Bonn. Der Online-Fragebogen ist vor allem bei jungen Wählern beliebt, hat allerdings auch methodische Schwächen.

Wissen Sie schon, wie Sie am 24. September 2017 wählen werden? Lesen Sie sich jedes einzelne Wahlprogramm durch, um die passende Partei zu finden? Die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) hat den Wahl-O-Mat ins Netz gestellt, um Ihnen bei der Entscheidung zu helfen.

Woher kommt das Werkzeug?

Seit 2002 betreibt die Bundeszentrale den Wahl-O-Mat für Landtags- Europa- und Bundestagswahlen. Rund 50 Millionen Mal ist das Online-Werkzeug seitdem nach Angaben der Bundeszentrale benutzt worden. Die Idee kommt aus den Niederlanden, wo es bereits 1989 in Papierform erschien. Bei der ersten Anwendung durch die BPB bei der Bundestagswahl 2002 gab es 27 Fragen, deren Antworten zu einer der Parteien führte, die bereits in Bundestag vertreten war. Später kamen dann alle antretenden Parteien hinzu und das Tool wurde durch weitere Informationen ergänzt. Unter der Rubrik „Wer steht zur Wahl?“ sind Kurzprofile der Parteien zu finden. „Fakten zur Wahl“ bieten einen Überblick über die wichtigsten Fragen zur Bundestagswahl.

„Der Vorteil der recht einfachen Übersicht ist auch gleichzeitig ein Nachteil des Instrumentes.“
„Der Vorteil der recht einfachen Übersicht ist auch gleichzeitig ein Nachteil des Instrumentes.“ © Ingrid Pahlmann (CDU), Bundestagsabgeordnete für Gifhorn und Peine

Wie funktioniert der Wahl-O-Mat?

Es gibt 38 Thesen zu allen möglichen Politikfeldern – von Steuerpolitik über Bildung bis zur Flüchtlingsthematik. Zu den Fragen gibt es folgende Antwortmöglichkeiten: „stimme zu“, „stimme nicht zu“, „neutral“ oder „These überspringen“. Nach der Beantwortung können bestimmte Themen stärker gewichtet werden, die dann bei der Berechnung doppelt zählen. Für die Auswertung werden im nächsten Schritt bis zu acht Parteien ausgewählt, die jederzeit verändert werden können. Im persönlichen Ergebnis zeigt der Wahl-O-Mat, mit welcher Partei es die meisten Übereinstimmungen gibt. Außerdem stellt er die Nähe des Nutzers zu den Standpunkten der Parteien dar.

Bei Bedarf kann man seine eigene Position zu jeder These mit der einzelner Parteien vergleichen. Der Wahl-O-Mat solle als Appetitanreger dienen und Lust auf mehr Politik machen, heißt es auch auf der Homepage der Bundeszentrale für politische Bildung.

Für jede Wahl stellt die Bundeszentrale eine neue Redaktion aus 20 bis 25 Jung- und Erstwählern unter 26 Jahren zusammen. In Workshops entwickeln sie mit Hilfe von Politikwissenschaftlern, Statistikern und Pädagogen die Thesen. Das Team erarbeitet dann 80 bis 100 Thesen, die den antretenden Parteien zur Beantwortung geschickt werden. In einem zweiten Workshop wählt die Redaktion die finalen 38 Thesen aus, die „die wichtigsten Themen der Wahl aufgreifen, von den Parteien kontrovers beantwortet werden, die Unterscheidbarkeit gewährleisten und ein breites thematisches Spektrum abdecken“, heißt es auf der Homepage. Der endgültige Fragekatalog wird dann zwei bis vier Wochen vor der Wahl online gestellt. Kurzum: So ein Wahl-O-Mat ist in der Realisierung recht aufwendig. Deshalb wird es zur kurzfristig vorgezogenen Landtagswahl in Niedersachsen am 15. Oktober auch kein Angebot geben.

Wer nutzt das Angebot?

Professor Stefan Marschall hat für die Wahl-O-Mat-Forschung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf eine Umfrage erstellt. Demnach sei die Mehrheit der Wahl-O-Mat-Nutzer männlich und unter 30 Jahre alt. „Der Wahl-O-Mat ist für jeden – nicht nur für junge Menschen – ein guter Startpunkt für die Beschäftigung mit den Parteien und den Themen der Wahl“, wirbt hingegen BPB-Projektleiter Martin Hetterich für sein Online-Werkzeug.

Gibt es auch Nachteile?

Doch es gibt auch Kritik an dem interaktiven Wahlhelfer. Bei den Landtagswahlen 2011 und 2016 in Mecklenburg-Vorpommern weigerten sich SPD und CDU, sich am Wahl-O-Mat zu beteiligen. Es würden komplexe Sachverhalte der Politik zu stark vereinfacht, lautete der Vorwurf. So soll die These „Der Spitzensteuersatz soll erhöht werden“ einfach mit „ja“, „nein“ oder „neutral“ beantwortet werden. Doch kann man das komplizierte deutsche Steuersystem so stark vereinfachen? Die Bundeszentrale habe den Anspruch, den Wahl-O-Mat-Nutzern „spielerisch wichtige Themen der Wahl vorzustellen und sie zur eigenen Positionierung anzuregen“, erläutert Projektleiter Hetterich. Laut der wissenschaftlichen Forschung hätten sich bei der vergangenen Bundestagswahl 15 Prozent mit dem Wahl-O-Mat beschäftigt, die sich normalerweise nicht für Politik interessieren.

Auch die Zahlen würden für den Erfolg des Tools sprechen. „Der Wahl-O-Mat zählt bei fast allen Wahlen zum festen Bestandteil des Wahlkampfes und hat seine Nutzungszahlen immer weiter gesteigert“, sagt Hetterich. Die Bundeszentrale nehme jede berechtigte Kritik ernst und überlege intensiv, wie sie dieser begegnen könne.

Wie finden Politiker das Angebot?

Ingrid Pahlmann (CDU) ist Bundestagsabgeordnete für Gifhorn und Peine. Sie kandidiert in diesem Jahr erneut und findet den Wahl-O-Mat grundsätzlich gut: „Er kann den Wählerinnen und Wählern eine Orientierung geben und Hilfe bei der Entscheidung für eine Partei sein.“ Doch auch sie kritisiert die Einfachheit des Werkzeugs: „Allerdings muss den Nutzern bewusst sein, dass politische Inhalte sehr verkürzt dargestellt werden und Zusammenhänge häufig weiter reichen, als es eine Einordnung in einer dreistufigen Antwort ermöglicht. Somit ist der Vorteil der recht einfachen Übersicht auch gleichzeitig ein Nachteil des Instruments. Dennoch kann der Wahl-O-Mat helfen, sich für die Wahlen und Inhalte zu interessieren und schlussendlich fundiert vom eigenen Wahlrecht Gebrauch zu machen“, erklärt Pahlmann. Andererseits könne es jedoch den persönlichen Kontakt zum Abgeordneten vor Ort nicht ersetzen.