Wolfenbüttel. Digitale Helfer nutzen Bauern schon auf dem Feld — und sind so öfter dort und nicht am Schreibtisch.

Das Smartphone ist ein wichtiges Arbeitswerkzeug für Junglandwirt Christian Schwetje. Wie geht es seinen 72 000 Hähnchen? Wann ist der beste Zeitpunkt fürs Ernten ist — solche Fragen kann er mit Blick auf verschiedene Apps jederzeit klären.

„Auf die Überwachung für die Ställe zu gucken, ist das erste, was ich morgens am Handy mache“, sagt der 24-Jährige aus Cramme bei Wolfenbüttel. Er hat eine Anwendung installiert, die den Bildschirm des Überwachungscomputers in seinen beiden Hähnchen-ställen spiegelt. Ein Sensor misst das gefressene Futter. Und eine Waage, auf die sich die Hähnchen im Laufe des Tages zufällig stellen, stellt ihr Gewicht fest. Und Schwetje sieht noch mehr auf dem Handydisplay: Etwa, ob der Lüfter funktioniert und die Temperatur stimmt.

Er könnte diese Werte auch mit dem Smartphone ändern, das macht er aber doch lieber im Stall. „Die App dient der Kontrolle, aber wenn ich was anders einstelle, möchte ich es auch fühlen.“ Auch mit digitalen Helfern spielt sich sein Arbeitsalltag hauptsächlich draußen ab. Die Programme helfen ihm, rasch zu reagieren. Im Juni etwa war bei einem Sturm der Strom im Stall ausgefallen, der Computer versandte automatisch Warn-Anrufe. Schwetje wusste: Die Hähnchen waren in Gefahr und fuhr los. „Wenn wir das Programm nicht hätten, hätten wir einige Stromausfälle verpasst —das hat viele Leben gerettet.“

Schwetje nutzt auch mehrere Informationsapps täglich. Auf seinen Hähnchenstall hat er eine Wetterstation montiert, mit Windrad, Photovoltaik-Platte und Regenauffang-Trichter. Der Hersteller lieferte die App dazu. „Wenn ich darauf zum Beispiel sehe, dass es nur 2 Millimeter geregnet hat, weiß ich, dass ich nach ein paar Stunden am selben Tag noch mähen kann“, erklärt der Jungbauer. Zusätzlich verwendet er Agrarwetter-Apps, die ihm zeigen, wie Regenfronten und Wind verlaufen werden. Das erleichtert die Planung. „Während der Ernte nutze ich das viel“, sagt Schwetje.

Damit ist er einer von vielen Landwirten, die auf die neuen Techniken setzen. Einer Studie des Marktforschungsinstituts AgriDirect zufolge besitzen 62 Prozent der Bauern Smartphones. Je jünger sie sind, desto eher ist das der Fall. Und etwas mehr als 50 Prozent dieser Bauern nutzen landwirtschaftliche Apps. Ganz oben auf der Liste: alles zu Wetterinformationen.

Carsten Lauenstein von den Junglandwirten Braunschweiger Land sieht das positiv und nennt die Chancen: „Es ist ein neues Thema und kommt immer mehr auf. Man hat das Smartphone schließlich immer dabei, es kann die Arbeit optimieren.“

Vor allem die App zu seiner Ackerschlag-Kartei ist hier ein gutes Beispiel, sagt Schwetje. Eine solche Kartei müssen alle Landwirte führen und bei Prüfungen vorzeigen können. „Es ist ein Tagebuch darüber, was auf dem Acker passiert“, erklärt Lauenstein. Egal, ob Schwetje aussät, den Boden bearbeitet, düngt, Schädlinge bekämpft oder erntet — er dokumentiert jede Handlung. Als ihn sein Vater angelernt hat, geschah das noch ausschließlich mit dem Standcomputer. Das bedeutete: Er notierte sich auf dem Acker, was er tat und setzte sich abends an den Computer, um alles zu übertragen. „Das hat meist noch mal eine Stunde gedauert“, erinnert er sich.

Vor zwei Jahren übergab Schwetjes Vater die Aufzeichnungen komplett an seinen Sohn. Auf einer Messe fiel diesem die Variante mit der App auf — und er ergriff die Chance, die Dokumentation zu vereinfachen. Seit 2016 trägt er alles ein, während er noch auf dem Trecker sitzt. Ein Klick und auf dem Display erscheint das richtige Feld – mit allen Informationen, welche Arbeiten hier schon erledigt worden sind. „Das kann man sich nicht alles merken. Jetzt habe ich immer den Überblick dabei“, sagt Schwetje, „ich erspare mir die Zettelwirtschaft, enorm viel Zeit und kann nichts vergessen“

Da die App serverbasiert funktioniert, wird der Handyspeicher nicht überlastet. Die Basisversion ist kostenfrei. „Ich finde am interessantesten , dass es möglich ist, Mitarbeiter über die App zu koordinieren“, sagt Lauenstein mit Blick auf seinen eigenen Betrieb.

Er ist der Meinung, dass die neuen Helfer sogar dafür sorgen, dass Bauern öfter auf ihren Parzellen sind. „Heutzutage hat ein Landwirt 50 Prozent seiner Zeit mit Schreibtischarbeit zu tun. Frühere Generationen haben den Beruf noch ergriffen, um die ganze Zeit auf dem Land zu sein“, erzählt Lauenstein. Technische Helfer könnten hier die Lösung sein — „man bekommt wieder mehr Zeit für die Familie.“ Gleichzeitig fielen natürlich „Unmengen an Daten“ an, etwa über den Luftgehalt im Hähnchenstall — „die Frage ist, wie wir die nutzen können“, sagt er.

Schwetje verwendet mehrere Apps auf dem Feld. Einige helfen bei der Einstellung seiner Maschinen, etwa beim Düngerstreuer. „Die App zeigt mir an, wie schnell ich fahren muss. Das musste ich vorher in einem Buch heraussuchen“, sagt Schwetje.

Anwendungen, die Krankheiten oder Unkräuter bestimmen, schaut er sich ebenfalls an. „Ich kenne auch noch nicht alle, diese App hilft beim Lernen“, erzählt der 24-Jährige. Nur den Empfehlungen, welches Mittel er dagegen nutzen soll, folgt er nicht. Und zwar aus nachvollziehbarem Grund: „Die Apps sind von der Industrie, die ihre Sachen verkaufen wollen.“

Viele Apps würden persönliche Beratungen der Landwirtschaftskammer ergänzen. Der Jungbauer sucht sich etwa erst selbst heraus, welches Unkraut infrage käme, bevor er dort anruft. Das ganze Jahr über blickt Schwetje auf digitale Marktinformationen. Den aktuellen Preis für seinen Weizen erfährt er etwa über Push-Mitteilungen.

„Entscheidend für jeden Landwirt ist, das richtige für sich zu finden“, meint Lauenstein. „Im Moment müssen wir noch viele Kompromisse machen.“ Viele Apps halten überflüssige Zusatzfunktionen bereit, andere reichten für ein Gebiet nicht aus. „Am interessantesten wäre es, welche selber zu programmieren“, sagt er. Diese Idee stünde bei den Jungen Landwirten momentan im Raum.