Berlin. Eine Online-Kampagne spendet pro diskriminierendem Beitrag bei Facebook einen Euro an soziale Projekte.

„Ich bin kein Rassist aber wer das deutsche Volk systematisch zerstören will indem immer mehr Terroristen ins Land geholt werden unter dem Decknamen Flüchtlinge der hat ein Leben in diesem Deutschland nicht verdient.“ Diesen Hasskommentar hat ein Nutzer genauso auf seiner Facebook-Pinnwand gepostet. Ein Unterstützer der Homepage

hasshilft.de hat ihn gefunden. Nun schmückt ein bunter „Hass hilft“-Button den Kommentar und einer der Partner der Kampagne spendet einen Euro an ein soziales Projekt – der Neonazi hilft damit indirekt Aussteigern aus der rechten Szene.

„Wir sollten Hysterie vermeiden und Hasskommentaren nicht so viel Aufwind geben. “
„Wir sollten Hysterie vermeiden und Hasskommentaren nicht so viel Aufwind geben. “ © Monika Taddicken, Kommunikations- und Medienwissenschaftlerin

Vor einem Jahr startete die ungewöhnliche Online-Spendenaktion. Entstanden ist die Idee aus der Aktion „Rechts gegen Rechts“. Neonazis marschieren bei ihren Demonstrationen – und pro gelaufenen Meter zahlen Unternehmen und Bürger einen Euro für Projekte gegen Rechtsextremismus. Mit der zunehmenden Brisanz der Hasskommentare im Internet beschloss die Initiative, diese Mechanik auch online zu nutzen. „Die Reaktion im Netz auf den Tod des Flüchtlingsjungen Aylan am Mittelmeer verstärkte den Plan, „Hass hilft“ zu starten“, erzählt Fabian Wichmann. Er ist Sprecher des Trägers der Kampagne: Das 1997 gegründete Zentrum Demokratische Kultur setzt sich bundesweit mit zahlreichen Projekten für die Grundwerte Freiheit und Würde ein.

Finanziert und unterstützt wird die Aktion von zahlreichen Partnern und Privatspendern. Seit der Gründung vor einem Jahr sind damit laut eigenen Angaben rund 17 000 Hasskommentare in 21 500 Euro „umgewandelt“ worden. Die Spenden kommen zwei Organisationen zugute. Ein Teil der Spenden geht an die „Aktion Deutschland hilft“ – ein Bündnis deutscher Hilfsorganisationen, die im Katastrophenfall Nothilfe leisten. Des weiteren wird das Projekt „Exit-Deutschland“, das Aussteigern aus der rechtsextremen Szene beim Aufbau eines neuen Lebens hilft, unterstützt.

Ohne aufmerksame Unterstützer geht es nicht

Doch wie funktioniert das genau? Jeder Facebook-Nutzer kann der Initiative Hasskommentare melden. „So kommen 40 bis 50 Nachrichten täglich zu uns“, sagt Wichmann. Sechs Ehrenamtliche überprüfen, ob es sich tatsächlich um einen Hasskommentar handelt. Als Hasskommentar wird jeder Post definiert, der rassistisch, antisemitisch, fremdenfeindlich, homophob, abwertend gegenüber Behinderten oder Obdachlosen oder sexistisch gegen eine Person oder eine Gruppe formuliert ist. Die Aktion läuft über Facebook. „Die App erkennt die URL und darüber können wir einen Kontakt zu dem Kommentar-Schreiber herstellen“, erklärt Wichmann. Jeder Hetzer erhalte so eine automatische Antwort mit persönlicher Ansprache – öffentlich einsehbar auf der Facebook-Pinnwand.

„Wir konzentrieren uns in erster Linie auf den Inhalt und nicht auf den Nutzer“, stellt Wichmann klar. Daher werden die Nachnamen abgekürzt und Profilfotos nicht veröffentlicht.

„Wir erhalten viel positives Feedback. Von den Hassern schlägt uns natürlich auch Wut entgegen. Es kommt aber auch schon mal vor, dass Hasskommentare gelöscht werden oder sich die Verfasser sogar für ihren Kommentar entschuldigen“, berichtet Wichmann.

Ein Großteil der Hasskommentare richte sich gegen Flüchtlinge und den Islam. Mittlerweile gebe es keine Differenzierungen mehr und es werde einfach nur noch gegen Ausländer gehetzt. Wichmann sieht die Gefahr, dass die Menschen durch die Flut an Kommentaren abstumpfen könnten. Daher ist es ihm umso wichtiger, mit der Aktion „Hass hilft“, auf diese Entwicklung im Internet zu reagieren und aufmerksam zu machen.

Die Forschung steht bei diesem Thema noch am Anfang

Die Entwicklung der Online-Kommunikation – insbesondere in den sozialen Netzwerken – beobachtet auch die Wissenschaft. Monika Taddicken, Professorin für Kommunikations- und Medienwissenschaften von der TU Braunschweig, untersucht etwa das Phänomen. „Wir sollten Hysterie vermeiden und Hasskommentaren nicht so viel Aufwind geben. Die Forschung zu diesem Thema hat gerade erst begonnen und noch liegen keine wissenschaftliche Erkenntnisse vor“, gibt sie zu bedenken. „Kommunikationswissenschaftler führen aktuell eine große Debatte über die Reichweite der Online-Kommunikation“, sagt Taddicken.

Natürlich könne man beobachten, dass sich Verfasser von Hasskommentaren in der Gruppe stark und sicher fühlen. Doch sinkende Hemmungen durch die Anonymität spiele bei Facebook nur noch bedingt eine Rolle, denn dort seien die Profile zumindest größtenteils echt und komplett einzusehen.

Die Wissenschaftlerin betont, dass online Raum für viele Ideen und Meinungen sei. Eigentlich sei genau dies ein Instrument unserer Demokratie. „Hass hilft“ bewertet sie als positives Signal im oft heiklen Online-Diskurs. Dennoch wünscht sie sich, trotz aller Emotionalität Geduld für die Forschung, um die tatsächlichen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft zu beweisen.