Berlin. Übergewicht und geringe Intelligenz stellten Forscher bei Kindern fest, deren Mütter viel davon gegessen hatten.

Die Liste der Lebensmittel, von denen Schwangeren abgeraten wird, ist lang. Neben Alkohol, Rohmilchprodukten, Kaffee oder rohem Fleisch und Fisch spielte Lakritz bisher eine vergleichsweise kleine Rolle auf dieser Liste. Tierversuche hatten in der Vergangenheit gezeigt, dass sich der in Lakritz enthaltene Stoff Glycyrrhizin negativ auf die Entwicklung ungeborener Kinder auswirken könnte. Finnische Wissenschaftler von der Universität Helsinki prüften diese Vermutung nun am Menschen – mit drastischem Ergebnis. Ihre Studie veröffentlichten sie jetzt im „American Journal of Epidemiology“.

Die Forscher untersuchten mehr als 370 im Schnitt zwölf Jahre alte Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft unterschiedliche Mengen Lakritz verzehrt hatten. Kinder von Müttern, die im Vergleich mehr Lakritz gegessen hatten, wiesen laut Studie einen geringeren Intelligenzquotienten, ein schlechteres Gedächtnis und ein mehr als dreimal höheres Risiko für eine Aufmerksamkeitsdefizitstörung auf – im Vergleich zu Kindern, deren Mütter in der Schwangerschaft nur wenig oder gar kein Lakritz zu sich genommen hatten.

Auf Mädchen wirkte sich hoher Lakritz-Verzehr besonders stark aus. Sie seien im Schnitt größer und schwerer gewesen als für ihr Alter üblich, schreiben die Autoren – ihr Body-Mass-Index lag insgesamt höher als bei Altersgenossinnen. Zudem hätte bei ihnen die Pubertät früher eingesetzt. „Die Studie legt nahe, dass die tägliche Lakritz-Aufnahme in der Schwangerschaft
maximal 35 Gramm betragen sollte, bei skandinavischer Starklakritze deutlich weniger, um solche Spätfolgen zu verhindern“, erklärt Dr. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte. Bisherige Empfehlungen, unter anderem des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), rieten dazu, einen Wert von 100 Milligramm Glycyrrhizin am Tag nicht zu überschreiten – nach Angaben der Verbraucherzentralen entspricht dies etwa 100 Gramm Lakritz.

Glycyrrhizin stammt aus der Süßholzwurzel, deren Extrakt zur Herstellung von Lakritz verwendet wird. Dass der Stoff ab einer bestimmten Menge den Blutdruck steigern sowie zu Ödemen, Muskelschwäche und sehr selten sogar zu Herzrhythmusstörungen führen kann, ist schon seit den 90er-Jahren bekannt. Wie genau er sich auf ungeborenes Leben auswirkt, darüber gibt es jedoch weiterhin nur Vermutungen. „Glycyrrhizin steht im Verdacht, die Plazenta durchlässig zu machen für das natürliche, mütterliche Hormon Cortisol, sodass das ungeborene Baby ein Zuviel davon bekommt“, sagt Albring. Cortisol ist unter anderem an Stoffwechselprozessen beteiligt, hat damit Einfluss auf die Entwicklung von Übergewicht und Diabetes, spielt aber auch bei der Bewältigung von Stress eine wichtige Rolle. Die Cortisol-Werte der in der Studie untersuchten Kinder unterschieden sich allerdings nicht von Altersgenossen. Dennoch raten die Experten Schwangeren, möglichst wenig oder gar kein Lakritz zu verzehren.

„Da Lakritz keine lebensnotwendigen Nährstoffe enthält, ist gegen eine derartige Einschränkung nichts einzuwenden“, so Albring. Ab einem Gehalt von 100 Milligramm Glycyrrhizin pro Kilogramm Süßwaren muss in Deutschland „Süßholz“ auf der Verpackung stehen. Auch in Arzneimitteln, etwa gegen Husten, wird Süßholzextrakt eingesetzt.