Braunschweig. Der Olympiasieger und Gewichtheber Matthias Steiner hat seit seinem 18. Lebensjahr Diabetes. Er erzählt, wie ein modernes Gerät ihm hilft.

Matthias Steiner ist seit Jahren Typ I-Diabetiker. Eine moderne Insulinpumpe hilft ihm dabei, spontaner sein zu können. Julia Perkowski fragte den ehemaligen Gewichtheber nach dem Leben mit der Krankheit und seiner Insulinpumpe, deren Katheter am Bauch getragen wird. Lediglich die Pumpe selbst, nicht größer als ein Handy, wird am Gürtel oder in der Hosentasche getragen.

Wann wurde die Erkrankung bei Ihnen festgestellt und wie waren die ersten Wochen nach der Diagnose?

Diabetes Typ I wurde bei mir einen Tag vor meinem 18. Geburtstag diagnostiziert. Das war zunächst natürlich ein Schock. Du stehst mitten im Leben, bist schon ambitionierter Gewichtheber, bist mitten in der Lehre, alles läuft super und dann das. Auslöser war bei mir eine verschleppte Grippe. Ich dachte, mich kann nichts umhauen und so bin ich trotz Fieber zur Arbeit und ins Training. Die Quittung bekam ich dann drei Monate später quasi als verfrühtes Geburtstagsgeschenk. Statt Sachertorte von meiner Mama, bekam ich eine Diätschnitte im Krankenhaus – und die Ärzte sagten mir, ich müsse mit dem Gewichtheben aufhören, da die hohe körperliche Belastung für meinen Diabetes nicht gut sei.

Sie haben Leistungssport betrieben, obwohl Ihnen Ärzte davon abgeraten haben?

Sport ist für uns alle wichtig und gerade uns Typ-I-Diabetikern hilft Sport, unseren Blutzucker besser in den Griff zu bekommen. In meinem Fall war in den letzten Jahren meiner Leistungssportzeit von 2004 bis 2013 mein Gewicht von 150 Kilo nicht gerade förderlich für meine Gesundheit, aber meine Zuckerwerte waren relativ gut, da ich immer etwas essen konnte. Aber im Alltag ist diese Körpermasse natürlich hinderlich. Das war ein Grund, warum ich nach meinem Karriereende 45 Kilo abgenommen habe, aber auch, weil ich eitel bin und wieder wie früher aussehen wollte.

Warum haben Sie sich nach Ihrer sportlichen Karriere für eine Insulinpumpe entschieden?

Es dauert ja, bis man auf eine Insulinpumpe perfekt eingestellt ist und diese Zeit hatte ich als Leistungssportler nicht. Zum anderen habe ich natürlich auch wahnsinnig viel geschwitzt. Das hätte das Pflaster des Katheters nicht ausgehalten. Als ich die Pumpe zum ersten Mal über Nacht dran hatte, wollte ich sie nie wieder ablegen.

Warum? Was hat sich verändert?

Vorher war es so, dass ich zweimal am Tag Basal-Insulin (Grundversorgung des Körpers mit Insulin, Anm. d. Red.) gespritzt habe. Das heißt, es war jeweils nur für 12 Stunden zur Verfügung, also auch für die Nacht. Wenn ich länger geschlafen habe, ist der Zucker automatisch gestiegen und es war aufgrund meines unsteten Lebenswandel jeden Tag schwer einzuschätzen, wie viel Basal-Einheiten ich für die Nacht benötige. Durch die Pumpe benötige ich kein Basalinsulin mehr und ich kann die Insulinversorgung viel genauer mit der Pumpe steuern.

Erleichtert Ihnen die Pumpe neben den Nächten auch den Alltag?

Ja, sehr. Dieses Basal-Insulin hat, wenn man so will, den Nachteil, dass es in meinem Körper ist und ich also meinen Tag ein Stück weit darauf einrichten musste. Die Spontanität blieb da oft auf der Strecke. Ich musste zum Beispiel etwas essen, auch wenn ich vielleicht gar keinen Hunger hatte. Jetzt mit der Pumpe kann ich viel besser dosieren und die Insulinabgabe der Pumpe zum Beispiel reduzieren, damit ich nichts essen muss. Vor allem aber ist es beim Sport eine enorme Erleichterung, da ich den Basalbedarf rechtzeitig reduzieren kann. Am Schönsten aber sind die Nächte, denn mit der Pumpe kann ich wieder herrlich durchschlafen und auch länger schlafen, was ich mit dem Pen nicht konnte.

Nutzen Sie digitale Helfer im Zusammenhang mit der Erkrankung?

Ich messe meinen Blutzucker nach wie vor manuell. Tagebuch führe ich nur, wenn es notwendig ist. Auch benutze ich keine Apps oder andere technische Hilfsmittel. Als Sportler habe ich meinen Körper sehr gut kennengelernt und komme daher mit meinem Diabetes gut zurecht und erkenne recht schnell, wenn meine Werte nicht passen. Aber ich bin der Technik durchaus aufgeschlossen, sollte ein Gerät auf den Markt kommen, das meinen Alltag weiter erleichtert, sage ich nicht nein.

Schränkt Sie die Pumpe in bestimmten Situationen körperlich ein?

Nein überhaupt nicht. In Situationen, wo sie stören würde, lege ich sie einfach für maximal 45 Minuten ab. Zum Schwimmen oder für den Saunabesuch zum Beispiel. Beim Sport stört sie mich überhaupt nicht, selbst beim Gewichtheben nicht. Da stecke ich sie einfach in eine eng anliegende Sportunterhose. Das konnte ich mir anfänglich nicht vorstellen, da ich jemand bin, der nicht gerne Dinge am Körper trägt. Aber bei der Pumpe hat mir das nie etwas ausgemacht, die Vorteile überwiegen so stark, dass sie für mich nie ein Problem dargestellt hat.

Würden Sie die Pumpe als Hilfsmittel bei Diabetes an andere Betroffene weiterempfehlen?

Mit weiterempfehlen bin ich immer vorsichtig. Was für mich gilt, muss nicht für jedermann gelten. Mich bitten immer wieder Mütter, deren Kinder sich schwer mit dem Diabetes tun, ob ich ihnen nicht die Pumpe ans Herz legen könnte. Das muss vom Kind selbst kommen. Daher zeige ich immer nur die Vorteile auf, entscheiden muss dann jeder für sich. Ich bin happy mit der Pumpe und würde sie nie wieder hergeben wollen.