Cusco. Der First-Class-Schlafwagenzug Belmond Andean Explorer fährt in drei Tagen von Cusco bis zum Titicacasee – in fast 5000 Meter Höhe.

Die Höhe ist ihr Lebensraum. Bis zu 7000 Meter hoch können Kondore fliegen. Am Mirador Cruz del Condor im Colca Valley präsentieren die südamerikanischen Könige der Lüfte an diesem sonnigen Freitag die Kunst der Leichtigkeit des Schwebens. Es ist ein beeindruckendes Naturschauspiel über dem fast 3300 Meter tiefen Tal vor dem Panorama der Anden. Mehr als 100 Zuschauer aus aller Welt verfolgen diese Flugschau am frühen Morgen gebannt von einer Aussichtsplattform mit Ferngläsern, Smartphones, Tabletts oder Kameras.

Offensichtlich ungerührt davon nutzen die riesigen Vögel den natürlichen Auftrieb im Tal. Die Thermik könnte heute kaum besser sein. Majestätisch gleiten die weltweit größten Greifvögel über uns hinweg. Obwohl Kondore bis zu 15 Kilogramm wiegen und ihre Spannbreite bis zu drei Meter misst, müssen sie nicht viel tun. Sie lassen sich vom Aufwind über der schmalen Schlucht tragen. Fast scheint es, sie wollten signalisieren, schaut her, ist doch eigentlich alles ganz leicht hier oben.

Zu der Crew an Bord gehört auch ein Arzt

Doch so einfach ist die Höhe nicht für jeden, wie einige Teilnehmer unserer Reisegruppe auf dem Weg zu und später noch während der dreitägigen Zugfahrt mit dem neuen First-Class-Schlafwagenzug der Belmond-Gruppe lernen müssen. Zu der Crew an Bord des Luxuszuges gehört im Übrigen auch ein Arzt. Die Sauerstoffflasche in jedem der geschmackvoll gestalteten Kabinen oder Suiten mit jeweils eigenem Duschbad ist zudem eine sinnvolle Ausstattung. Der Sauerstoff und eine Tablette des Mediziners helfen mir später auch bei mehr als 4000 Meter Höhe weiter.

Das „hoch hinaus“ hat eben zuweilen seinen Preis – rasender Puls, flacher Atem und leichte Benommenheit. Insbesondere dann, wenn es, wie bei unserer komprimierten Tour, schon am ersten Tag schnell in ungewohnte Höhen geht. Normalerweise, beruhigen die Veranstalter, ist die knappe Woche mit der dreitägigen Zugfahrt Teil eines weitaus längeren Aufenthalts in Peru – und den braucht es auch. Zur Akklimatisierung, um diese spektakuläre Landschaft und den „Belmond Andean Explorer“ genannten Zug genießen zu können.

Gegen Höhenkrankheit hilft Ruhe und viel trinken

Seit Mai sind die 16 Waggons auf der Strecke und bieten die Annehmlichkeiten eines rollenden Luxushotels. So gibt es neben den Wagen mit unterschiedlichen Schlafkabinen, einen Spa-Waggon, zwei Restaurantwagen, eine Pianobar und am Ende des Zuges ein offenes, aber überdachtes „Observatory“-Abteil. Dies ist meist gut besucht, weil es sich optimal zum Fotografieren oder zum Luftschnappen eignet. Die Fenster der Kabinen lassen sich nicht öffnen, die Räume sind voll klimatisiert.

Vor der Zugfahrt geht es erst einmal mit Bussen in die Berge, wo wir in Las Casitas del Colca übernachten. Direkt nach dem Inlandflug von Lima nach Arequipa (2300 Meter Höhe) im Süden Perus fahren wir auf dem Weg nach Las Casitas im grünen Colca Valley über den Pachapampa Pass. Dort stoppen wir in 4910(!) Meter Höhe zum Lunch. Das ist heftig, weil es sehr schnell sehr hoch geht. Das Tempo ist entscheidend, ausreichende Flüssigkeitszufuhr ebenso. Die Höhenkrankheit, in Peru Soroche genannt, droht bereits auf mehr als 3000 Metern. Leichtere Auswirkungen plagen mich zuweilen. Da heißt es: langsam machen, wenig essen und vor allem viel trinken.

