Berlin. Versicherer ermitteln per Schadensquote, ob sich ein Vertrag für sich auch lohnt. Für Verbraucher kann das negative Folgen haben.

Den Blechschaden? Übernimmt die Kfz-Haftpflicht. Die Überschwemmung nach dem Rohrbruch? Begleicht die Wohngebäudeversicherung. Der Zusammenstoß beim Radfahren? Ein Fall für die Privathaftpflicht. Aber aufgepasst: Auch wenn der Versicherer für den Schaden aufkommt, einen Teil holt er sich mitunter wieder zurück. Bei der Kfz-Haftpflicht mit der Höherstufung, bei anderen Versicherungen mit Beitragserhöhung oder Kündigung. Daher sollten Versicherungskunden in manchen Fällen genau prüfen, ob sie einen Schaden melden sollten. Denn Selbstzahlen kann günstiger sein.

Welche Versicherungsarten sind besonders betroffen?

Autofahrer kennen es: Im Jahr nach einem selbst verschuldeten Schadensfall steigt ihr Beitrag in der Kfz-Haftpflicht und in der Vollkaskoversicherung, weil sie in eine ungünstigere Schadensfreiheitsklasse (SF-Klasse) eingestuft werden. Dem entgeht nur, wer vorher den sogenannten Rabattschutz in seinem Vertrag stehen hatte. Auch wenn die Versicherer unterschiedliche Systeme haben, nach denen sie Unfallfahrer hochstufen, generell werden dabei alle Kunden gleichbehandelt.

Bei der Wohngebäudeversicherung oder der Privathaftpflicht sieht das ganz anders aus. Hier schaut sich der Versicherer genau an, was der Kunde für Schäden meldet und wie oft. Der Beitrag erhöht sich nicht, wenn man einen oder mehrere Schäden gemeldet hat – wohl aber die Wahrscheinlichkeit, gekündigt zu werden. Der Versicherer behält sich vor, seine Kunden loszuwerden, nachdem sie die Versicherung in Anspruch genommen haben. Auch bei anderen Haftpflichtpolicen, etwa Tierhalterhaftpflicht, und bei Sachversicherungen wie Hausrat und Rechtsschutz ist ein solches Sonderkündigungsrecht üblich.

Erhöhen auch kleine Schäden das Risiko, gekündigt zu werden?

Es kommt tatsächlich nicht so sehr auf die Höhe eines Schadens an – der Aufwand, mehrere kleine Schäden zu regulieren, kann dem Versicherer viel mehr Arbeit machen und höhere Kosten verursachen. Versicherungsexpertin Elke Weidenbach von der Verbraucherzen­trale NRW erklärt: „Die Versicherer ermitteln die Rentabilität eines einzelnen Versicherungsvertrages nach der Schadensquote. Dies ist eine Kennzahl, nach der die Beitragseinnahmen zum Schadenaufwand ins Verhältnis gesetzt werden.“ Nach mehreren kleinen Schäden kann die Schadensquote schlechter ausfallen als nach einem großen. Und einen unrentablen Vertrag wird ein Versicherer eher nicht weiterführen.

Droht zwangsläufig die Kündigung, wenn Kunden mehrere Schäden gemeldet haben, oder wird zu neuen Konditionen weiterversichert?

Nach Erfahrung der Verbraucherzen­tralen wird nicht immer gleich gekündigt. Elke Weidenbach sagt: „Im Bereich Haftpflicht und Sachversicherung kann der Versicherer zum Beispiel auch mitteilen, dass er den Vertrag nur mit einer Selbstbeteiligung fortführen will. Akzeptiert der Versicherungsnehmer dies nicht, wird der Versicherer die Kündigung aussprechen.“ Für den Kunden kann es besser sein, einen Schaden gar nicht erst zu melden, wenn es schon vorher Fälle gab. Oder, wenn nach einem Schadensfall die Kündigung droht, ihr zuvorzukommen, indem man selbst kündigt.

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    Kann man die Regulierung eines Schadens noch rückgängig machen?

    Das geht, aber nur bei der Kfz-Haftpflicht und der Vollkasko. Das Ganze nennt sich Schadenrückkauf und ist nichts anderes, als den finanziellen Schaden selbst zu begleichen, nur eben nachträglich. Die Versicherung geht in Vorleistung und reguliert den Schaden. Je nach den Vertragsbedingungen hat man innerhalb von sechs Monaten oder bis zum Ende des jeweiligen Jahres Zeit, sich zu entscheiden, die Schadenssumme dem Versicherer zu überweisen. Dann läuft der Vertrag so weiter wie bisher.

    Ist der Versicherer verpflichtet, für den Kunden auszurechnen, was günstiger ist?

    Ob sich der Rückkauf lohnt, kann der Versicherer natürlich ganz genau berechnen. Aber längst nicht alle Versicherungen informieren ihre Kunden auch transparent darüber, sondern machen nur pauschale Angaben oder teilen die Werte auch nur nach Aufforderung mit. Wie es im Einzelfall geregelt ist, steht in den Vertragsbedingungen.

    Wo liegt die Grenze bei der Autoversicherung, bis zu der sich das Selbstzahlen lohnt?

    Rechenbeispiele zur Haftpflicht zeigen: In den besonders hohen Schadenfreiheitsklassen bleiben die jährlichen Mehrkosten gering. Allerdings wirkt die Höherstufung ja permanent: Wer vorher in der günstigsten Schadenfreiheitsklasse 35 war, braucht zehn Jahre, um nach einem Unfall wieder dort eingruppiert zu werden.

    Bei niedrigen SF-Klassen macht sich die Höherstufung viel stärker bemerkbar – selbst bei einem relativ günstig zu versichernden Modell der Kompaktklasse steigt der jährliche Beitrag mindestens um 150 Euro, wenn man aus SF-Klasse 10 kommt, und um mehr als 250 Euro aus SF-Klasse 5. Die 1000 Euro, die oft als Faustregel fürs Selbstzahlen genannt werden, sind dann schon innerhalb weniger Jahre verbraucht.