro ist vielversprechend, aber auch komplex. Denn während ein „rahmenloses Smartphone“ ein lustiges Gimmick darstellt, mit dem viele Kunden angelockt werden können, hält sich die von Huawei beschriebene „Künstliche Intelligenz“ meist dezent im Hintergrund. Ihr Nutzen dürfte sich erst nach einer Weile entfalten und muss auch im Zuge eines längeren Tests beurteilt werden.

Bei der Hardware zeigt Huawei aber deutlich, dass man mittlerweile zu den „alten Hasen“ gehört. Die Ausstattung ist eines High-End-Modells würdig und übertrumpft in gewissen Aspekten, beispielsweise Bilderkennung, sogar Samsung und Apple. Die Kamera ist ohnedies seit zwei Generationen über jeden Zweifel erhaben. Die Leica-Optik mit dem Monochrom-Sensor macht nach wie vor Spaß und profitiert nun von einigen Anpassungen. Ob die Künstliche Intelligenz aber tatsächlich auch aus dem Nutzer einen besseren Fotografen macht, wird ebenfalls nur der Praxistest zeigen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf futurezone.de