Bergstraße ist gut ausgebaut und führt uns vorbei an Vulkanen

Kokablätter helfen gegen Höhenkrankheit.
Kokablätter helfen gegen Höhenkrankheit. © dpa | Georg Ismar

Das wiederholt auch unser Guide Miguel immer wieder. „Ihr müsst viel trinken“. Vor allem Kokatee beuge gegen die Höhenkrankheit vor, betont der Peruaner während der Fahrt mit den kleinen klimatisierten Bussen. Den Tee trinken oder gar die Kokablätter zu kauen ist aber nicht meine Sache, wegen des doch eigenwilligen Geschmacks. So wird der Griff zur Wasserflasche Routine.

Die Bergstraße ist recht befahren, gut ausgebaut und führt vorbei an Vulkanen, von denen einige noch aktiv sind, und an terrassierter Landwirtschaft. Wir sehen Bauern bei der Ernte – Kartoffeln, Quinoa, Mais – der Boden hier ist fruchtbar. Peru ist ein an Bodenschätzen und Landwirtschaft reiches Land, in dem jedoch noch immer Armut herrscht. Fast ein Drittel der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Einigen Bauern gehe es aber ganz gut, berichtet Miguel. Peru ist ein Land im Aufbruch, wobei vor allem der Tourismus eine zunehmende Rolle spielt. Das durchschnittliche monatliche Einkommen liegt zwischen 400 und 500 Euro.

Wir sehen Vikunjas, elegante Verwandte der Lamas und Alpakas

Miguel kommt aus Arequipa, der Hauptstadt der gleichnamigen Region im Süden Perus, knapp anderthalb Flugstunden entfernt von Lima, der Zehnmillionenstadt am Pazifik. Er ist Sohn einer Bauernfamilie aus der Region und hat Touristik studiert. „Der Job macht mir Spaß“, sagt der 36-Jährige. Er kennt Land, Leute und Tiere. Zum Beispiel die Vikunjas. Sie fallen uns am ersten Tag auf dem Weg ins Colca Valley auf und sorgen während der Zugreise immer wieder für Aufmerksamkeit. Die hellbraunen Verwandten der Lamas und Alpakas sind eleganter. Die dünnbeinigen Wildtiere können in bis zu 5000 Meter Höhe bei tiefsten Temperaturen leben. Sie fressen das Ichu-Gras, das dort wächst, und bieten die qualitativ beste Wolle der Welt. „Sie ist noch hochwertiger als Kaschmir, allerdings auch sehr teuer“, sagt Miquele.

Auch in der Pampa auf der Hochebene nahe dem kleinen Bahnhof der Station Tambo Cañahuas, wo unsere Zugfahrt beginnt, entdecken wir eine Herde. In der spärlich bewachsenen Höhe fällt der dunkelblaue Belmond Anden Explorer ins Auge. Der Zug wartet auf uns – quasi zur „Jungfernfahrt“ durch die Anden. Zunächst wird er von zwei Priestern in braunen Gewändern gesegnet, dann geht es los – mit Volldampf. Wir gleiten über die Gleise. Im moderaten Tempo fährt der Zug die oft kurvige Strecke. So können wir die Landschaft mit ihren Bergpanoramen und den wechselnden Farbenspielen, die Licht, Sonne und Wolken gestalten, genießen.

Auch kulinarisch ist die Zugreise ein Genuss

Auch kulinarisch ist die Zugreise ein Genuss. Peru ist lange schon in der internationalen Spitzengastronomie angekommen. Dass viele Restaurants zu den besten Lateinamerikas gehören und weltweit Rang und Namen haben, ist auch ein Verdienst von Meistern wie Diego Muñoz, der uns verwöhnt. Der Spitzenkoch hat in Lima das Restaurant „Astrid & Gastón“ auf einen der vordersten Plätze der 50 besten Restaurants Lateinamerikas hochgekocht. Neben Raffinesse und Leichtigkeit der regional betonten Speisen überzeugen Muñoz’ Kreationen auf der Fahrt auch mit dem Besonderen im Einfachen. Ob bissfeste Maiskörner mit Chili und Käse, fettarmer Fisch mit Bohnen oder Desserts, die mit Früchten des Landes überzeugen – der trotz Erfolgs bodenständig gebliebene Peruaner begeistert alle Reisenden.

