Berlin. Seit dem Diesel-Gipfel locken die Autohersteller mit Umwelt- und Verschrottungsprämien. Das ist nicht immer ein gutes Geschäft, warnen Verbraucherschützer. Wir geben einen Überblick über die Angebote.

Wer seinen alten Diesel loswerden will, bekommt Geld geschenkt. Mit diesem Versprechen werben jetzt die meisten Fahrzeughersteller. Ob sich aber die zusätzlichen Preisrabatte lohnen, ist fraglich: „Wir sehen die Gefahr, dass die bisherigen Händlerrabatte mit den neuen Boni verrechnet werden könnten“, sagt Gregor Kolbe, Spezialist für Mobilität beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV). Außerdem könnten selbst Fahrer moderner Diesel in die Falle möglicher Fahrverbote tappen.

Die neuen Prämien

Wer jetzt seinen alten Diesel verschrottet oder beim Autohändler in Zahlung gibt, erhält einen Neuwagen (Diesel, Benziner oder ein Öko-Auto) mit nennenswertem Rabatt. Die Spanne reicht von 1750 bis zu 10 000 Euro (siehe Liste). Beim Diesel-Gipfel Anfang August hatten sich Autokonzerne bereit erklärt, solche Angebote zu machen. So soll die Fahrzeugflotte schnell modernisiert und die Abgasbelastung in Städten reduziert werden.

Beispiel VW: Der Konzern gewährt gegen Vorlage von Verschrottungsnachweisen für beliebige Dieselfahrzeuge von Euro-Norm 1 bis 4 einen Preisnachlass zwischen 2000 und 10 000 Euro. Die Rabatte sind nach Typen der Neuwagen gestaffelt. Je teurer der Neuwagen, desto mehr Geld gibt es dazu. Der Abschlag auf den Listenpreis eines neuen Polo beträgt 3000 Euro, für einen neuen Golf 5000 Euro. Diese zusätzlichen Rabatte nennen die Hersteller in der Regel „Umweltprämie“. Hinzu kommt bei VW eine „Zukunftsprämie“, ein Extra-Bonus für den Kauf eines neuen Elektro-Autos von 2380 Euro.

Außerdem zahlt das Unternehmen weiterhin seinen Teil des im vergangenen Jahr mit der Bundesregierung vereinbarten „Umweltbonus“ für den Umstieg auf Öko-Fahrzeuge, den man teilweise beim Bundesamt für Wirtschaft beantragen muss. Für reine E-Autos mit Batterie gibt es 4000 Euro (2000 vom Bund und 2000 vom Hersteller). Bei Plug-in-Hybrid-Autos, die per Stecker geladen werden und einen ergänzenden Verbrennungsmotor haben, sind es 3000 Euro Prämie (1500 vom Staat, 1500 vom Hersteller).

Bei den meisten Herstellern ist die Diesel-Eintauschaktion bis Ende 2017 befristet. Die Details unterscheiden sich von Firma zu Firma. BMW bietet beispielsweise eine einheitliche Umtauschprämie von 2000 Euro, nimmt aber den alten Diesel zu marktüblichen Konditionen in Zahlung, was
das Geschäft aus Sicht der Autofahrer in vielen Fällen günstiger macht.

Die üblichen Händlerrabatte

Beim Autokauf einen Nachlass von zehn Prozent vom Listenpreis zu erhalten, war bisher keine Seltenheit. Autohändler könnten nun auf die Idee verfallen, den üblichen Rabatt von beispielsweise 4000 Euro mit einer neuen Prämie von 2000 Euro zu verrechnen. Das Autohaus würde 2000 Euro sparen, der Kunde hätte unter dem Strich keinen Vorteil. VZBV-Mitarbeiter Kolbe rät: „Kunden sollten Wert darauf legen, dass die Umtauschprämie zum üblichen Händlerrabatt addiert wird.“

Entwarnung gibt an dieser Stelle Jürgen Pieper, Analyst beim Bankhaus Metzler in Frankfurt. Besonders VW als Auslöser des Diesel-Skandals, argumentiert er, könne es sich nicht leisten, Autofahrer zusätzlich zu verärgern. Pieper vermutet daher, alte und neue Prämien würden nicht oder kaum miteinander verrechnet. Wie die Autohäuser tatsächlich verfahren, hat Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Center Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen, mittels einer Recherche bei Internetvermittlern für Autokäufe überprüft. Demnach findet bei neuen VW-Modellen kaum eine Verrechnung alter und neuer Boni statt. Bei BMW sagte ein Sprecher, die neue Umweltprämie und der übliche Händlerrabatt würden beim Neukauf „sauber und transparent“ ausgewiesen. Die Kunden erhielten beides. Allerdings müsse man über den Händlerrabatt wie bisher „individuell verhandeln“. Um also zehn Prozent Abschlag zusätzlich zu den neuen Prämien zu erhalten, ist es angezeigt, zuvor die Preise zu vergleichen.

Laut Dudenhöffer sind manche Autohäuser zurückhaltender. Bei den Volkswagen-Marken Seat und Skoda steckten die Verkäufer
einige Prozent in die eigene Tasche. Bei zwei Ford-Modellen bleibe durchschnittlich weniger als die Hälfte des früheren Abschlags übrig.

Die neuen Diesel

Eine Schwierigkeit tritt auf, wenn man jetzt einen alten gegen einen neuen Diesel tauscht: „Das Problem der Fahrverbote kann die Autobesitzer schnell wieder einholen“, sagt VZBV-Mitarbeiter Kolbe. Denn selbst neue Euro-6 -Diesel halten nicht unbedingt die Stickoxid-Grenzwerte ein. Sie überschreiten den zulässigen Ausstoß durchschnittlich um das Fünffache, stellte das Umweltbundesamt im vergangenen April fest. Zwar hat die Europäische Union ein schärferes Verfahren zur Abgasmessung (Real Driving Emission, RDE – tatsächliche Fahr-Emissionen) ab 1. September 2017 in Kraft gesetzt, doch für alle neuen Fahrzeuge gilt es erst ab September 2019. So mag es passieren, dass Städte wie Stuttgart oder München selbst modernen Dieseln die Einfahrt verweigern, weil Gerichte sie dazu zwingen.