Berlin. Offiziell haben mehr als eine halbe Million Deutsche als Rentner zu wenig Geld zum Leben. Die Dunkelziffer dürfte aber höher liegen.

Mehr als einer halben Million Menschen in Deutschland bleibt nach dem Erwerbsleben so wenig Geld, dass sie die staatliche Grundsicherung im Alter beziehen. Das ist die offizielle Statistik. Aber viele Betroffene scheuen den Gang zum Sozialamt. Dabei könnten sie bei Inanspruchnahme der ihnen zustehenden Leistungen einen Lebensabend mit weniger finanziellen Sorgen verbringen.

„Wir gehen von einer hohen Zahl an Menschen aus, die Grundsicherung aus Scham oder Unwissenheit nicht beantragen, obwohl sie eigentlich ein Anrecht darauf hätten“, sagt Cornelia Jurrmann vom Sozialverband VdK. Die Befürchtung, der Staat ziehe die eigenen Kinder zum Unterhalt heran, nennt sie als weiteren – meist aber unzutreffenden – Grund für die Zurückhaltung. Wer Hilfe benötigt, sollte sich nicht scheuen, die Grundsicherung zu beantragen, rät auch die Deutsche Rentenversicherung (DRV).

Das müssen Sie wissen:

• Anspruchsberechtigte

Grundsicherung im Alter können Personen erhalten, deren eigenes Einkommen und Vermögen so niedrig sind, dass es zum Lebensunterhalt nicht reicht. Ein Antragsteller muss die Regelaltersgrenze (je nach Geburtsjahrgang zwischen 65 und 67 Jahre) erreicht oder überschritten haben. Die DRV nennt als Faustregel: Jeder, dessen Einkommen unter 823 Euro im Monat liegt, sollte prüfen lassen, ob Anspruch auf Grundsicherung besteht.

• Rückgriff auf Kinder

Kaum jemand will, dass seine Kinder zu Zahlungen verpflichtet werden. Wichtig zu wissen ist daher: Der Staat greift auf den Nachwuchs in aller Regel nicht zurück. Nur Kinder mit einem Jahreseinkommen von mehr als 100.000 Euro können zu Unterhaltzahlungen herangezogen werden. Liegt das Einkommen niedriger, muss es auch nicht nachgewiesen werden.

• Höhe der Leistung

Der vom Staat monatlich gezahlte Betrag ist individuell unterschiedlich. Er hängt ab vom Sozialhilfe-Regelsatz (derzeit 409 Euro für Alleinstehende, 368 Euro je Person für Paare) zuzüglich der angemessenen Miete (abhängig von der Region) samt Heizung und Nebenkosten, den Krankenversicherungsbeiträgen sowie eventueller weiterer Zuschläge etwa für schwerbehinderte Menschen (Merkzeichen G oder aG im Ausweis). Auch „einmalige Bedarfe“ – etwa der Kauf von Haushaltsgeräten – erhöhen den Leistungsanspruch.

Eigenes Einkommen, etwa die Rente oder der Verdienst aus einem Minijob, wird ganz oder teilweise angerechnet, also vom errechneten Bedarf abgezogen. Beispielsweise bleiben nur 30 Prozent eines Minijob-Gehalts anrechnungsfrei. Laut Bundessozialministerium betrug der durchschnittliche Bedarf von Grundsicherungsbeziehern zuletzt 785 Euro monatlich.

• Eigenes Vermögen

Bevor der Staat die Hilfszahlung leistet, muss eigenes Vermögen bis auf ein Schonvermögen verwertet werden. Dieser Freibetrag ist seit dem 1. April von 2600 Euro auf 5000 Euro gestiegen. Er gilt neben dem Antragsteller auch für die Ehe- und Lebenspartner sowie für alleinstehende Minderjährige. Zum Vermögen zählen Immobilien, Auto, Sparguthaben und Schmuck. Ein selbstbewohntes Haus oder eine Eigentumswohnung müssen allerdings nicht verkauft werden, solange die Wohnverhältnisse in den Augen der Behörden „angemessen“ sind. Auch Erb- und Familienstücke von hohem ideellen Wert dürfen behalten werden.

• Antragstellung

Für Anträge zuständig sind die kommunalen Sozialhilfeträger – was viele Bedürftige wegen einer persönlichen Nähe zu Behörden-Mitarbeitern abschrecken dürfte. „Betroffene, die den Gang zum Sozialamt scheuen, können ihren Antrag aber auch beim Rentenversicherungsträger abgeben“, sagt die VdK-Expertin Jurrmann. Die Entscheidung über den Antrag trifft dann aber ebenfalls das Sozialamt. Den Anträgen beiliegen müssen Rentenbescheide, Mietverträge, Nebenkostenabrechnungen, Krankenversicherungsnachweise, Sparbücher und möglicherweise weitere Belege. Bewilligungen sind immer nur für ein Jahr gültig. Danach ist ein Folgeantrag nötig.

• Betroffene

Bundesweit erhielten im Dezember 2016 rund 525.600 Personen Grundsicherung im Alter, das waren 150.000 mehr als zehn Jahre zuvor. Laut VdK nehmen immer mehr Rentner einen Minijob an, um keine Grundsicherung beantragen zu müssen.

Wie viele Bundesbürger Anspruch auf die Sozialleistung haben, ohne einen Antrag zu stellen, ist statistisch nicht erfasst. Experten sprechen jedoch von einer hohen Dunkelziffer an verdeckter Altersarmut.