Dass seine Kunst ganz schlicht funktioniert, demonstriert Diego, als der Zug plötzlich hält. Wir sind auf einer in 4000 Meter liegenden Anhöhe zwischen dem glitzernden Lake Lagunilla und der Lagune ­Sara Cocha. Die Wolken hängen dunkel und tief über den Berggipfeln, es sieht trotz Abendsonne nach Regen aus. Doch die Servicekräfte tragen flugs ein paar Tische hinaus und stellen die Zutaten für Perus Nationalgericht Ceviche bereit. Diego legt los. „Es kommt auf die Frische und Qualität der Zutaten an, vor allem auf die Balance aus Würze und Säure“, lehrt uns der Maestro der neuen peruanischen Küche. Die Zutaten der Ceviche: fester Seefisch, reichlich frisch gepresster Saft von Limetten, rotes und gelbes Chili, fein geschnittene rote Zwiebeln, Eiswürfel, Salz und Pfeffer. Der in kleine Würfel geschnittene ­rohe Fisch wird kurz mariniert, schon ist das Nationalgericht fertig.

Schilfinseln auf dem Titicacasee sind die Heimat des Uru-Volkes

Nach diesem Intermezzo setzt sich der Zug wieder in Bewegung, wir fahren nach Puno, Hauptstadt der gleichnamigen Region am Titicacasee. Ein Ausflug fast wie ans Meer. Denn der weltweit größte schiffbare See in der Höhe von über 3800 Metern ist in seinen Dimensionen von knapp 180 Kilometer Länge und mehr als 67 Kilometer Breite gigantisch – und ebenso schön, wie wir am nächsten Tag bei einem Bootsausflug einhellig feststellen.

In einem Schnellboot tuckern wir zunächst gemächlich durch einen Schilfkanal zu den Floating Islands. Die schwimmenden Inseln aus Schilf sind Heimat der Urus, wie die indigene Bevölkerung heißt. Die Anzahl der künstlichen Inseln, die die Urus aus Totora-Schilf selbst schaffen, lässt sich nicht genau beziffern. Der Hauptmann des Eilandes, das wir nach etwa 20 Minuten Bootsfahrt besuchen, berichtet uns, dass er bei heftigen Streitigkeiten unter den Bewohnern einen Teil der Insel mit den Streithähnen einfach ab­trenne.

Ein emotionaler Abschied

Dann herrschen wieder klare Verhältnisse – und es gibt eine Insel mehr auf der Bucht vor Puno. Weiter draußen, in knapp 45 Kilometer Entfernung, liegt Taquile, das kleine, natür­liche Eiland, auf dem uns die ebenfalls Taquile genannten Bewohner in farbenfroher Tracht mit Musik und Tanz am Ufer begrüßen.

Fröhlich ist die Stimmung auch am letzten Abend im Andean Explorer, als die Band Chequere mit Latino und Rockmusik einheizt. Das Trio aus E-Gitarrist, E-Gitarrenbassist und Cajon-Percussionist animiert einige Reisende sogar zum Tanzen. Die Endstation unserer Bahnfahrt ist die Cusco. Die einstige Inka-Hauptstadt liegt auf knapp 3400 Meter Höhe und hat seit 1983 auch den Status der Weltkulturerbestätte. Am Bahnhof des von kolonialer Architektur der Spanier geprägten Cuscos steht das Team aller Zugmitarbeiter Spalier. Es wird ein emotionaler Abschied. Den letzten Abend in Peru verbringen wir in einem der exklusivsten Hotels von Cusco, dem Belmond Palacio Nazarenas, einem einstigen Kloster mit Erweiterungsbau. Dort genießen wir noch einmal den atemberaubenden Blick über die Anden, die wir am nächsten Tag auf unserer Rückreise noch höher als die Kondore überfliegen.

Tipps & Informationen

Anreise: Zum Beispiel mit KLM von Berlin oder Hamburg über Amsterdam nach Lima.

Zugreise: Buchungen für den Belmond An­dean Explorer sind unter Tel. 0800/183 07 81 möglich. Die Zugreise von Cusco nach Puno (zwei Tage / eine Nacht) ab 480 US-Dollar p. P. in der Doppelkabine. Die Strecke von Cusco zum Titicacasee und nach Arequipa (drei Tage / zwei Nächte) nennt sich Peruvian Highlands – ab 1440 US-Dollar p. P. in der Doppelkabine. Auskunft: www.belmond.com

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch Belmond.)