Frankfurt. Versicherungen müssen künftig eine „Solvenzquote“ erfüllen. Damit sehen Kunden, wie gut das Unternehmen ist. Die Branche ist nervös.

Versicherungs­kunden können bald schnell erkennen, wie gut ihr Anbieter tatsächlich aufgestellt ist. Manche der rund 350 Versicherungen in Deutschland bibbern schon vor Montag. Spätestens dann müssen sie nämlich eine Kennzahl veröffentlichen, die Auskunft über ihre finanzielle Stabilität gibt. Erste Zahlen gibt es bereits.

Das Geschäft ist sicher zu komplex, um die ganze Wirklichkeit in eine Zahl zu pressen. Deshalb scheuen Anbieter sogar, die Kennzahl so zu benennen, wie sie offiziell heißt: „Solvenzquote“. Denn das klingt schnell nach „Insolvenz“, sollte die Zahl niedrig sein. Deshalb vorweg der „grundsätzliche Befund, dass die Branche kurz- und mittelfristig keine lebensbedrohlichen Probleme haben wird“. So formulierte es Frank Grund, bei der Finanzmarktaufsicht Bafin zuständig für die Versicherungsaufsicht. Bafin-Präsident Felix Hufeld sagte aber auch: „Eine Reihe von Lebensversicherern beaufsichtigen wir besonders intensiv. Dafür haben wir gute Gründe.“

Versicherungen brauchen Eigenkapital als Puffer in der Not

Die Solvenz – Zahlungsfähigkeit – mag also derzeit gesichert sein, für die Zukunft muss das aber nicht gelten. Einen Hinweis darauf kann die „Solvenzquote“ geben. Ein europäisches Regelwerk („Solvency II“) hält Versicherungen zu ausreichend Eigenkapital als Puffer in der Not an. „Not“ wird ziemlich dramatisch formuliert: Die Firmen sollen das versicherungsmathematisch größtmögliche negative Ereignis binnen 200 Jahren überleben können. Gedacht ist an solche Schocks wie die Finanzkrise 2008/2009 oder den Börsencrash zur Jahrtausendwende.

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    „Es geht darum, ein Ereignis abzubilden, das dazu führen kann, dass die Eigenmittel aufgebraucht werden könnten“, sagt Abdulkadir Cebi von der Ratingagentur Assekurata. Damit das nicht passiert, legt die Aufsicht Kapitalanforderungen fest, die die Schocks abfedern könnten. Dann wird das tatsächlich vorhandene Eigenkapital dazu in Beziehung gesetzt. Die Aufsicht verlangt eine Quote von mindestens 100. Dann deckt das Eigenkapital die Anforderungen zu 100 Prozent.

    HUK Gruppe liegt vor der Münchner Rück

    Erste Ergebnisse liegen vor. Die HUK Gruppe kann komfortable 336 Prozent vorweisen. Talanx kommt auf 186. Die Münchner Rück, zu der die Ergo-Versicherungen gehören, hat für die Gruppe eine Quote von 316 (Stand Ende 2016) gemeldet und für ihre Lebensversicherung Ergo Leben eine von 328 – mit erlaubten Übergangsmaßnahmen, sonst wären 100 herausgekommen.

    Es kann auch Unternehmen geben, die Quoten von weniger als 100 melden werden. Auch dann bestehe zwar „keine akute Gefahr“, sagt Versicherungsexperte Cebi, weil ja für das normale Geschäft allemal genügend Eigenkapital vorhanden sei, nur eben nicht für den „gestressten Ausschnitt der Realität“. Gleichwohl werde die Versicherungsaufsicht dann verlangen, die Quoten aufzufüllen, sei es durch ein anderes Geschäftsmodell oder durch Zuführung von Eigenkapital. Die Münchner Rück versteht Quoten von unter 140 als „suboptimal“. Solche von 175 bis 220 lägen in der „Zielkapitalisierung“.

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      Die Quote ist nur ein Indikator unter mehreren

      Die Solvenzquote zu interpretieren, sei schwierig, sagt Assekurata-Analyst Cebi. Sie sei nur ein Indikator, könne aber nicht die ganze Wirklichkeit abbilden. Der in der Branche oft als rebellisch geltende Bund der Versicherten freut sich gleichwohl auf die Zahlen: „Wer schon im Vorfeld behauptet, die Berichte könnten nicht miteinander verglichen werden, der torpediert damit das europäische Aufsichtsregime.“

      Klar ist: Höher als 100 ist eine bessere Quote, weniger als 100 eine schlechtere. Wer im Internet seine Versicherung mit einer „schlechten“ Quote vorfindet, muss nicht ans Schlimmste denken. Kommt es doch, hat die Branche mit „Protector“ eine Auffanggesellschaft eingerichtet, in der insolvente Versicherungen abgewickelt werden und die dem Versicherten das Gros seiner Ansprüche auszahlt.