Berlin. Die exzessive Nutzung des Smartphones wird für Jugendliche zum Schlafkiller, sagt eine britische Studie.

Allzeit erreichbar, das Smartphone stets griffbereit: In den Schlafzimmern von Jugendlichen piepst und summt es auch
in der Nacht regelmäßig. Freunde schicken Nachrichten über
Whatsapp und Snapchat, Twitter tweetet, Facebook postet, Instagram sendet Bilder, und manchmal verlangt das Mehrspieler-Strategiespiel „Clash of Clans“ eben noch nach einem neuen Highscore: Die sozialen Netzwerke halten die Jugendlichen wach.

Einer von fünf Heranwachsenden lässt sich nahezu jede Nacht von seinem Handy wecken, um online auf dem Laufenden zu sein. Jeder Dritte loggt sich mindestens einmal pro Woche zu später Stunde ein. Mädchen sind dabei aktiver als Jungen. Das geht aus einer britischen Studie hervor, die im „Journal of Youth Studies“ veröffentlicht wurde. Die Autoren, Forscher der Waliser Cardiff-Universität, haben zudem herausgefunden, dass Jugendliche, die nachts auf Dauerempfang sind, tagsüber bis zu dreimal müder sind als ihre Klassenkameraden. Das Schlafdefizit wirke sich wiederum auf das allgemeine Wohlbefinden der Jugendlichen aus.

Bei Müdigkeit erhöht sich

die Unfallgefahr

Für die Studie wurden 900 Schüler zwischen 12 und 15 Jahren mittels Fragebogen zu ihren Schlafgewohnheiten befragt. Konkret ging es um die Frage, ob und wie oft sie nachts aufwachen, um ihre sozialen Netzwerke zu checken. Auch wurden die Jugendlichen zu ihrer Zufriedenheit in unterschiedlichen Lebensbereichen befragt – etwa Schule, Freundschaften und Aussehen.

Diejenigen Jugendlichen, die „fast immer“ aufwachen, um sich einzuloggen und unter Müdigkeit litten, gaben auch an, unglücklicher zu sein. „Unsere Forschung zeigt, dass eine kleine aber signifikante Anzahl von Kindern und Jugendlichen oft müde in die Schule geht – und das sind auch diejenigen, die am unglücklichsten sind“, sagt Studienautorin Sally Power, Professorin an der Cardiff-Universität. Die permanente Nutzung von Social Media bedrohe damit das Schlafzimmer als „Zufluchtsort“, resümiert sie.

Die Ergebnisse untermauern einmal mehr eine Entwicklung, die Schlafforscher mit Sorge betrachten. „Die Beschäftigung mit den Sozialen Medien schränkt den Erholungswert des Schlafes ein – also die Voraussetzung dafür, dass wir tagsüber wach und fit sind“, sagt Alfred Wiater, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. Dies beeinträchtige die Konzentration und erhöhe die Unfallgefahr, langfristig könne es vor
allem bei Jugendlichen zu Beeinträchtigungen von Immunsystem und Wachstum kommen. Kinderärzte und Wissenschaftler bescheinigen den Sozialen Medien zudem ein hohes Suchtpotenzial.

Schon 2015 fanden Medienforscher der Universität Mannheim heraus, dass das Smartphone vor allem eines ist: ein Statussymbol. Die exzessive Nutzung sei von der Angst getrieben, aus dem Freundeskreis ausgeschlossen zu werden. Eben auch in der Nacht. Wie eine Studie einer Landauer Forschergruppe 2016 ergab, beschäftigen sich drei von vier Jugendlichen noch in den letzten zehn Minuten vor dem Zubettgehen mit ihrem digitalen Begleiter. Bei
60 Prozent liegt das Gerät auf dem Nachttisch, bei 23 Prozent direkt im Bett. Nur zwei Prozent ließen der Erhebung zufolge das Smartphone außerhalb des Schlafzimmers.

Ärzte, Verbände und Wissenschaftler in Deutschland sehen mittlerweile „erheblichen Missbrauchstendenzen im Umgang mit digitalen Medien“. Gemeinsam wollen sie in dem gemeinnützigen Projekt „Blikk-Medien“ Instrumente entwickeln, um der Entwicklung frühzeitig zu begegnen, wie Uwe Büschking vom Vorstand des Berufsverbandes für Kinder- und Jugendärzte sagt. In einer ersten Studienphase mit mehr als 3000 untersuchten Kindern und Jugendlichen fanden die Initiatoren heraus, dass Dreiviertel der Zwei- bis Vierjährigen bereits täglich 30 Minuten mit einem Smartphone spielt. Bei ihnen zeigten sich Zusammenhänge zwischen Nutzungsdauer und Sprachentwicklung, so ein erstes Ergebnis. Ähnliches zeige sich
bei älteren Kindern, was Lese- und Rechtschreibschwächen, Aufmerksamkeit und Aggressivität anginge.

Für Kinderarzt Hermann Josef Kahl ist das nicht überraschend. Er rät Eltern zu einem wirksamen Verbot für Nacht-Surfer:
„Handys und Tablets sollten abends vor dem Schlafzimmer abgegeben werden müssen – das gilt übrigens für die ganze Familie.“