Berlin. Hunderte Millionen Euro kosten die Schäden der jüngsten Überschwemmungen. Das zeigt, wie wichtig eine Elementarschadenversicherung ist. Doch 60 Prozent der Haushalte fehlt eine solche Police.

Nach dem verheerenden Hochwasser in Bayern stehen viele Hausbesitzer vor den Trümmern ihrer Existenz.
Nach dem verheerenden Hochwasser in Bayern stehen viele Hausbesitzer vor den Trümmern ihrer Existenz. © dpa

Die jüngsten erschreckenden Ereignisse durch Starkregen und Überschwemmungen zeigen, wie wichtig ein Versicherungsschutz für Hochwasserschäden ist. Aber mehr als 60 Prozent der Haushalte in Deutschland fehlt diese Absicherung. Experten raten zu einer Elementarschadenversicherung – die aber gerade dort schwierig zu bekommen ist, wo sie am dringendsten benötigt wird.

„Überschwemmung kann jeden treffen – etwa, wenn die Kanäle überlaufen.“
Julia Gerhards, Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz

Viele Eigentümer denken, mit einer Wohngebäude- oder Hausratversicherung automatisch gegen Naturgefahren wie Hochwasser, Starkregen und Erdrutsche abgesichert zu sein. Dieser Schutz besteht aber nur, wenn er als Zusatz in eine der Policen ausdrücklich eingeschlossen ist. Dies ist häufig nicht der Fall. Fehlt die Absicherung, müssen Hochwasserbetroffene die Reparaturkosten selbst tragen – was bei verwüsteten Wohnungen wirtschaftlich existenzbedrohend sein kann. „Wir empfehlen daher dringend, sich mindestens gegen Überschwemmungen durch übergetretene Flüsse, starke Niederschläge und Rückstaus in der Kanalisation zu versichern“, sagt Julia Gerhards von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.

Dass nur Leute, die in der Nähe großer Flüsse wohnen, gefährdet sind, ist nach ihrer Erfahrung ein verbreiteter Irrglaube. „Überschwemmungen können jeden treffen – zum Beispiel wenn ein plötzlicher Starkregen kleine Bäche, Flüsse oder die Kanalisation überlaufen lässt. Selbst wenn ein Haus am Hang liegt, kann Wasser zum Beispiel aus der Kanalisation ins Haus eindringen“, erläutert die Beraterin.

Ob und zu welchem Preis ein Gebäude versichert werden kann, hängt vor allem von dessen Lage und eventuellen Vorschäden ab. Laut Versicherungsbranche gibt es in Deutschland „kaum Häuser, bei denen Versicherungsschutz unmöglich oder wirtschaftlich nicht sinnvoll ist“. In Risikozonen könne in der Regel eine individuelle Lösung gefunden werden. „So manche Ortsbesichtigung hat hier Erfolg gebracht“, heißt es beim Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft.

Verbraucherverbände sehen das wesentlich kritischer. Besonders in stark gefährdeten Gebieten werde Hauseigentümern die Versicherung meist verwehrt oder nur zu kaum bezahlbaren Beiträgen angeboten, moniert der Bund der Versicherten (BdV). „Wenn das Gebäude bereits einmal von einem Elementarschaden betroffen war, ist eine Police nicht zu bekommen“, so der BdV.

Um das Überschwemmungsrisiko für eine Immobilie kalkulieren zu können, hat die Versicherungswirtschaft sämtliche Regionen in Deutschland in Risikoklassen eingestuft. In der höchsten Gefährdungsklasse 4 tritt statistisch einmal in zehn Jahren Hochwasser auf, in der niedrigsten Klasse 1, die für gut 90 Prozent aller Häuser gilt, nur einmal in mehr als 200 Jahren.

Selbst kleine Bachläufe können die Risikobeurteilung beeinflussen

Laut einer Studie der Stiftung Warentest bieten nur wenige Versicherer Elementarschadentarife für Gebäude in der Hochrisikoklasse 4 an. Auch vor der Klasse 3 schreckten viele Versicherer zurück, so das Stiftungsmagazin „Finanztest“. Erhebliche Preisunterschiede ermittelten die Tester für die günstigen Risikozonen 1 und 2. Demnach kostet die Jahresprämie für ein Modelleinfamilienhaus in Zone 2 rund 110 Euro bei den preiswertesten und mehr als 560 Euro bei den teuersten Anbietern. Hinzu komme ein Selbstbehalt im Schadensfall, der in der Regel zwischen etwa 500 und 5000 Euro betrage.

Wichtig zu wissen ist, dass die Risikoklassen nur ein grobes Raster für die Prämienberechnung bilden. Selbst kleine Bachläufe in der Nähe eines Hauses und andere Faktoren wie der Gebäudezustand können die Risikobeurteilung beeinflussen. Deshalb lohnt es sich, einen Versicherungsvertreter vor dem Vertragsabschluss ins Haus zu holen. „Das bewahrt den Versicherten davor, im Schadensfall vorgeworfen zu bekommen, nicht alle Risikomerkmale des Gebäudes korrekt angegeben zu haben“, sagt Verbraucherberaterin Gerhards. Beachten müssten Versicherte auch ihre vertraglichen Pflichten, etwa zum Einbau von Rückstauklappen.

Nutzt ein Versicherer einen aktuellen Schadensfall zur Kündigung, sollten Betroffene über eine Rücknahme mit ihm verhandeln und gegebenenfalls eine höhere Selbstbeteiligung – beispielsweise 250 Euro im Jahr – in Kauf nehmen. Dies gibt ihnen die Chance, sich in Ruhe einen günstigeren Anbieter zu suchen. Der entscheidende Vorteil laut BdV: Im Versicherungsantrag können die Hauseigentümer schreiben, dass sie den alten Vertrag von sich aus gekündigt haben. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Antrag allein deshalb abgelehnt wird, weil der alte Versicherer kündigte.