Santa Cruz. Die größte der kanarischen Inseln hat eine facettenreiche Kulturszene, die viel zu häufig übersehen wird. Zu Besuch auf Teneriffa.

Es gibt Frauen, mit deren Tempo selbst Nico Rosberg kaum mithalten könnte. Dulce Xerach ist so eine Person. Auf ­roten Pumps geht die 47-Jährige voraus. Wir haben drei Stunden Zeit, um die Kulturszene ihrer Heimatstadt Santa Cruz de Tenerife kennenzulernen. Ganz schön knapp, könnte man denken.

Nicht so für Dulce Xerach. In der Zeit könnte sie wahrscheinlich noch einen Doktortitel machen. Was sie aber gar nicht bräuchte, weil sie schon mehrere hat. Jura, Architektur, Geschichte – sie hält Vorträge an Unis weltweit, den nächsten in Shanghai. Nebenbei schreibt sie Kriminalromane, kuratiert Ausstellungen, fördert junge Talente und verfasst historische Abhandlungen.

„Voilá: Nelsons Arm“, sagt sie und zeigt auf eine Vitrine. Der britische ­Admiral verlor das Körperteil 1797 bei einem Angriff auf Santa Cruz. Eine ­Kugel hatte seinen rechten Arm getroffen, der Militärarzt trennte ihn kurzerhand bis zur Schulter ab, sodass Nelson 30 Minuten später schon wieder Kommandos geben konnte.

Doppelte Dosis Schönheit: die der Natur und die der Kunst

Wir befinden uns im Círculo de ­Bellas Artes, dem coolsten Kunstzentrum der Insel, als dessen Präsidentin Dulce Xerach fungiert. Das Gebäude liegt mitten in der Fußgängerzone von Santa Cruz, es wurde auffallend bunt bemalt und dennoch gehen Hunderte von Touristen und Kreuzfahrer, die ganz in der Nähe ihre Schiffe verlassen, einfach nur daran vorbei.

Sie wissen nicht, dass hier der Surrealismus geboren wurde. 1935 stellten Dalí, Picasso, André Breton und andere spätere weltberühmte Künstler hier zum ersten Mal ihre Arbeiten aus und machten die Welt-Avantgarde auf sich und damit auch auf die Atlantikinsel aufmerksam. Verkauft wurde kein einziges ihrer Werke, doch es war eine Bewegung geboren, die bis heute anhält. Teneriffa stellte nicht nur im 19. Jahrhundert einen Sehnsuchtsort für Kreative dar – die Insel ist es noch immer.

Mit 25 Jahren Kulturministerin

Lucilla Bellini beispielsweise zog extra von Italien her: „Als Künstlerin habe ich hier mehr Möglichkeiten, mich zu zeigen als in Italien, weil es regelmäßig Ausstellungen und Förderungen gibt.“ Die junge Italienerin fertigt Collagen an, vor allem in ihrer Lieblingsfarbe Pink. Sie durfte die komplette Dach­terrasse des Círculo de Bellas Artes gestalten.

Dulce Xerach wurde bereits mit 25 Jahren Kulturministerin der kanarischen Inseln, acht Jahre lang brachte sie alles und jeden, der kreativ war, nach vorn. Sie war es, die die Architekten Herzog & de Meuron entdeckte, die dann später in Hamburg die Elbphilharmonie gestalteten. Wie zuvor bei Dalí und Picasso wurde Teneriffa für die beiden Architekten zum Karrierebeschleuniger. Herzog & de Meuron schufen gemeinsam mit ­Dulce Xerach das TEA, das Tenerife Espacio de las Artes, bei dem der Kunstgenuss schon draußen beginnt. Das Betongebäude glänzt durch seine verspiegelten Glasbetonbausteine; ein öffentlicher Fußweg führt quer durch das Gebäude. Drinnen hängen Werke des prominentesten Inselmalers Óscar Domínguez sowie die dekorativsten Bibliothekslampen der Welt.

