Berlin . Mit der Pflegeform erhalten Pflegebedürftige ab 2017 mehr Geld. Die staatlichen Leistungen decken allerdings nur einen Teil der Kosten.

Durch die Pflegereform zum Jahreswechsel ist plötzlich auch die Frage der privaten Zusatzvorsorge wieder ein großes Thema. Immer mehr Deutsche sichern sich mit einer Pflegezusatzversicherung ab – aus Angst, das Ersparte zu verlieren, um die Lücke zwischen den Kosten und den Leistungen der Pflegekasse zu schließen. Wer noch keine Pflegezusatzversicherung hat, sollte sich jetzt zwei Fragen stellen: Wie soll meine Zusatzvorsorge aussehen? Und: Wie eilig habe ich es?

Die passende Versicherung

Die häufigste Art der Absicherung ist die Pflegetagegeldversicherung, die im Fall der Pflegebedürftigkeit einen monatlichen Geldbetrag auszahlt. Wie hoch ist das finanzielle Risiko der Pflege aber nun tatsächlich? Das Kostenrisiko für Pflegebedürftige ist kalkulierbar – aber stark abhängig vom Wohnort. Die durchschnittlichen monatlichen Kosten für einen Heimplatz liegen laut Statistischem Bundesamt bei 3017 Euro.

In der bisherigen Pflegestufe III gibt es 1612 Euro, beim künftigen Pflegegrad 4 1775 Euro. Die Lücke beträgt also im Mittel rund 1400 Euro. Dahinter verbirgt sich aber, dass die Durchschnittskosten der Heimunterbringung in NRW, dem teuersten Bundesland, mit 3511 Euro fast 50 Prozent über denen im günstigsten Bundesland Sachsen-Anhalt (2366 Euro) liegen.

Möglichen Mehrbedarf absichern

So kommt man auf ein durchschnittliches Kostenrisiko, das zwischen 22 600 Euro in Teilen Ostdeutschlands und stattlichen 57 000 Euro in NRW liegt – wenn man befürchtet, zu denjenigen zu gehören, die dauerhaft die höchste Pflegestufe in Anspruch nehmen müssen. Tatsächlich betrifft das aktuell aber gerade einmal 5,8 % aller Pflegebedürftigen (Härtefälle, die dem künftigen höchsten Pflegegrad 5 entsprechen, machen sogar nur 0,1 % aus).

Aber: Will man darauf wetten? „Durchschnittszahlen bringen mir wenig, wenn ich zu den Menschen gehöre, die sehr viel länger pflegebedürftig sein werden“, sagt Peter Grieble, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale (VZ) Baden-Württemberg. Er rät dazu, den möglichen Mehrbedarf dauerhaft abzusichern. Die Kunden der Versicherer folgen mehrheitlich diesem Ratschlag, so Björn Rullmann, Pflege-Spezialist beim Versicherungsmakler VFD-Kassel: „Zwei Drittel versichern sich für alle Pflegestufen, um genug Mittel für die Pflege zu Hause zu haben.“

Qualität der Pflege

Denn nicht nur die vollstationäre, auch die häusliche Pflege kann finanziell existenzbedrohend sein. Hier kann zwar auf Leistung verzichtet werden, um Kosten zu drücken, aber dadurch sinkt auch die Qualität der Pflege. Entscheidend für die Beurteilung einer Pflege-Police, so Rullmann, ist nicht so sehr, wie die Staffelung der Leistungen in den niedrigen Pflegegraden aussieht, sondern was die Versicherung leistet, wenn es darauf ankommt: bei teil- oder vollstationärer Pflege mit einem hohen Pflegegrad.

Dann sind auch die im Vorteil, die einen Tarif mit Beitragsfreistellung im Pflegefall gewählt haben – alle anderen zahlen weiter. Hier entpuppen sich Schnäppchen-Tarife als Kostenfallen. Eigentlich soll durch die Pflegereform niemand schlechtergestellt werden. Doch durch die Einführung des neuen Pflegegrades 1 gelten auf einen Schlag erheblich mehr Menschen als pflegebedürftig.

Versicherer können Tarife anpassen

Darauf müssen die Versicherer reagieren, und dem entgeht man auch nicht als Nutznießer eines „Alt-Tarifes“: „Bei Gesetzesänderungen können die Versicherer ihre Tarife anpassen, und das tun sie entweder, indem sie die Beiträge heraufsetzen oder aber beitragsneutral bleiben und dafür Leistungen kürzen“, erklärt Rullmann.

Alle großen Versicherer haben bereits angekündigt, dass die Umstellung garantiert wird und dass Versicherte die Option erhalten, in einen neuen Tarif zu wechseln, ohne dass sie sich einer erneuten Gesundheitsprüfung unterziehen müssen. Über den gesamten Markt hält VZ-Experte Grieble wegen der Umstellung nur Beitragssteigerungen von wenigen Prozent für gerechtfertigt – „in der Praxis zeigen sich jedoch teilweise kaum nachvollziehbare Steigerungen im zweistelligen Bereich“. Aber: „Wenn ich weiß, dass ich die Versicherung will, gibt es keinen Grund, mit dem Abschluss zu warten.“

Lebensjahre wirken sich auf Beitrag aus

Nicht nur, weil immer unverhofft eine Diagnose kommen kann, die als Vorerkrankung die Police verteuert: Gerade bei höheren Altersstufen macht jedes Lebensjahr mehr eine merkliche Beitragssteigerung aus. Markus Köhler vom unabhängigen Online-Vergleichsportal Pflegeversicherung-Infoportal.de rechnet es vor: Im beispielhaft ausgewählten Tarif PTG der DKV zahlt ein 50-Jähriger 60 Euro monatlich, um im Pflegefall auf eine monatliche Summe von 1500 Euro zu kommen. Wer die Police erst mit 55 Jahren abschließt, zahlt aber schon 75 Euro, ein 60-Jähriger 95 Euro und ein 65-Jähriger 120 Euro.

Der Jahreswechsel bedeutet generell, dass man mit einem höheren Eintrittsalter einsteigt und eine entsprechend höhere Prämie zahlt, weil sich die Einstufung nach dem Jahrgang und nicht nach dem Geburtsdatum richtet. Für die Versicherer wird am 1.1. ausnahmslos jeder ein Jahr älter – und so zahlen alle drauf, die sich bis nach Neujahr Zeit lassen.