Berlin. Sie tut weh, demotiviert und kommt meist unerwartet. Doch man kann der Missbilligung des Chefs oder des Kollegen die Spitze nehmen. Es gibt mehrere Tipps, wie man das Beste aus der Situation macht.

„Wer hat Sie eigentlich eingestellt? Sie haben fest vor, diese Firma zu ruinieren, oder?!“ Wenn der Chef so lospoltert, kann es schwerfallen, die Nerven zu behalten. Denn eine solche Kritik ist nicht nur verletzend und unsachlich, sie führt auch zu nichts. Nicht zu besseren Ergebnissen, nicht zu mehr Engagement. Wenn sich solche Situationen häufen und die Kündigung keine Option ist, dann können diese Tipps dabei helfen, Kritik grundsätzlich besser zu ertragen. Und sie selbst richtig zu äußern.

Passende Situationen schaffen

Wenn jemand etwas zu kritisieren hat, wartet er nicht immer eine ruhige Situation ab, sondern platzt oft sofort damit heraus. Vor versammelter Belegschaft im Großraumbüro. Doch es muss nicht jeder mitbekommen, was dem Chef oder dem Kollegen nicht passt: Kritik ist etwas Privates. „So lange man die Möglichkeit hat, die Situation zu lenken, sollte man sein Gegenüber um ein Vier-Augen-Gespräch bitten“, sagt die Kommunikationstrainerin Barbara Berckhan. Sie schlägt eine Formulierung wie diese vor: „Ich habe das Gefühl, dass Sie mir etwas Wichtiges sagen wollen, können wir dazu in Ihr Büro gehen?“

Zuhören und durchatmen

Egal, worum es dem Kritisierenden inhaltlich geht: „Erst einmal zuhören“, empfiehlt Barbara Berckhan. „Gerade wenn jemand mit Wucht auf Sie zukommt, hat er Emotionen aufgestaut, die er nun loswerden muss.“

Die Psychotherapeutin Dr. Doris Wolf rät dazu, tief durchzuatmen und eine selbstsichere Körperhaltung einzunehmen, um sich innerlich klarzumachen: Von der Situation geht keine Lebensgefahr aus – auch wenn manchem die aufsteigende Panik gerade das signalisiert.

Fällt die Kritik besonders hart aus, hilft es, sich innerlich zu beruhigen, so Doris Wolf: „Es ist nur seine Sicht der Dinge. Ich kann ruhig zuhören und prüfen, was ich damit anfange. Er hat keine Macht über mich.“

Sachlich reagieren

Manchmal ist schwer auszumachen, ob eine Kritik berechtigt ist, ob der andere nur Frust ablädt oder ob es sich einfach um ein Missverständnis handelt. Eine Reaktion aus der Überrumpelung heraus geht daher oft nach hinten los. Wer merkt, dass er auch nach kurzer Atempause nicht angemessen reagieren kann, vor allem bei komplexeren beruflichen Vorgängen, sollte um eine kurze Unterbrechung bitten und sich für einen Moment sammeln.

Die Reaktion, ob nun spontan oder nach Bedenkzeit, sollte dem Gegenüber stets zeigen, dass man seine Kritik ernst nimmt, rät Barbara Berckhan. Das kann im Einzelnen bedeuten, dass man erklärt, welche Missverständnisse, Abläufe oder Strukturen zu dem Fehler geführt haben. Vielleicht ist auch eine Entschuldigung angebracht. „Niemals aber sollte man sich als Opfer präsentieren“, sagt Barbara Berckhan. Wurde ein konkretes Verhalten kritisiert, bleibt nur: Einsicht zeigen, wenn die Kritik gerechtfertigt ist, und Besserung geloben.

Selbst wenn die Kritik extrem unsachlich vorgebracht wurde, sollte man nicht einfach zurückschießen, sondern das Gespräch auf eine sachliche Ebene zurückzuholen, rät Doris Wolf: „Fragen Sie genau nach, worauf der Kritiker seine Kritik bezieht und was er damit meint. Gestehen Sie ihm seine eigene Sichtweise zu, aber bestehen Sie auf Ihre Grenzen.“

Auch der Chef dürfe in die Schranken gewiesen werden, in etwa so: „Ich verstehe Ihren Ärger. Es tut mir leid. Sprechen Sie aber bitte in einem anderen Ton mit mir.“

Kritik richtig äußern

Mit Kritik richtig umzugehen, ist eine Sache – sie richtig zu äußern, eine andere. Wenn man Woche für Woche im Mittelpunkt kleiner Scherze steht, mit denen der Chef das Kollegium erheitert – dann ist es Zeit für ein offenes Gespräch. „Aber niemals aus dem Affekt heraus!“, rät Barbara Berckhan.

Man sollte also überlegen: ‚Was genau stört mich eigentlich?‘, und das in präzise Worte fassen. „Signalisieren Sie, dass Sie den anderen achten oder mögen, aber dieses konkrete Verhalten nicht akzeptieren“, sagt Doris Wolf. Manchmal hilft auch ein Lob zum Einstieg. „Ein Lob für das, was funktioniert, wirkt wie eine Schutzmatte und kann die Kritik ein wenig abpuffern.“

Hat man seine Kritik vorgebracht, sollte man dem Gegenüber Zeit für eine Antwort lassen, und dann eine Art „gemeinsame Vereinbarung“ treffen, so Berckhan. „Nicht diktatorisch etwas einfordern, sondern den anderen mit ins Boot holen.“

Gerade bei komplexeren Problemen, etwa bei Streitereien über Aufgabenverteilung und Arbeitsabläufe oder vermeintliche Ungerechtigkeiten, sind gemeinsame Lösungen die beste Wahl.

„Man sollte etwas aushandeln, das für beide Seiten funktioniert“, sagt Barbara Berckhan. „Und wenn es danach besser läuft:
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!“ Zu einer Kritik gehöre stets auch das positive Feedback, wenn sich etwas bessert.