In den Bergen liegt Hotspot der Insel

Jetzt muss Superwoman aber los, sie ist eingeladen auf eine Party des Hard Rock Hotels, des neuen Hotspots im Süden Teneriffas. Ein Hotel wie ­dieses, das sich ganz der Musik und dem coolen Lifestyle verschrieben hat, gab es bislang auf der Insel nicht. Dulce Xerach und ihre Künstlerfreunde sind mehr als froh über diesen Ort, der neue Zielgruppen anspricht und eine tolle Chance für die heimischen Musiker eröffnet. „Wir wollen die Umgebung in unseren Sound einbauen“, sagt Matt Watts. Der Manager aus Orlando sorgt für Musik in den Hard Rock Hotels weltweit.

Ein weiterer Kreativ-Spot Teneriffas liegt 20 Minuten vom Hotel entfernt in den Bergen von Arona. Mariposa nennt sich der Kulturpark, der wie eine Insel auf der Insel daherkommt. Ebenso touristisch unentdeckt wie das Círculo de Bellas Artes stehen dort Skulpturen von fast 100 verschiedenen Künstlern aus aller Welt wie Ausrufezeichen auf dem vulkanischen Boden: Mach was! Denk nach! Spiel mit!

Mariposa solle eine Keimzelle für neues Denken sein, ein Erfahrungsort, der seine Besucher bewegt, erklärt Helga Müller. Die Stuttgarterin eröffnete dieses einzigartige Freiluftkunstwerk 1993. Auf Anmeldung erhalten die ­Besucher eine dreistündige Führung über das knapp drei Hektar große ­Gelände. Es gibt Klangsäulen, die zum Zuhören animieren. Metallkuben, die bei Dunkelheit in verschiedenen Sprachen den Satz „Die Nacht ist der Schatten der Erde“ beleuchten.

Deutsche Schüler lernen hier kulturelles Engagement

„Mariposa ermöglicht eine völlig andere Art der Kommunikation“, verspricht Helga Müller. Gerade wichtigen Entscheidungs­trägern würde ein Ausflug nach Mari­posa guttun, glaubt sie. Der permanente Stress verhindere, das große Ganze zu überblicken. Es bleibe keine Zeit mehr, das eigene Unternehmen von außen zu betrachten. „Eine Auszeit kann Fähigkeiten des Individuums wieder in Gang setzen, die wegen mangelnder Nutzung verkümmern: die Fähigkeit, Bretter vor dem Kopf wegzu­nehmen, sich an Details zu erfreuen und so letztlich festzustellen, dass einem wirklich Neues einfallen kann, dass man selber kreativ ist,“ sagt Müller.

Liest man die Einträge im Gästebuch, dann scheint die Schönheit des Ortes die Gedanken vieler Besucher durchaus zu beflügeln. „Von Ruhe umgeben und angeleitet von der Kunst, können wir frisches und schöpferisches Denken lernen und gemeinsam Maßstäbe für unser Handeln gewinnen. Wir brauchen diese politische Kraft menschlicher Kultur!“, schrieb Richard von Weizsäcker ins Gästebuch. Auch Oberstufenschüler von deutschen Gymnasien sind eingeladen, sich in dem Kunstpark zu sogenannten Mariposien zu versammeln.

Die Idee ist, bei aller Faszination für die technischen Erfindungen der heutigen Zeit das kulturelle Engagement nicht zu vergessen. Für diese Erziehungsausflüge wurden extra Unterkünfte geschaffen. 16 Schlafplätze in Jurten oder kleinen Häusern mit ­Küchen und Duschen unter freiem Himmel stehen bereit. Ein Feriencamp der Sinne versteckt am südwestlichsten Punkt Europas – das ist auf jeden Fall kreativ.

Tipps & Informationen

Anreise z. B. mit Condor, Niki, Tuifly, Norwegian Air oder Eurowings von Hamburg nonstop nach Teneriffa.

Unterkunft z. B. im Hard Rock Hotel Eine Woche mit Flug ab 1049 Euro pro Person im Doppelzimmer. Zu buchen zum Beispiel über FTI (www.fti.de)

Auskunft www.webtenerife.de

(Die Reise wurde unterstützt von FTI und Palladium Hotel Group)